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# taz.de -- Politisches Personal in Berlin: Grüne Verkehrssenatorin hört auf
> Regine Günther kündigt an, nicht mehr als Senatorin zur Verfügung zu
> stehen. Sie wäre wohl auch nicht mehr zum Zug gekommen.
Bild: Dürfte sich öfter ziemlich allein gefühlt haben: Regine Günther, noch…
Berlin taz | Berlins grüne Senatorin für Verkehr, Umwelt und Klimaschutz,
Regine Günther, gibt ihren Posten nach dieser Legislaturperiode, sprich in
wenigen Monaten, auf. In einer Nachricht [1][auf Twitter] am
Donnerstagmorgen nannte sie dafür „familiäre Gründe“. „Es war mir eine
große Freude und Ehre, dieses Amt ausüben zu dürfen“, fügte sie hinzu.
Günther war seit Dezember 2016 eine von drei grünen Senator*innen in
der rot-rot-grünen Regierung unter Michael Müller (SPD). Zuvor hatte sie
für die NGO WWF 15 Jahre lang Klimaschutzpolitik gemacht. Mitglied der
Grünen wurde sie erst vor zwei Jahren.
Schon länger war darüber diskutiert worden, ob Günther bei einer erneuten
Regierungsbeteiligung der Grünen in Berlin ihr Amt fortführen wollen würde
– und dürfte. Die Grünen waren bei der Wahl zum Abgeordnetenhaus am 26.
September mit 18,9 Prozent zweitstärkste Kraft geworden und hatten ihr
bisher bestes Ergebnis in Berlin erreicht, aber ihr lange angepeiltes Ziel,
die Regierende Bürgermeisterin zu stellen, klar verfehlt. Dieses Amt wird
aller Voraussicht nach Franziska Giffey (SPD) übernehmen; am Freitag
beginnt sie Koalitionsverhandlungen mit Grünen und Linken.
Am Donnerstag lobten viele politische Mitstreiter*innen Regine Günther
für ihre Arbeit, darunter der Chef des Berliner BUND Tilmann Heuser. „Danke
für engagiertes Vorantreiben von Mobilitätswende und Klimaschutz in
Berlin“, [2][schrieb er auf Twitter]. Aufgrund des aufwändigen Aufbaus
„handlungsfähigerer Strukturen“ seien jetzt die Voraussetzungen vorhanden,
dass die Umsetzung der Ziele weiter Tempo aufnehmen könne, fügte er etwas
kryptisch hinzu.
Allerdings war die Kritik an der Senatorin, vor allem an der grünen Basis,
über die gesamte Legislaturperiode nie verstummt. Und auch Berlins große
Szene aus Klima- und Verkehrsaktivist*innen war mit Günther nie
richtig warm geworden. Sie warfen ihr immer wieder vor, vor allem
verkehrspolitische Weichenstellungen zu langsam anzugehen, und als diese
letztlich geschafft waren, [3][nicht konsequent genug umzusetzen].
Tatsächlich war Günther die für die Grünen wohl folgenschwerste Besetzung
im Senat – und man kann darüber streiten, in wie weit diese Personalie der
Partei letztlich den lange wahrscheinlichen Sieg am 26. September gekostet
hat, und welchen Beitrag Günthers Arbeit dafür geleistet hat.
Denn tatsächlich dauerte zum Beispiel die Umsetzung des Mobilitätsgesetzes,
für das Radaktivist*innen im Sommer 2016 [4][mit einem Volksbegehren
die Grundlage gelegt hatten], länger als erwartet. Auch der Ausbau der
Straßenbahnstrecken, in Berlin Trams genannt, fiel deutlich überschaubarer
aus. Hohe Erwartungen, die grüne Spitzenpolitiker*innen [5][zu
Beginn der Legislatur 2016] selbst geschürt hatten, wurden nicht erfüllt.
Bei den Grünen formuliert man das selbstverständlich anders: Sie konnten
nicht erfüllt werden, weil die Strukturen in der Verwaltung nach Jahren des
Sparens erst aufgebaut werden mussten. Und Günther selbst erklärte in
[6][ihrem letzten Interview mit der taz] vor der Wahl dazu: „Mehr ist immer
besser. Aber ‚hätte‘ ist keine politische Kategorie. Ich sehe nicht, dass
viel mehr zu schaffen war.“
Dennoch bleibt die Tatsache, dass Günther eine Art Notlösung war auf dem
Posten der Verkehrssenatorin. Denn die Grünen hatten am Ende der
Koalitionsverhandlungen 2016 zwei ihrer drei Senatsposten bereits fest
vergeben: Justiz ging an Dirk Behrendt, Wirtschaft an Ramona Pop. Damit
brauchten sie für den dritten Posten eine Frau.
Allerdings ist das Politikfeld Verkehr und Klimaschutz nicht nur bei den
Grünen sehr männerlastig. Mit Günther mussten Berlins Grüne daher in einem
ihrer politischen Kerngebiete eine Senatorin von außen holen, noch dazu
eine, die nicht mal Parteimitglied war. Der hiesige Verkehrsexperte Jens
Holger Kirchner wurde lediglich Staatssekretär. Dass er mehr wollte und
konnte, erklärte er zu Anfang der Legislatur mehrfach in Interviews.
## Nicht alle grünen Stadträte zogen mit
Wie alle, die von außen in die Verwaltung Berlins kommen, brauchte auch
Günther eine Weile, bis sie deren besondere Mentalität verstand,
insbesondere die häufig komplizierte Zusammenarbeit mit den Bezirken, die
für die Umsetzung vieler Maßnahmen zuständig sind. Und selbst jene grünen
Stadträte in den Bezirken, die für Verkehr zuständig waren, zogen nicht
immer mit Günther am selben Strang.
Günther macht mit ihren Rückzug nun den Weg frei für eine offene Debatte in
der Partei, wer diesen Senatsposten übernehmen sollte, falls es zu einer
Neuauflage von Rot-Grün-Rot kommt. Denn dass die Grünen auf diese für sie
zentrale Position verzichten, ist sehr unwahrscheinlich und wäre politisch
unklug.
In den Koalitionsverhandlungen soll die bisherige Bürgermeisterin von
Friedrichshain-Kreuzberg, Monika Herrmann, die Verhandlungen im Themenfeld
Mobilität führen. Herrmann hat nicht mehr als Bürgermeisterin kandidiert,
aber auch den Sprung ins Abgeordnetenhaus knapp verfehlt. Allerdings hat
sie mehrfach ausgeschlossen – [7][erst zuletzt in einem langen Interview
mit der taz –], einen Posten im Senat anzustreben.
Andererseits können die Grünen angesichts ihres guten Ergebnisses bei der
Wahl vier statt bisher drei Senator*innenposten für sich einfordern.
Dann wäre es auch leichter, einen Mann für diese Position zu finden. Zumal,
wenn man künftig einen größeren Schwerpunkt auf das immer wichtiger
werdende Politikfeld Klimaschutz legen will.
21 Oct 2021
## LINKS
[1] http://twitter.com/RegineGuenther/status/1451037001533304832
[2] http://twitter.com/Til_Heuser/status/1451048016497025030
[3] /ADFC-zieht-Bilanz-der-Verkehrspolitik/!5765396
[4] /Initiative-Volksentscheid-Fahrrad/!5373462
[5] /Rot-Rot-Gruen-in-Berlin-vor-der-Klausur/!5368914
[6] /Umweltsenatorin-ueber-Klimaschutz/!5797991
[7] /Monika-Herrmann-ueber-ihre-Zukunft/!5806965
## AUTOREN
Bert Schulz
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