# taz.de -- Wasserversorgung in Bolivien: Kampf ohne Sieger | |
> Cochabamba in Bolivien wurde durch erfolgreiche Proteste gegen die | |
> Wasserprivatisierung berühmt. 20 Jahre später fließt es noch immer nicht | |
> überall. | |
Ausgerechnet der Regen trieb Irma Medrano Ugarte in die Stadt mit dem | |
chronischen Wasserproblem. In ihrem Dorf baute sie Kartoffeln, Bohnen, | |
Mais, Zwiebeln, Karotten an. Schafe und Kühe grasten am Fluss. Ganze | |
Lastwagenladungen Gemüse verkaufte ihre Familie damals in die Stadt, | |
erzählt sie. Dann wurde der Regen immer weniger – und kam schließlich mit | |
Gewalt. Ein Fluss aus Schlamm zerstörte alles. Was er nicht mitriss, | |
verschüttete er. Deshalb zog Irma Medrano vor 25 Jahren nach Cochabamba. | |
Heute ist sie 58 Jahre alt. Ein Strohhut schützt sie gegen die stechende | |
Sonne auf 2.500 Metern Höhe. Dass sie vom Land kommt, sieht man ihr an: Sie | |
trägt bunte Röcke, lange schwarze Zöpfe und die typischen unverwüstlichen | |
schwarzen Sandalen aus alten Autoreifen. Ein Bein ist etwas kürzer als das | |
andere. Wenn sie lächelt, leuchten nicht nur die Augen in ihrem gebräunten | |
Gesicht, sondern auch ein paar vergoldete Zähne. Ihre Muttersprache ist das | |
indigene Quechua. Ihre kräftigen Hände und Arme zeugen von einem Leben von | |
harter Arbeit. Sie hat [1][viele Eimer Wasser geschleppt]. | |
Der Name Cochabamba kommt aus dem Quechua und bedeutet „Ebene mit See“. | |
Lange war das fruchtbare Tal die Kornkammer von Bolivien und versorgte vor | |
allem die Bergbauregion Potosí mit Gemüse. Als die staatlichen | |
Bergbaubetriebe schlossen, zogen Zehntausende aus den Minen nach | |
Cochabamba. | |
Heute ist Cochabamba eine geteilte Stadt. Während der Trockenzeit sieht sie | |
beim ersten Blick aus dem Flugzeug aus, als sei sie auf dem Mars gebaut, | |
auf einer rotbraunen, staubigen Ebene zu Füßen einer Bergkette. Aus der | |
Nähe erst zeigen sich die Farben. Der Norden ist deutlich grüner. Dort sind | |
die meisten Haushalte an das Netz des städtischen Wasserversorgers Semapa | |
angeschlossen. Im Süden, der Zona Sur, nicht. Mindestens 300.000 Menschen | |
dort müssen schauen, wie sie zu Wasser kommen. | |
## Wasser kommt, wenn der Tankwagen kommt | |
Irma Medrano lebt im Süden, im Viertel San Antonio de Buena Vista. Als sie | |
vor 25 Jahren hierher zog, wohnten um sie herum etwa 50 Menschen, erinnert | |
sie sich. Sie wollte wie früher Kartoffeln, Mais, Bohnen und Zwiebeln | |
pflanzen. „Aber das ging nicht. Es war kein Wasser da und die Erde war sehr | |
hart.“ Bis zur Pandemie hatte sie einen kleinen Laden in ihrem Haus. Jetzt | |
verkauft sie warmes Essen und Süßigkeiten an einem Stand auf der Straße. | |
Ihr Haus hat sie nach und nach um einen kleinen Hof selbst gebaut. In | |
dessen Mitte befindet sich der Wasserhahn. Jeden zweiten Tag kommt daraus | |
morgens für ein paar Stunden Wasser. Wenn Irma Medrano morgens zum Markt | |
geht, um einzukaufen, müssen ihre beiden Enkel – sie sind 13 und 9 Jahre | |
alt und leben bei der Großmutter, weil ihre Mutter tot ist – den Hahn | |
aufdrehen und alle Tonnen und Eimer füllen. Eimer stapeln sich im Zimmer | |
zur Straße, das die Küche ist. Hühner und Hunde marschieren ein und aus. | |
