| # taz.de -- Online-Plattformen in China: Ein Land schließt die Pforten | |
| > Mit Linkedin zieht sich die letzte westliche Online-Plattform aus China | |
| > zurück. Die Volksrepublik schottet sich immer mehr vom Rest der Welt ab. | |
| Bild: LinkedIn verlässt China aufgrund des Drucks der Zensurbehörden | |
| Peking taz | In [1][China] ist die Sprache der Regierung nicht nur | |
| entkoppelt von der Realität, sondern steht oftmals im Gegensatz zu ihr: | |
| „Chinas Tür wird sich immer weiter öffnen und nie geschlossen werden“, | |
| sagte Xi Jinping am Donnerstag in einer Rede vor den Vereinten Nationen, | |
| die er mit einem mantraartig wiederholten Slogan übertitelte: „Mit der Welt | |
| verbunden bleiben“. | |
| Doch in Wirklichkeit geschieht seit Jahren das exakte Gegenteil. Die | |
| Volksrepublik schließt ihre Pforten und kappt zunehmend die Verbindungen | |
| zum Ausland. | |
| Jüngst zeigt sich dies am Beispiel LinkedIn: Die Online-Plattform fürs | |
| berufliche Netzwerken hat ebenfalls am Donnerstag bekanntgegeben, dass sie | |
| ihre chinesische Version aufgrund des zunehmenden Drucks der Zensurbehörden | |
| schließen wird. Vize-Präsodent Mohak Shroff schrieb euphemistisch von einem | |
| „deutlich schwierigeren Arbeitsumfeld und höheren Compliance-Anforderungen | |
| in China“. | |
| Was wie eine triviale Randnotiz klingt, hat symbolischen Charakter: Das | |
| Karriere-Netzwerk war die letzte große Online-Plattform aus dem Westen, die | |
| in China noch zugänglich war. Facebook ist seit Jahren zensiert, Twitter, | |
| Instagram und Whatsapp ebenso. Auch Twitch, Snapchat, Gmail und Slack sind | |
| in China gesperrt. Selbst Skype und Tinder lässt sich in China nur | |
| installieren, wenn man über ein im Ausland angemeldetes Apple-Konto | |
| verfügt. | |
| ## Profile über Nacht gesperrt | |
| LinkedIn ist dabei nur die unweigerliche Blaupause für künftig wohl jedes | |
| größere internationale Unternehmen mit Präsenz in China. Bereits im März | |
| geriet der Online-Dienst von Microsoft wegen angeblich „zu laxer | |
| Inhaltskontrollen“ ins Kreuzfeuer der Behörden. Vorübergehend durfte | |
| Linkedin keine neuen User mehr in der Volksrepublik registrieren. | |
| Als dies dann wieder möglich war, ging es mit einer beispiellosen | |
| Selbstzensur einher: Etliche Profile von westlichen Wissenschaftlern, | |
| Journalisten und Aktivisten wurden über Nacht in China gesperrt. Allein die | |
| Erwähnung des Tiananmen-Massakers von 1989, die Menschenrechtsverbrechen an | |
| den Uiguren in Xinjaing oder kritische Worte gegenüber Xi Jinping reichten, | |
| um auf die schwarze Liste zu kommen. | |
| Schlussendlich geriet Linkedin ungewollt, aber unweigerlich, in einen | |
| geopolitischen Konflikt: In China stand man unter zunehmendem Druck der | |
| Behörden, während sich im Westen ein gehöriger Shitstorm zusammenbraute, | |
| weil sich Microsoft der chinesischen Zensur beugt. | |
| „Soziale Netzwerke, die in China operieren, geraten zunehmend in die | |
| unmögliche Sackgasse zwischen chinesischen Zensurregeln und westlichen | |
| Werten“, meint Kendra Schaefer von der Politikberatung Trivium China. | |
| „Ehrlich gesagt ist es ein Wunder, dass LinkedIn in China so lange überlebt | |
| hat“. | |
| Vielen Unternehmen gelingt der Drahtseilakt in China immer weniger: Adidas | |
| wurde monatelang boykottiert, nachdem der Sporthersteller angekündigt hat, | |
| aufgrund von möglicher Zwangsarbeit keine Baumwolle in der Region Xinjiang | |
| mehr beziehen zu wollen. | |
| Fußballclubs wie der FC Bayern müssen ihren Spielern Maulkörbe verpassen, | |
| auf Twitter bloß nicht über Chinas Menschenrechtsverbrechen gegen die | |
| muslimische Minderheit der Uiguren zu posten. Und bei Mercedes hat ein | |
| bloßer Instagram-Post mit einem Dalai Lama Zitat gereicht, dass die | |
| Vorstandsetage den Kotau in Peking machte. | |
| ## Kaum Ausländer in China | |
| Es ist ein gefährlicher Trend, der sich immer weiter verschärft: China | |
| schließt seine Pforten – nicht nur mit einem streng abgekoppelten Internet, | |
| das sich fast nur mehr als Intranet bezeichnen lässt. Auch innerhalb der | |
| Wirtschaft hat Chinas Staatsführung die Kontrolle erhöht und seinen | |
| Unternehmen Börsennotierungen in Übersee deutlich erschwert. | |
| Vor allem aber gibt es seit Ausbruch der Pandemie keinen nennenswerten | |
| menschlichen Austausch zwischen China und dem Rest der Welt. Seit der | |
| [2][Covid-19-Pandemie] hat sich die Anzahl an Ausländern noch einmal | |
| halbiert, dabei lebten bereits vor der Krise mehr Ausländer in Belgien als | |
| unter den 1,4 Milliarden Chinesen. Selbst Staatschef Xi Jinping hat seit | |
| über zwei Jahren sein Heimatland nicht mehr verlassen und empfängt | |
| Staatschefs nur mehr per Videoschalte. | |
| Natürlich will sich China nicht vollständig abkoppeln, jedoch zunehmend die | |
| Bedingungen für den Dialog bestimmen. Auch LinkedIn wird sich nicht ganz | |
| aus der Volksrepublik verabschieden: Mit InJobs wird man einen Relaunch | |
| starten, bei dem die Nutzer zwar von HR-Scouts rekrutiert werden können, | |
| aber selbst keine Postings mehr schreiben dürfen. | |
| 16 Oct 2021 | |
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| ## AUTOREN | |
| Fabian Kretschmer | |
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