# taz.de -- Opposition in Kuba mobilisiert: Wem gehören Kubas Straßen? | |
> Kubanische Oppositionelle wollten für den 15. November eine Demonstration | |
> anmelden. Das wurde jetzt verboten. Sie wollen trotzdem protestieren. | |
Bild: Yunior Garcia Aguilera mit dem Brief, in dem die Regierung ihr Verbot fü… | |
HAMBURG taz | „Unsere persönliche Entscheidung ist es, am 15. November | |
friedlich für unsere Rechte zu demonstrieren“, so stand es am Dienstag | |
abend auf der [1][Facebook-Seite „Archipiélago“]. Die Seite, erst Anfang | |
August gegründet, ist in Kuba derzeit der wichtigste oppositionelle | |
Online-Treffpunkt mit 27.000 Mitgliedern. Auf dieser Seite wurde für die | |
Demonstration im November aufgerufen – und dort wird jetzt auch die alles | |
andere als überraschende Entscheidung der Behörden kommentiert, diese erste | |
angemeldete regierungskritische Demonstration auf der Insel zu verbieten. | |
Begründet wurde das Verbot mit dem Artikel 4 der erst 2019 per Referendum | |
verabschiedeten neuen Verfassung Kubas. „Artikel 4 der kubanischen | |
Verfassung besagt, dass das sozialistische System unwiderruflich sei und | |
deshalb ist auch jede Aktion gegen dieses rechtwidrig“, schrieb Alexis | |
Acosta Silva, zuständiger Verwaltungsangestellter für die Altstadt von | |
Havanna an Yunior García Aguilera. Der 38-jährige Theaterdramaturg hatte | |
die von Beginn an als „marcha pacífica por el cambio“, als friedlichen | |
Marsch für den Wandel bezeichnete Demonstration ganz legal auf Basis des in | |
der Verfassung in Artikel 56 fixierten Demonstrationsrechts anmelden | |
wollen. | |
In Kuba vollkommen Neu, denn Regularien für die Anmeldung einer | |
Demonstration, die zum „einen die Freilassung aller politischen Gefangenen, | |
zum anderen das Ende der Gewalt“ einfordert, gibt es nicht. Auch der Appell | |
der Organisator*innen der Demonstration, die in sechs der fünfzehn | |
Provinzen Kubas angemeldet werden sollte, die Rechte der Bevölkerung zu | |
respektieren und den Weg für eine friedliche und demokratische Lösung der | |
bestehenden Gegensätze frei zu machen, hat es so auf der Insel seit dem | |
Sieg der Revolution 1959 nicht gegeben. | |
In den Augen der kubanischen Behörden ist das eine „Provokation mit | |
destabilisierendem Ziel“. Sie rückten einige der Organisatoren der marcha | |
pacífica in die Nähe „subversiver Organisationen und Agenturen, die von der | |
Regierung der USA finanziert sind“. Dieser immer wiederkehrende Vorwurf | |
wird seit den 1960er Jahren wie ein Mantra gegen Andersdenkende ins Feld | |
geführt, kritisieren Aktivisten wie [2][Michael Matos], der zur | |
Künstlerbewegung Movimiento San Isidro (MSI) gehört. | |
## Für Wandel und die Freilassung aller politischen Gefangenen | |
Dessen bekanntestes Gesicht, [3][Luis Manuel Otero Alcántara], sitzt ohne | |
formelle Anklage seit dem 11. Juli in Haft. Er wurde von Amnesty | |
International gemeinsam mit fünf weiteren Aktivist*innen, die vor und am | |
11. Juli, dem Tag der bisher größten regierungskritischen Demonstrationen | |
seit der Revolution 1959, [4][inhaftiert wurden], zu Gewissensgefangenen | |
erklärt. | |
Deren Freilassung und die aller weiteren politischen Gefangenen gehört zu | |
den zentralen Forderungen der „marcha pacífica“. Von der kubanischen | |
Regierung wird die Existenz politischer Gefangener auf der Insel jedoch | |
kategorisch abgestritten. Ursprünglich sollte der „friedliche Marsch für | |
den Wandel“ am 20. November stattfinden. Als die Regierung in Havanna den | |
20. November jedoch kurzfristig zum „Tag der nationalen Verteidigung“ | |
erklärte, wurde der friedliche Marsch vorverlegt, um Konfrontationen aus | |
dem Weg zu gehen. | |
Dessen Verbot und die ihr zugrunde liegende Argumentation sorgte auch für | |
kritische Reaktionen aus den USA. Ned Price, Sprecher des State | |
Departments, monierte, dass die kubanische Regierung ihrer Bevölkerung das | |
Recht auf freie Meinungsäußerung und auf Versammlungsfreiheit vorenthalte. | |
Genau das will sich die Gruppe um Yunior García Aguilera jedoch nicht | |
nehmen lassen. Sie hält am 15. November fest, mobilisiert über Archipiélago | |
für den „friedlichen Marsch für den Wandel“ und hofft auf breite Resonanz. | |
Schließlich geht es auch darum zu zeigen, dass es eben nicht nur kleine | |
Gruppen sind, die mit der Politik der Regierung in Havanna nicht | |
einverstanden sind, so Yunior García Aguilera. | |
14 Oct 2021 | |
## LINKS | |
[1] https://www.facebook.com/groups/870004956941838 | |
[2] /Kubanischer-Kuenstler-ueber-Proteste/!5781464 | |
[3] /Kunstfreiheit-in-Kuba/!5771758 | |
[4] /Prozesse-nach-Protesten-auf-Kuba/!5790361 | |
## AUTOREN | |
Knut Henkel | |
## TAGS | |
Protest | |
Kuba | |
Menschenrechte | |
Opposition | |
Meinungsfreiheit | |
Demonstrationsrecht | |
Antiimperialismus | |
Kuba | |
Kuba | |
Kuba | |
Schwerpunkt Pressefreiheit | |
Miguel Díaz-Canel | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Demonstrationsverbote auf Kuba: Primitiver Antiimperialismus | |
Kubas Staatsmedien polemisieren gegen die fortschrittlichen Kräfte im Land. | |
Ausgerechnet Linke und Menschenrechtler stimmen mit ein. | |
Kuba vor geplanten Oppositionsdemos: Was tun die Uniformierten? | |
Kubas Regierung versucht, den „friedlichen Marsch für den Wandel“ zu | |
verhindern. Oppositionelle planen aber weiter, am Montag auf die Straße zu | |
gehen. | |
Kulturaktivist über Demos in Kuba: „Ein Clan kontrolliert Kuba“ | |
Yunior García Aguilera hatte einen „friedlichen Marsch für den Wandel“ in | |
Kuba angemeldet. Der wurde verboten. Was bedeutet das? | |
Kuba bürgert kritischen Künstler aus: Von Kubas Stasi ins Exil geschickt | |
Der kubanische Künstler Hamlet Lavastida saß seit Ende Juni in | |
Untersuchungshaft. Am Samstag wurde er freigelassen und musste das Land | |
verlassen. | |
Gesetz Nummer 35 in Kuba: Gegen ein freies Netz | |
Ein neues Gesetz verbietet es in Kuba, „Falschnachrichten“ über die | |
Regierung im Internet zu verbreiten. Viele Menschen befürchten nun | |
Sperrungen. | |
Prozesse nach Protesten auf Kuba: Den eigenen Gesetzen zum Trotz | |
Nach den Demonstrationen vom 11. Juli sitzen Minderjährige in Haft. In | |
Sammelprozessen finden Verurteilungen ohne Verteidigung statt. |