Wenn Irma Medrano die Wäsche im Hof geschrubbt hat, leitet eine Rinne es | |
zur Tonne, aus der sie Wasser zum Spülen der Toilette am anderen Ende des | |
Hofs schöpft. Die Tonne riecht faulig. Der Toiletteninhalt landet in der | |
Sickergrube. | |
Als Irma Medrano in die Zona Sur zog, gab es dort weder Wasser noch Strom. | |
Das Wasser holte sie vom Fluss. Sie kippte Gips hinein, um es zu klären. | |
Später fuhren Tankwagen täglich hupend durch die Viertel. „Wenn wir sie | |
hörten, liefen wir ihnen nach und riefen aguadero, aguadero!“, erinnert sie | |
sich: Mit Schläuchen füllten die Leute ihre Wassertonnen daheim. | |
Aber vor 14 Jahren bauten die Menschen aus dem Viertel oben auf dem Berg | |
einen Wassertank – mit Unterstützung des Rotary Clubs und Geld aus den | |
Niederlanden, erzählt ein Mitglied der Wasservereinigung des Viertels. Von | |
dem Tank führen Leitungen zu den Häusern. Den Gemeinschaftstank füllen zwei | |
Mal täglich Tankwagen. Etwa 500 Familien bekommen seitdem Wasser nach | |
Hause, zumindest stundenweise. | |
Wasser bedeutet in Bolivien Macht – und die mobilisiert. Im Jahr 2000 | |
schrieb Cochabamba international Schlagzeilen wegen des sogenannten | |
Wasserkrieges. Eine soziale Bewegung formierte sich gegen die | |
Privatisierung des städtischen Wasser- und Abwasserbetriebs Semapa, worauf | |
die Weltbank als Bedingung für einen Schuldenerlass für Bolivien gedrängt | |
hatte. Der neue Betreiber war ein internationales Konsortium, das unter | |
dubiosen Umständen die Ausschreibung gewonnen hatte. Es plante | |
Preiserhöhungen zwischen 30 und 300 Prozent. Noch mehr Empörung verursachte | |
eine Klausel im Vertrag, mit der auch die gemeinschaftlichen Wassersysteme | |
faktisch an die Firma übergegangen wären – vor allem die | |
Bewässerungssysteme im ländlichen Umland. | |
Ein gewisser [2][Evo Morales, damals Anführer der mitdemonstrierenden | |
Koka-Bauern] aus der Nachbarprovinz Chapare, legte durch seine Mitwirkung | |
beim Protest den Grundstein für seine politische Karriere. Als er 2005 | |
Präsident Boliviens wurde, erkannte er offiziell das Recht auf Wasser und | |
das traditionelle Nutzungs- und Gewohnheitsrecht an. Semapa blieb. Es | |
entstanden Institutionen mit Mechanismen zur Teilhabe und sozialen | |
Kontrolle. | |
Doch bis heute sind Hunderttausende im Süden von Cochabamba nicht ans | |
städtische Wassernetz angeschlossen. Warum nicht? 2010 schrieben Oscar | |
Olivera und andere Anführer der Proteste in Cochabamba einen enttäuschten | |
[3][offenen Brief an Morales]. Der aktuelle Geschäftsführer von Semapa | |
verschiebt das Interview mit der taz mehrfach und antwortet schließlich | |
nicht mehr. Sein Vorgänger Gamal Serhan, der 2018 als Geschäftsführer | |
zurücktrat, äußert sich: „Weil kein Netz gebaut wurde, da es kein Wasser | |
gab.“ Es habe auch Probleme mit dem damaligen Bürgermeister gegeben, der | |
gleichzeitig Semapa-Vorstandschef war. Der sei [4][wegen Korruption] | |
angezeigt worden. | |
Das Unternehmen Semapa klagte später Serhan selbst an, wegen [5][Korruption | |
und Mauscheleien] bei der Auftragsvergabe von Zählern. Der Prozess | |
versandete. | |
Serhan sagt, er habe sich bei der Gewerkschaft unbeliebt gemacht, weil er | |
