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# taz.de -- Berliner Wahldesaster: Wahlen als Gesamtkunstwerk
> Der Innenausschuss des Abgeordnetenhauses beschäftigte sich mit dem
> Wahlchaos. Grüne und Linke üben nur vorsichtige Kritik am Senat.
Bild: Hat gedauert, bis er verstanden hat: Innensenator Andreas Geisel (SPD)
Berlin taz | Es hat fast drei Wochen gedauert, bis der Satz über die Lippen
des Innensenators kam: „Wir haben verstanden“, sagte Andreas Geisel (SPD)
am Freitag. Es sei nun die Pflicht von Senat und Verwaltung, das Vertrauen
der Bevölkerung wieder herzustellen. „Solche Fehler dürfen nicht wieder
passieren.“
Fast vier Stunden befasste sich der Innenausschuss des Abgeordnetenhauses
am Freitag in einer Sondersitzung mit dem Wahlchaos am 26. September. Neben
Geisel, der in den letzten Tagen von der Öffentlichkeit heftig kritisiert
worden war, dass er keine Verantwortung für das [1][Desaster am
Superwahlsonntag] übernommen hatte, versuchte auch die bisherige
Landeswahlleiterin Petra Michaelis, den Abgeordneten Rede und Antwort zu
stehen. Michaelis war nach dem Bekanntwerden der Pannen zurückgetreten. Der
innenpolitische Sprecher der FDP, Paul Fresdorf, bezeichnete sie am Freitag
als Bauernopfer. „Ich glaube, dass andere folgen müssten“.
Als letzten Amtsakt hatte Michaelis am Donnerstag [2][das amtliche
Ergebnis] zur Abgeordnetenhauswahl veröffentlicht und dabei angekündigt,
beim Berliner Verfassungsgerichtshof Einspruch gegen einzelne
Wahlkreis-Ergebnisse einzulegen. In zwei Wahlkreisen in
Charlottenburg-Wilmersdorf und Marzahn-Hellersdorf habe es Verstöße
gegeben, die Auswirkung auf die Mandatsverteilung haben könnten.
Auch die Innenverwaltung behält sich Geisel zufolge vor, beim
Verfassungsgerichtshof Einspruch gegen Ergebnisse einzulegen. Ob das
geschehe, werde die nächste Woche zeigen, sagte Geisel am Freitag. Zuvor
werde seine Behörde das Endergebnis und die Fehlerberichte analysieren.
„Die Aufklärung des Vorgangs ist noch nicht abgeschlossen“.
## Sechs Stimmen auf fünf Wahlzetteln
Neben der Bundestagswahl hatte am 26. September auch die
Abgeordnetenhauswahl und die Kommunalwahl stattgefunden. Gleichzeitig
stimmten die Berliner über den Volksentscheid der Initiative Deutsche
Wohnen & Co. enteignen ab. Auf fünf Wahlzetteln galt es sechs Stimmen zu
verteilen. Das alles unter Corona-Abstandbedingungen am Tag des
Berlin-Marathons, fasste Michaelis die Lage am Freitag im Ausschuss
zusammen. Und doch: „Ich war sehr zuversichtlich, dass alle Beteiligten gut
vorbereitet sind“.
Das Gegenteil war der Fall. Die [3][Liste der Beschwerden] über Fehler und
Unregelmäßigkeiten ist lang. Zu wenig Wahlzettel oder die falschen, zu
wenig und überfordertes Personal, lange Warteschlangen vor den Wahllokalen
und vieles mehr.
## Schon 2020 gewarnt
Innensenator Geisel räumte bei der Ausschusssitzung ein, dass im Senat
bereits 2020 diskutiert wurde, ob mehrere Wahlen am selben Tag nicht eine
Überforderung seien. „Es gab Hinweise, dass es besser sei, das zu trennen“,
so Geisel. „Der Senat hat bewusst eine andere Entscheidung getroffen.“ Bei
einer Aufsplittung auf kurz aufeinander folgenden Sonntage wäre schwer
gewesen, genügend Wahlhelfer zu gewinnen. Die Leute wären dann eher
wahlmüde, aber gerade auch für einen Volksentscheid sei eine hohe
Wahlbeteiligung wünschenswert. Eine Absage des Marathons sei aus
wirtschaftlichen Gründen nicht infrage gekommen.
Geisel hatte hatte bereits in den vergangenen Tagen angekündigt, dass er im
November eine Expertenkommission berufen will. Die soll sich mit der Frage
beschäftigen, was organisatorisch verändert werden muss, damit ein solches
Desaster nicht noch einmal passiert. Besetzt sein soll die Kommission mit
Wissenschaftlern, Praktikern, Juristen, aber auch Menschen aus der
Zivilgesellschaft. Es gehe darum, neue Standards zu setzen. Vielleicht sei
es erforderlich, dass die Landeswahlleitung ein Durchgriffsrecht in den
Bezirken habe, so Geisel. Oder dass es einen Standard für die Schulungen
von Wahlhelfern gebe.
Vielleicht lag es daran, dass die SPD nun doch wieder eine Fortsetzung der
aktuellen Koalition sondieren will: Die Abgeordneten von Linken und Grünen
übten bei der Aussprache über das Wahlchaos ausgesprochen zurückhaltende
Kritik. Sebastian Schlüsselburg (Linke) befand: „Sportereignisse müssen im
Zweifelsfall verschoben werden.“ Und dass das Abgeordnetenhaus bei der
Wahlvorbereitung genauer hätte hingucken müssen. Keine der Gewalten können
sich raushalten, denn: „Die Wahlen sind auch ein Gesamtkunstwerk“.
## Den Schuss gehört
Benedikt Lux (Grüne) bedankte sich, „dass der Senat den Schuss gehört hat.�…
Nach den Wahlen habe das zunächst nicht so ausgesehen. Vielleicht liege das
Chaos aber auch am Geld. 5,3 Millionen Euro seien möglicherweise zu wenig,
um so einen Wahlmarathon zu finanzieren, meinte der Grüne.
Deutlicher wurde die von Franziska Giffey (SPD) nunmehr doch für eine
Regierungsbündnis verschmähte FDP. „Das Hochamt der Demokratie ist
beschädigt“, befand Paul Fresdorf. „Die Berliner können alles, außer
alles“, rührte er in der Wunde, dass in Berlin überhaupt nichts klappt. Die
Schuld für das Wahldebakel liege eindeutig beim Senat.
Burkard Dregger, bis dato innenpolitischer Sprecher der CDU, aber nicht
wiedergewählt, erkundigt sich mehrfach, ob es im Vorfeld konkrete Warnungen
vor einem Reinfall gegeben habe. Eine konkrete Antwort wurde ihm nicht
zuteil.
15 Oct 2021
## LINKS
[1] /Aufklaerung-der-Wahlpannen/!5801512
[2] /Amtliches-Ergebnis-in-Berlin/!5808051
[3] /Chaotischer-Wahltag-in-Berlin/!5800451
## AUTOREN
Plutonia Plarre
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