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# taz.de -- Debatte um Rückkauf der Berliner S-Bahn: Ein kapitalistisches Lehr…
> Wie bekommt ein Land ein Unternehmen unter Kontrolle? Enteignen könnte
> eine Lösung sein. So weit sind SPD, Grüne und Linke aber noch nicht.
Bild: Schraubt sie bald an den Eigentumsverhältnissen der S-Bahn Berlin GmbH h…
Es gab tatsächlich Zeiten, da waren unzuverlässig verkehrende oder krass
überfüllte S-Bahnen noch Grund genug, um damit das Wort Krise zu verbinden.
Oder Chaos, wie das 2009 noch hieß, als die S-Bahn Berlin GmbH, eine
hunderprozentige DB-Tochter, [1][nach einem Radbruch einen guten Teil ihrer
Flotte] überarbeiten musste, dafür aber wegen eines Sparplans über Jahre
keine Kapazitäten hatte. Heute gibt es die Coronakrise und die Klimakrise,
alles ist also eine Nummer größer. Aber dennoch lohnt ein erneuter Blick
auf den Umgang des Landes mit diesem (Staats-)Unternehmen.
Auch, weil am Dienstag Linksfraktionschef Carsten Schatz [2][aus dem
Nähkästchen der Sondierungsverhandlungen] mit Grünen und SPD geplaudert
hatte. Man habe sich auf eine Kommunalisierung, sprich den Kauf, der S-Bahn
geeinigt, verriet er auf dem Landesparteitag, der für die Aufnahme von
Koalitionsverhandlungen stimmen sollte und das dann auch brav tat. Im
öffentlichen Sondierungspapier fand sich diese Einigung – die die Grünen im
übrigen nicht als Einigung verstanden wissen wollen – allerdings nicht,
weil man, so Schatz, mögliche juristische Folgen für die derzeit laufende
Ausschreibung mehrerer S-Bahn-Strecken sah.
Und hier beginnt das kapitalistische Lehrstück: Da sich das S-Bahn-Chaos
mehrere Jahre zog und viele für die Landesregierung unvorteilhafte
Schlagzeilen produzierte, diskutierte die Politik über die Möglichkeiten,
gegenüber dem Unternehmen handlungsfähig zu werden. Das erste Problem: Die
Berliner S-Bahn nutzt ein einzigartiges Gleissystem. Sprich, es existiert
kein Konkurrenzunternehmen, das mal eben ein ähnliches Angebot wie die
S-Bahn Berlin GmbH auf die Schiene bringen könnte.
So schrieb das Land zwar mehrfach Strecken aus und zahlte für den Verkehr
ordentlich Geld, doch es bewarb sich niemand anderes. Und so musste man
trotz allen Chaos am Ende wieder die S-Bahn Berlin GmbH beauftragen. Das
Land hat es schlicht und einfach mit einem Monopolisten zu tun.
Nun wäre eine Möglichkeit, das Unternehmen zu kaufen und es, wie die
Berliner Verkehrsbetriebe (BVG), in Landesbesitz zu überführen. Hier kommt
nun Problem Nummer zwei: Die Deutsche Bahn wollte bisher nicht veräußern.
Und die Bundesverkehrsminister, die ihren Einfluss auf das
Staatsunternehmen hätten nutzen können, kamen meist von der CSU, was sie
neben umfänglicher Inkompentenz davon abhielt, der in Berlin regierenden
SPD einen Gefallen zu tun.
So beschloss Rot-Rot-Grün den milliardenschweren Aufbau eines eigenen
Fuhrparks mit rund 1.300 S-Bahn-Waggons, der Mitbewerbern den Einstieg in
den Berliner Markt möglich machen soll. Genau an dieser Stelle sind wir
derzeit: Bis Anfang November läuft die Frist für Unternehmen, ein Angebot
vorzulegen.
## Wie viele Mitbewerber wird es geben?
Umso irritierender ist die vom Linken-Fraktionschef bekannt gegebene
Absicht, die S-Bahn GmbH zu kaufen – abgesehen davon, dass er damit seiner
Partei entgegenkam, die schon immer vehement gegen die von ihr gefürchtete
Zerschlagung der S-Bahn GmbH war. Ist etwa schon absehbar, dass es erneut
keine anderen Bewerber geben wird, trotz der vom Land zur Verfügung
gestellten Waggons? Das wäre ein Zeichen, dass sich selbst mit viel Geld
und Kniffen Monopolstrukturen nicht knacken lassen.
Bliebe das Prinzip Hoffnung, dass die DB ihre Tochter doch verkaufen will,
irgendwann, irgendwie, zu irgendeinem Preis. Dem haben die Mitglieder der
Sondierungsgespräche offenbar Ausdruck verliehen. Mehr aber auch nicht.
Was ebenfalls in der Sondierung vereinbart (und sogar schriftlich
festgehalten) wurde, ist eine Expertenkommission zur Prüfung der
Möglichkeiten den Enteignungs-Volksentscheid gegebenenfalls wirklich
umzusetzen. Vielleicht kann eine künftige rot-grün-rote Koalition dabei
lernen, ob sich nicht auch der Monopolist S-Bahn irgendwie verstaatlichen
lässt. Wäre eine spannende Frage.
23 Oct 2021
## LINKS
[1] /Neuer-S-Bahnvertrag-wird-unterzeichnet/!5269853
[2] /Koalitionsverhandlungen-in-Berlin/!5806012
## AUTOREN
Bert Schulz
## TAGS
S-Bahn Berlin
Verkehrspolitik
Regine Günther
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Berliner Senat
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