[6][„intelligente“ Wasserzähler] einführen wollte. Die alten ermöglichten | |
den Mitarbeitern Betrug: „Sie erließen den Leuten einen Teil des | |
Wasserpreises und steckten sich den Rest selbst in die Tasche.“ Er wollte | |
zudem ein neues Tarifsystem durchsetzen, das den Preis am Verbrauch und | |
nicht wie bisher am Aussehen des Hauses festgemacht hätte. „Deshalb habe | |
ich mich mit der Wasser- und Abwasserbehörde AAPS gestritten.“ | |
Das Ergebnis: Weiterhin haben Hunderttausende von Menschen kein fließendes | |
Wasser – und weiterhin werden gut [7][55 Prozent des gelieferten Wassers] | |
nicht berechnet und bezahlt, so die aktuellsten Angaben von Semapa. Es | |
fehlt am Netz, und am Wasser. | |
Der langgezogene Park Parque Fidel Anze im Norden von Cochabamba könnte so | |
idyllisch sein. Bäume spenden Kühlung, ein Rasensprenger tut seinen Dienst, | |
gepflegt gekleidete Nachbarn führen Hunde aus. Auf der Straße drumherum | |
fahren ständig Tankwagen an und ab. Sie stehen an den Mauern von | |
einstöckigen Gebäuden, während von oben per Schlauch Liter um Liter Wasser | |
hineinschießt. Hier [8][sprudelt das Wasser], das vom Norden der Stadt in | |
den Süden geliefert wird. | |
Das ist auch das Geschäft von Adela Molina, eine zierliche Frau hinter | |
einem der Metalltore. 50 Meter unter ihrem Haus gibt es Wasser. „Ich | |
wusste, dass es Wasser gab, weil es bis an die Oberfläche kam. Bevor wir | |
bauten, stand es hier.“ Sie brüllt gegen die Pumpen an, die im Vorhof rund | |
um die Uhr arbeiten. „Das schädigt das Gehör. Aber mein Schlafzimmer geht | |
nach hinten raus, da höre ich nichts.“ Nachts pumpen sie Wasser aus dem | |
Boden in den Tank, tagsüber vom Tank in die Tankwagen, die es nach Süden | |
bringen. Durch Schächte im Hof sind Rohre zu sehen, in mehreren Farben und | |
unterschiedlich dick. Wasser rauscht. | |
Erst entnahm die Familie das Wasser nur für den Eigenbedarf. Seit 2016 | |
verkauft sie Wasser an Tankwagen, sieben Tage die Woche. „Wir brauchten | |
damals keine Erlaubnis für den Brunnen, weil der Nachbar von gegenüber | |
schon einen hatte, die Nachbarin nebenan, hier kamen überall Tankwagen“, | |
sagt Molina. | |
Reich wird sie damit nicht. Am Computer schreibt sie zur Abrechnung die | |
Nummernschilder der Tanklaster auf, die die Kamera vor dem Haus ihr zeigt. | |
30 Bolivianos, etwa 3,60 Euro, bekommt sie für eine Tankladung von 14.000 | |
Litern. „Wir wollen den Menschen in der Zona Sur damit helfen.“ Dort, im | |
Süden, ist das Wasser rund sechzehnmal so teuer: Für eine | |
Wassertonnenfüllung von 200 Litern zahlt man dort 7 Bolivianos. Außerdem | |
liefert Molina an eine Trinkwasserfabrik. | |
7.000 Bolivianos, umgerechnet 844 Euro, zahlt Adela Molina jeden Monat für | |
den Strom, der ihre Pumpen antreibt. Zudem stottert sie noch etwa fünf | |
Jahre den Kredit für die Anfangsinvestitionen in Höhe von 40.000 Dollar ab. | |
Den zu bekommen, sei einfach gewesen. „Für die Bank ist das ein sicheres | |
Geschäft.“ Steuern müsse sie keine zahlen, weil sie der Zona Sur einen | |
wichtigen Dienst leiste. | |
Dank des Wassers hätten alle Kinder studieren können, sagt Molina. Mehrere | |
arbeiten haupt- oder nebenberuflich heute mit Wasser: Ein Sohn hat einen | |
Tankwagen, die Tochter betreibt eine Trinkwasserfabrik, der andere Sohn | |
