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# taz.de -- Monika Herrmann über ihre Zukunft: „Ein paar Tricks verraten“
> Künftig will sie als Aktivistin die Verkehrswende voranbringen, sagt die
> Noch-Bürgermeisterin von Friedrichshain-Kreuzberg. Hier verrät sie, wie.
Bild: „Ich brauche von der Bürgermeisterei, also von dieser Verantwortung, m…
taz: Frau Herrmann, Sie haben den Einzug [1][ins Abgeordnetenhaus
verpasst]. Sind Sie enttäuscht?
Monika Herrmann: Ehrlich gesagt: nein.
Das glaube ich nicht.
Stimmt, es ist komplex. Wir Grünen haben in dem Wahlkreis in
Friedrichshain-Kreuzberg, in dem ich direkt kandidiert habe, so gut
abgeschnitten wie noch nie. Es fehlten nur 0,9 Prozentpunkte, um ihn der
Linkspartei abzunehmen. Ich bin also verdammt nah rangekommen. Und dass ich
über die Liste nicht ins Parlament gekommen bin, liegt daran, dass sehr
viele Grüne ihr Direktmandat gewonnen haben. Das freut mich.
Aber für Sie persönlich muss es doch traurig sein, dass es jetzt politisch
erst mal nicht mehr weiter geht.
Im Gegenteil: Ich fühle mich jeden Tag ein bisschen befreiter aus den
Zwängen des politischen Alltags. Ich kann bald wirklich wieder komplett
selbst entscheiden über mein Leben. Es gibt Momente, da fühle ich mich
geradezu euphorisch. Denn ich habe gemerkt: Ich brauche von der
Bürgermeisterei, also von dieser Verantwortung, mal eine Pause. Und wir
verhandeln im Bezirk jetzt ganz schnell, damit das neue Bezirksamt steht,
ich also mein Amt als Bürgermeisterin weiter geben kann.
Sie hatten schon vergangenes Jahr angekündigt, [2][als Bürgermeisterin
aufzuhören,] und dabei auch ausgeschlossen, dass Sie eventuell Senatorin
werden könnten oder etwas Ähnliches.
Ich weiß, ich könnte ein solches Amt ausfüllen. Aber dieses Gefühl der
Freiheit, das ich gerade beschrieben habe, wäre ja weg, wenn ich zum
Beispiel ein Amt als Senatorin anstreben würde.
Auf Twitter, Ihrer liebsten Social-Media-Plattform, haben Sie angekündigt,
sich politisch um die Umsetzung der Verkehrswende zu kümmern. So ganz ohne
Politik geht es also doch nicht.
Nein, aber ich freue mich darauf, jetzt endlich mal wieder ganz frei
Politik zu machen. Und richtig: Mit Franziska Giffey bekommen wir wohl eine
Regierende Bürgermeisterin, die die Verkehrswende gar nicht will.
Wie stellen Sie sich diese unabhängige Politik konkret vor?
Wir Grünen haben jetzt voraussichtlich doppelt so viele Stadträtinnen und
Stadträte wie bisher und das in jedem Bezirk außer Marzahn-Hellersdorf. Das
ist ein Riesenerfolg. Und viele der neuen Stadträtinnen und Stadträte
wollen [3][die Verkehrswende aktiv] umsetzen. Ich will ihnen dabei helfen,
indem ich das, was wir in Friedrichshain-Kreuzberg vor allem in den letzten
beiden Jahren gelernt haben, in die anderen Bezirke hineintrage,
Erfahrungen weitergebe und auch ein paar kleine Tricks verrate.
Das klingt nach politischer Beraterin oder Aktivistin.
Aktivistin trifft es. Viele Grüne arbeiten ja in verkehrspolitischen
Initiativen mit. Und die Grünen müssen sich mit diesen Initiativen stärker
vernetzen. Das ist mir wichtig.
In ihren Tweets schreiben Sie schon mal von einer APO, also einer
außerparlamentarischen Opposition. Das suggeriert eine gewisse Radikalität.
Naja, es kommt darauf an, welche Politik das Abgeordnetenhaus machen wird.
Ich – und auch viele Aktivistinnen und Aktivisten – erwarten, dass das
Parlament die Mobilitätswende ernst nimmt. Es kommt also darauf an, wie
Franziska Giffey damit umgeht; bisher lehnt sie ja alles ab. Und in diesem
Fall muss es von unserer Seite her, also von Straße und Partei,
entsprechenden Druck geben.
Damit machen Sie auch eigenen Partei Druck, die ja wahrscheinlich wieder
Teil der nächsten Regierung sein wird.
