| # taz.de -- Abgang von Verkehrssenatorin Günther: Und wer kommt jetzt? | |
| > Regine Günther hatte es als Berlins Verkehrs- und Klimasenatorin nicht | |
| > leicht. Und die optimale Nachfolgerin steht nicht zur Verfügung. | |
| Bild: Wahrscheinlich kein Symbolbild: Regine Günther (im Hintergrund), Monika … | |
| Leicht hatte sie es nie, die [1][scheidende Verkehrs-, Umwelt- und | |
| Klimasenatorin]. Als die Grünen Ende 2016 Regine Günther nach Berlin | |
| holten, weil sie im eigenen Landesverband niemanden fanden, bei dem | |
| Kompetenz und Proporz zusammenpassten, schlug der Pfälzerin fast | |
| augenblicklich Häme entgegen. Denn während sie beim Klimaschutz eine | |
| ausgewiesene Expertin war, musste sie in Sachen Straße und Schiene erst | |
| einmal passen. Stellvertretend für viele war das vergiftete Lob von | |
| Mega-Aktivist Heinrich Strößenreuther [2][in einem taz-Interview]: „Das | |
| Thema Verkehr zu übernehmen, ohne viel Ahnung davon zu haben, da muss ich | |
| sagen: Chapeau!“ | |
| Zwar ist es der Job von PolitikerInnen, sich Fachkenntnisse schnell zu | |
| erarbeiten und vor allem fachliche Entscheidungen klug zu delegieren. | |
| Trotzdem wurde Günther bis zu ihrem am Donnerstag verkündeten Rückzug von | |
| den meisten Berliner Stakeholdern als Fehlbesetzung kritisiert – mehr oder | |
| weniger offen. | |
| Dass sie in der Mitte ihrer Amtszeit ihrem damals schwer erkrankten | |
| Staatssekretär Jens-Holger Kirchner kündigte, der gefühlt jede Tramweiche | |
| in der Stadt persönlich kennt, war da wahrscheinlich mehr als nur ein | |
| Fehler im menschlichen Umgang. | |
| Umgekehrt muss man Regine Günther zugute halten, dass die Erwartungen der | |
| Zivilgesellschaft zu ihren Themen bei ihrem Amtsantritt vor fünf Jahren | |
| enorm hoch waren – und seitdem kontinuierlich gewachsen sind. So gesehen | |
| war es das Schicksal der Senatorin, gefühlt immer zu spät und zu wenig zu | |
| liefern, ob beim Radverkehr oder dem Tramnetz. | |
| Sie wird nun auch keine Gelegenheit mehr haben, die Früchte des von ihr | |
| geleisteten personellen Aufbaus der Verwaltung für die Verkehrswende und | |
| der massiven Investitionen in den ÖPNV zu ernten. | |
| ## Die Klimanotlage durchgeboxt | |
| Beim Umwelt- und Klimaschutz ging die kritische und aktivistische | |
| Öffentlichkeit etwas milder mit der Senatorin ins Gericht, obwohl sich | |
| diese Themen von denen der Mobilitätswende immer weniger trennen lassen. | |
| Mit CO2-Budgets und Co. kannte Günther sich aus, und sie schaffte es | |
| immerhin, gegen massive Widerstände aus der SPD eine „Klimanotlage“ mit dem | |
| dazugehörigen Maßnahmenpaket durchzuboxen. | |
| Am Ende wurde sie dann aber doch wieder rasant überholt, zumindest was die | |
| Ziele angeht: Das Volksbegehren, das Berlin schon 2030 klimaneutral machen | |
| will, nimmt für sich wissenschaftlich belegte Alternativlosigkeit in | |
| Anspruch. Wenn Günther dann wie zuletzt [3][gegenüber der taz sagte], echte | |
| Radikalität liege nun mal darin, das maximal Machbare umzusetzen und nicht | |
| nach Gusto Forderungen aufzustellen, klang das gleichzeitig angenehm | |
| nüchtern und – für viele zumindest – unverzeihlich mutlos. | |
| Wer Regine Günther jetzt nachfolgt, ist für die Grünen, aber auch für die | |
| Stadt entscheidend – wenn man davon ausgeht, dass es mindestens zwei | |
| Legislaturperioden braucht, um die Verkehrs- und Klimawende so sehr | |
| voranzubringen, dass sie irreversibel werden. | |
| Dass Monika Herrmann, die scheidende Bürgermeisterin von | |
| Friedrichshain-Kreuzberg, es [4][gemäß mehrfach wiederholtem Bekunden nicht | |
| machen will], ist bedauerlich: Die Frau kennt sich aus, weiß was sie will | |
| und hat Biss. | |
| Insofern ist folgerichtig, was [5][ADFC-Chef Frank Masurat] gerade noch | |
| einmal im taz-Interview gesagt hat: In Herrmanns Bezirk herrsche „ein | |
| anderes Miteinander, eine andere Führungskultur, ein klares Bekenntnis zur | |
| Verkehrswende, das die Menschen, die dort arbeiten, auch begeistert“. Wenn | |
| Herrmann das nicht in die gesamte Stadt tragen will (was ihr gutes Recht | |
| ist), bleibt die Frage, wer das ebenso kann. Bislang ist noch niemand in | |
| Sicht. | |
| 23 Oct 2021 | |
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| ## AUTOREN | |
| Claudius Prößer | |
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