hilft ihr neben seiner Arbeit bei der Stadt mit der Verwaltung. | |
## „Es hat sich nichts geändert“ | |
Wie viel Wasser unter ihrem Haus ist, weiß Molina nicht. Der Boden unter | |
Cochabamba ähnelt wegen der vielen selbstgebohrten Brunnen einem Schweizer | |
Käse. Im Jahr 2013 gab es [9][laut einer Untersuchung] 1.500 Brunnen in der | |
Metropolregion Cochabamba, die meisten in der Zona Sur. Doch aktuelle | |
verlässliche Zahlen gibt es nicht. | |
Ebenfalls unbekannt ist, wie viel Grundwasser aktuell noch unter der Stadt | |
übrig ist. Immer mehr Boden wird versiegelt. An den rund 70 Regentagen im | |
Jahr fallen nur zwischen 400 und 500 Millimeter Regen. Laut Carmen Ledo von | |
der Universidad Mayor de San Simón ist bereits fast die Hälfte der | |
Grundwasserleiterfläche von Cochabamba überbaut – der informelle | |
Grundstückmarkt ist extrem spekulativ, Besitzverhältnisse sind oft dubios | |
und Politiker betreiben Wahlkampfkosmetik wie Asphaltieren von | |
Hauptstraßen, ohne vorher Kanäle für Wasser und Abwasser zu verlegen. Der | |
jährliche Flächenfraß dürfte mittlerweile bei 23.000 Hektar liegen, sagt | |
Ledo. | |
In den Armenvierteln der Zona Sur verbrauchen die Menschen durchschnittlich | |
20 Liter am Tag – etwa ein Zwölftel des Pro-Kopf-Verbrauchs vom Norden. | |
Aber sie zahlen für den Liter Wasser ein Vielfaches. Der Kampf gegen die | |
Wasserprivatisierung habe den Armen nichts gebracht, bilanziert Ledo | |
nüchtern: „Die Menschen im Süden haben dafür gekämpft, damit die im Norden | |
nicht mehr als bisher zahlen müssen. Das Resultat ist, dass sie 20 Jahre | |
später immer noch kein Wasser haben. Es hat sich nichts geändert.“ | |
Die gemeinschaftlichen Notlösungen seien hochgradig intransparent und | |
anfällig für Korruption und Misswirtschaft. Sie verlangen von den | |
Nutzer*innen zusätzlich zur monatlichen Gebühr in der Regel eine | |
Beteiligung an den Baukosten und Arbeitseinsätze. Carmen Ledo hat 60 | |
Systeme in der Zona Sur analysiert. Die Einnahmen werden in der Regel nicht | |
auf einem Bankkonto deponiert, sondern bei den Chefs zu Hause – wenn sie | |
sich nicht gleich damit aus dem Staub machen. Es gibt weder Abrechnung noch | |
Kontrolle. | |
Bei den Menschen selbst, im Viertel von Irma Medrano, ist darüber wenig in | |
Erfahrung zu bringen. Die meisten wollen nicht mit der Presse sprechen und | |
verweisen selbst bei einfachsten Fragen auf die Führung ihrer | |
Wasservereinigung. Der Mann aus dem Direktorium der Wasservereinigung, der | |
stolz den Gemeinschaftstank zeigt, will für Detailfragen den Kontakt des | |
Präsidenten weitergeben. Der macht ihn durchs Telefon brüllend zur | |
Schnecke, weil er mit der Presse spricht. Zum Interview kommt es nicht. | |
Eckdaten zum Tank behandelt er, als handle es sich um den Zugangscode für | |
Atomwaffen. | |
Die Menschen zahlen für das Wasser nicht nur mit überteuerten Preisen, | |
sondern auch mit ihrer Gesundheit und ihrem Leben. Ein Großteil der mit | |
mühsam gesammeltem Gemeinschaftsgeld gebohrten Brunnen in der Zona Sur | |
liefert heute nur noch versalzenes oder kontaminiertes Wasser. Falsch | |
gebohrte Brunnen und lecke Sickergruben schädigen das Grundwasser. | |