Der gesamten künftigen Koalition. Unsere Verkehrssenatorin Regine Günther
ist ja in der bald endenden Legislaturperiode mit einigen Zielen an
Kollegen im Senat gescheitert, etwa an SPD-Innensenator Andreas Geisel. Wir
erwarten als Partei, dass nun wesentliche Schritte in Sachen Verkehrswende
gemacht und auch viel konsequenter als bisher umgesetzt werden. Diese
Hinhaltetaktik der letzten fünf Jahre muss vorbei sein. Da stellt sich zum
Beispiel die Frage, ob genügend Geld vom Senat für die Bezirke bereit
gestellt wird.
Sie waren selbst sehr lange in der Bezirkspolitik. Es hat bekanntlich auch
eine ganze Weile gedauert, bis die Verkehrswende in
Friedrichshain-Kreuzberg anlief. Ist es nicht ein bisschen wohlfeil, jetzt
von außen etwas einzufordern, was Sie selbst als Bürgermeisterin nicht
wirklich umgesetzt haben?
Für Verkehr war ich erst die letzten zwei Jahre zuständig, und in dieser
Zeit ist ja viel passiert.
Als Bürgermeisterin haben Sie aber für das gesamte Bezirksamt den Hut auf.
Es stimmt: Wir hätten in den Jahren vor 2019 deutlich mehr machen können,
das habe ich auch nie bestritten. Es gab allerdings auch Hürden; etwa die
harten Auseinandersetzung mit der Verkehrslenkung Berlin. Wir konnten ja
als Bezirk noch nicht mal einen Zebrastreifen aufmalen. Aber seitdem haben
wir den Turbo eingelegt und nicht nur einen Schwerpunkt auf die
Verkehrswende gelegt, sondern auf die gesamte Umgestaltung des öffentlichen
Raums.
Stellt sich die Frage: Wie wollen Sie künftig Ihr Geld zum Leben verdienen?
Ich bin nach acht Jahren als Bezirksbürgermeisterin in einer sehr
privilegierten Situation: Ich bekomme Ruhegeld nach meinem Ausscheiden bis
zum Ende meines Lebens. Die Summe kenne ich noch nicht; es ist natürlich
weniger als jetzt, und vielleicht muss ich noch etwas dazu verdienen. Aber
erst mal beruhigt das sehr.
Sie können Vollzeit-Aktivistin werden.
Davon gehe ich jetzt erst mal aus. Deswegen geht es mir auch so gut.
Haben Sie ein erstes konkretes Ziel oder Projekt?
Ja. Als allererstes möchte ich mich mit den Grünen und Initiativen aus den
Außenbezirken treffen, damit wir uns anschauen, was Verkehrswende
eigentlich für die Außenbezirke tatsächlich heißt. Ich weiß, es geht um
Busanbindung, Fahrradabstellplätze und so weiter. Ich wünsche mir aber
einen detaillierteren Austausch: In den Bezirksparlamenten sitzen
Abgeordnete, die sich schon seit langer Zeit um dieses Thema kümmern.
Vielleicht gelingt es uns, eine Konferenz auf die Beine stellen zum Thema
Verkehrswende dort. Ich bin auch ein großer Fan von Kiezblocks…
… also dem Absperren eines Viertels für den Durchgangsverkehr.
Mein Wunsch wäre, am Ende dieser Wahlperiode in jedem Bezirk mehrere
solcher Blocks zu haben, um die Wege sicherer zu machen, etwa für
Schülerinnen und Schüler, und die Kieze lebenswerter zu machen. Ich werde
genau hinschauen, wo der Senat diese Projekte unterstützt, auch finanziell.
Es gibt in Berlin mehrere mehr oder weniger hauptberufliche
Verkehrsaktivist*innen. Heinrich Strößenreuther etwa hat den Radentscheid
2016 sehr professionell organisiert, auf den sich die Verkehrswende in den
vergangenen Jahren stark stützte. Zuletzt war er der CDU beigetreten in der
wohl trügerischen Hoffnung, dort Klimapolitik vorantreiben zu können. Haben
Sie trotzdem schon mal mit ihm telefoniert zum Erfahrungsausstauch?
Nein, bisher nicht. Ich habe zuletzt auch nichts mehr von ihm gehört oder
gelesen.
Nun ist er ja politisch wieder in der Opposition gelandet.
Sobald er sich sortiert hat und wieder in der Stadtgesellschaft auftaucht,
rede ich auch mit ihm. Klar.
14 Oct 2021
## LINKS
[1] /Berliner-Abgeordnetenhauswahlen/!5800602
[2] /Monika-Herrmann-ueber-ihr-Amt/!5638449
[3] /Berliner-Mobilitaetsgesetz/!5782120
## AUTOREN
Bert Schulz
## TAGS
Verkehrspolitik
Monika Herrmann
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Grüne Berlin
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Wochenkommentar
Monika Herrmann
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