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# taz.de -- Drohungen aus China: Taiwan trotzt dem Druck
> Präsidentin Tsai Ing-wen gibt sich zum Nationalfeiertag selbstbewusst.
> Doch erstmals erscheint eine chinesische Invasion als realistisches
> Szenario.
Bild: Angespannte Stimmung zum Nationalfeiertag: Militärparade am 10. Oktober
Peking taz | Bei strahlendem Sonnenschein trat Tsai Ing-wen am
Sonntagmorgen vors Volk, um den alljährlichen Nationalfeiertag Taiwans zu
begehen. Doch die geopolitische Lage ist so angespannt wie seit über einem
Vierteljahrhundert nicht mehr.
„Wir hoffen auf eine Lockerung der Beziehungen entlang der Taiwanstraße und
werden nicht vorschnell handeln. Aber es sollte absolut keine Illusion
daran bestehen, dass sich das taiwanische Volk dem Druck nicht beugen
wird“, sagte die 65-Jährige in ihrer besonnenen Art. Niemand könne Taiwan
zwingen, den Weg Pekings zu nehmen, der „weder ein freies und
demokratisches Leben noch Souveränität“ für die Bevölkerung von 23
Millionen biete.
Doch genau dies fordert Chinas Staatschef Xi Jinping, wie er erst am
Samstag in einer nationalistisch aufgeladenen Grundsatzrede betonte. Darin
warnte der 68-Jährige, dass eine Abspaltung Taiwans „ein böses Ende“ nehm…
werde: „Die vollständige Wiedervereinigung unseres Landes wird und kann
verwirklicht werden.“
Dass Peking dabei den Volkswillen der Taiwaner ignoriert, dürfte wenig
überraschen. Der Territorialanspruch der Kommunistischen Partei geht auf
den 1. Oktober 1949 zurück, als Mao Tse-tung nach einem jahrzehntelangen
Bürgerkrieg die Volksrepublik China ausrief, während sich Teile der zuvor
regierenden Nationalisten auf die vorm Festland gelagerte Insel Taiwan
zurückzogen und dort ihren Herrschaftsanspruch der Republik China
fortführten. Nach Jahrzehnten der Militärdiktatur hat sich dort
mittlerweile eine liberale Demokratie entwickelt, die über Presse-,
Meinungs- und Demonstrationsfreiheit verfügt. China hingegen wird von einer
autoritären Partei regiert, die eine Art staatlich gelenkten Kapitalismus
installiert hat.
## Xi Jinping lenkt mit Nationalismus von Problemen ab
Die [1][regelmäßigen Drohungen] Xi Jinpings an Taiwan haben natürlich auch
eine innenpolitische Komponente: Mit seinem Nationalismus will Xi die
heimische Bevölkerung einen und von dringlichen Problemen ablenken. Doch
dass er seine Vision eines wiedervereinigten Mutterlandes absolut ernst
nimmt, daran sollten keine Zweifel mehr bestehen.
Wer sich unter westlichen Diplomaten in Peking umhört, bekommt immer öfter
gesagt, dass sich Pekings Staatschef zu einer historischen Mission
beauftragt fühlt, die er noch während seines Amts auf Lebenszeit
verwirklichen möchte: „Deshalb treibt er auch seinen Umbau derart rasant
voran, weil sein Horizont bis etwa zum Jahre 2035 reicht“, sagte ein
Botschafter jüngst. Bis dahin wäre eine Invasion Taiwans durchaus
realistisch, stimmen auch Militärexperten zu.
[2][Fast täglich sendet Peking mittlerweile Kampfflugzeuge in Taiwans
Identifikationszone zur Luftverteidigung], um das Militär des Inselstaats
langfristig zu zermürben. Anfang Oktober waren es mit teils über 50
Militärjets pro Tag so viele wie noch nie zuvor. Als ein taiwanesischer
Fluglotse eines der chinesischen Flugzeuge anfunkte, reagierte der
angesprochene Pilot mit einer obszönen Beleidigung, die das „F-Wort“ und
die Mutter des taiwanesischen Offiziers beinhaltete.
Dies ist nur eines von vielen Beispielen, wie dieser brandgefährliche
Konflikt ungewollt eskalieren könnte. Laut US-Geheimdienstberichten war die
chinesische Staatsführung im Oktober 2020 derart besorgt über einen
möglichen US-Angriff, dass Generalstabschef Mark A. Milley höchstpersönlich
in Peking anrufen musste, um zu beschwichtigen.
## China hat die Zeit auf seiner Seite
Langfristig hat China die Zeit jedoch auf seiner Seite. Es ist kein
Geheimnis, dass sich das militärische Gleichgewicht im Indo-Pazifik immer
mehr zu Gunsten der Chinesen verschiebt. Im Oktober letzten Jahres
organisierte das Pentagon ein Kriegsszenario, bei der eine Schlacht um
Taiwan zwischen China und den USA simuliert wurde. Laut der New York Times
hätte das US-Team „deutliche Mühe gehabt“.
Zudem ist keinesfalls sicher, dass die USA als Schutzmacht im Ernstfall
einschreiten. Die New York Times zitierte jüngst Vizeadmiral Robert Thomas:
„Ich weiß nicht, ob die USA bereit sind, dass junge Amerikaner für die
Verteidigung Taiwans in Leichensäcken zurückkommen“.Doch indirekt hat das
US-Militär seine Präsenz zugegeben: Laut Recherchen des Wall Street Journal
bildet ein Kontingent von etwa 20 US-Soldaten in Taiwan Spezialkräfte aus.
10 Oct 2021
## LINKS
[1] /Chinas-Drohgebaerden-gegen-Taiwan/!5794533
[2] /Pekings-Drohgebaerden-gegen-Taiwan/!5801342
## AUTOREN
Fabian Kretschmer
## TAGS
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