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# taz.de -- Literatur aus Taiwan: Unerhörtes aus Taiwan
> In der jungen Generation in Taiwan wächst die Sorge vor dem aggressiven
> Festland-China, die Politik hält Einzug in Gedichte. Lesung in Berlin.
Bild: Erinnerungsfoto am Nationalfeiertag in Taipeh
Die Nachrichten, die die Welt dieser Tage aus Taiwan erreichen, sind
besorgniserregend. China ließ in den vergangenen Wochen wiederholt
Kampfjets über den benachbarten Inselstaat fliegen. [1][Der expansive Druck
Chinas hält] seit der Unabhängigkeit unvermindert an, so dass sich nach wie
vor nur wenige Staaten trauen, das demokratische Taiwan international
anzuerkennen. Chinas Führer Xi Jinping rief Taiwan zuletzt zur „friedlichen
Wiedervereinigung“ mit Festlandchina auf. Und warnte – ein schlechter Witz
– vor Einmischung aus dem Ausland.
Doch in Taiwans Hauptstadt Taipeh ist man keineswegs gewillt, Hongkongs
Schicksal zu teilen. Am Dienstagabend sprachen darüber auch drei
taiwanesische Literaten, die im Literarischen Colloquium Berlin zu Gast
waren. Unter ihnen Yang Chih-Chieh, ein Dichter, der explizit
Zeitpolitisches lyrisch verarbeitet.
In Taiwan würden sich Gedichte fast ausschließlich mit der Innenwelt
befassen, sagt Yang Chih-Chieh, simultan übersetzt von Susanne
Becker-Gonella in Berlin. Erst seit einigen Jahren sei das anders. Taiwan
sei eine junge Gesellschaft, deren junge Bevölkerung sich stark politisch
engagiere. Yang Chih-Chieh hat die jüngsten politischen Proteste gegen den
expansiven Kurs von Festland-China hautnah miterlebt.
Er berichtete als Journalist von [2][den „Regenschirm-Protesten“ in
Hongkong]. Und auch von der „Sonnenblumenbewegung“, bei der Demonstrierende
2014 das taiwanische Parlamentsgebäude besetzten, um nicht nur gegen den
ihrer Meinung nach zu nachgiebigen Kurs ihrer Regierung gegenüber China zu
protestieren.
## Der schwache Schein einer neuen Welt
Von diesen Protesttagen erzählt Yang Chih-Chieh in „Ning“: „2014 leuchte…
meine Nachttischlampe auf, ich wusste, dass der Mindestlohn steigt. Ich
weiß, dass ich einem Eigenheim einen Schritt näher bin. Ich weiß noch, wie
die siebzehnjährige Ning die Träger von ihrer Schulter zog. Sie wartete auf
mich im schwachen Schein einer neuen Welt“, heißt es in dem leider etwas
unpoetisch von dem taiwanischen Kulturministerium übersetzen Gedicht, das
die erste deutsche Übersetzung Yang Chih-Chiehs darstellt.
Mit Weng Yu-Hung alias HOM sitzt eine weitere Vertreterin der jungen
taiwanischen Generation auf dem Podium. HOM setzt sich für soziale und
Gender-Gerechtigkeit ein und verarbeitet diese Themen auch in ihren Comics.
So erzählt sie in [3][„Big City, Little Things“] die Geschichte einer
modernen Familie, in der zwei homosexuelle Freunde eine Ehe eingehen, das
Kind jedoch zu viert, gemeinsam mit ihren Partnerinnen, großziehen. Taiwan
ist das einzige Land Asiens, das 2019 die Ehe für gleichgeschlechtliche
Paare öffnete. Trotzdem sei es gesellschaftlich vielerorts immer noch nicht
akzeptiert, Sexualität anders zu leben, sagt sie. Trotz reformierter
Gesetzgebung in Taiwan.
## Umsiedlung der Bunun
Von einem ganz anderen Taiwan erzählen kann indes Salizan Takisvilainan,
der sich dem Volk der Bunun zurechnet. Die Bevölkerung des Inselstaats
Taiwan hat wie so viele andere Länder auch verschiedene Herkünfte, eine
indigene Bevölkerung, deren Geschichte bestimmt war von Vertreibung und
Zwangsassimilation. Die Bunun haben, so Salizan Takisvilainan, ursprünglich
in den Bergen auf 2.000 Meter Höhe gelebt.
Sie sind von den japanischen Besatzern jedoch in der ersten Hälfte des 20.
Jahrhunderts zwangsweise ins Flachland umgesiedelt worden. Ein Mensch wie
er habe so den Kontakt zu den Bergen verloren, sagt Takisvilainan. Und ihn
erst als junger Erwachsener wiedergefunden. Heute arbeite er selbst als
Bergführer und unterstützt taiwanische Autor:innen dabei, in ihren
ursprünglichen Sprachen zu schreiben.
„Verpackt in Milchpulverdosen / Ein Schritt nach dem anderen / Wir wandeln
auf den Spuren unserer Vorfahren / Halsketten für die lusan uvaz / liegen
verstreut auf dem Tongku Saveq / Körbe auf dem Rücken / Sammeln entlang des
Weges / Yushanji, Mai Dong, Leopardenblumen / Taiwanesische Anoectochilus,
grünblättrige Paris, Pflaumenblüten, Chrysanthemen / Federn des
Mikadofasans / und erklimmen den Yushan“, bringt Takisvilainan die
Gratwanderung zwischen Tradition und Moderne literarisch zum Ausdruck. Die
indigene Minderheit besinne sich wieder auf ihre Traditionen, sagt er. Und
zeigt Fotos von einem neuen Dorf, das von Bunun auf 1.000 Meter Höhe gerade
erbaut werde.
28 Oct 2021
## LINKS
[1] /Rolle-von-Konfuzius-in-China/!5800232
[2] /Sachbuecher-zu-Hongkong/!5739647
[3] https://booksfromtaiwan.tw/books_info.php?id=125
## AUTOREN
Julia Hubernagel
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