Unabhängige Kontrollen der alternativen Wasseranbieter gibt es nicht. Wer | |
sein Wasser zum Testen ins Labor schickt, macht das freiwillig. | |
Die Lebenserwartung im Süden von Cochabamba ist rund 35 Jahre niedriger als | |
im Norden der Stadt, hat Carmen Ledo berechnet. Die Kindersterblichkeit ist | |
etwa doppelt so hoch. Ein wichtiger Faktor sind die schweren | |
Durchfallerkrankungen, die mit der mangelhaften Wasserqualität zu tun | |
haben. Die Bedingungen im Süden der Stadt sind damit ähnlich schlecht wie | |
in Haiti, sagt Ledo. Ihr Rat: „Immer Frauen in die Führungsebene, weil sie | |
[10][am meisten Wasser benutzen]!“ Vereinigungen mit Präsidentinnen würden | |
eher das Wasser chloren und untersuchen lassen. „Die Männer schicken es nie | |
ins Labor.“ | |
Selbst im Norden kann man das Wasser aus der Leitung nicht trinken, sagt | |
die Journalistin Lorena Amurrio. Semapa bezieht sein Wasser von außerhalb | |
der Stadt. Doch auch die städtische [11][Mülldeponie Kara Kara] ist seit | |
Jahrzehnten eine tickende Zeitbombe und [12][verschmutzt das Wasser]. Die | |
Müllabfuhr erreicht zudem nur einen Teil der 841.000 Einwohner*innen | |
von Cochabamba. | |
Semapas veraltete Kläranlage Albarrancho, die gerade erweitert wird, leitet | |
seit Jahren einen Großteil des [13][Abwassers ungereinigt in den Fluss]. | |
Bauern gießen mit dem kontaminierten Flusswasser [14][ihre Felder]. Auch | |
viele Betriebe, darunter Gerbereien, leiten ihr Wasser direkt [15][in den | |
Río Rocha]. In der Trockenzeit ist das stinkende Ergebnis zur Morgenstunde | |
schon im Landeanflug zu riechen. | |
„Semapa schwört zwar, dass das aufbereitete Wasser alle Trinkwassernormen | |
erfüllt. Aber alte Leitungen und Tanks können es anschließend | |
verschmutzen,“ sagt Amurrio. Wasser kann trüb werden oder stinken, wenn die | |
Leute ihre [16][Tanks nicht richtig reinigen]. Amurrio erinnert sich an | |
einen Fall, wo das Wasser auf einmal schwarz aus dem Hahn kam: Der Frau war | |
beim Reinigen des Tanks ein Vogel hineingeflogen und darin gestorben. Und | |
Tanks haben in Cochabamba alle Menschen, weil niemand in der Stadt 24 | |
Stunden am Tag Wasser aus der Leitung bekommt, sondern nur alle paar Tage. | |
## Staudamm mit Verzögerung | |
Die Lösung für den Wassermangel im Tal von Cochabamba liegt auf fast 3.800 | |
Metern Höhe jenseits der Bergkette: Der [17][Staudamm Misicuni] mit einer | |
Kapazität von 175 Millionen Kubikmetern Wasser, die er dem gleichnamigen | |
Amazonas-Zufluss abzwackt. Nach einigen Verzögerungen und massiven | |
Kostensteigerungen ist er 2020 fertig geworden und hat [18][146 Millionen | |
Dollar gekostet], bezahlt vom Staat. Er soll Trinkwasser, | |
Bewässerungswasser und dank des Wasserkraftwerks Strom liefern. | |
Sein Potenzial nutzt er aber bisher kaum aus. Die dazugehörige | |
Wasseraufbereitungsanlage wartet seit 2020 auf den Betrieb. Denn die | |
Leitungen in die Gemeinden sind nicht fertig. Diese müssten die Gemeinden | |
finanzieren, weil sie nicht zum Projekt Misicuni gehören. Jede Leitung | |
verläuft durch mehrere Gemeinden. Nach jahrelangem Streit, wer wie viel | |
zahlen soll, entschied die Zentralregierung schließlich vor etwa vier | |
Jahren, einzuspringen. Doch nach wie vor wird das überschüssige Wasser | |
derzeit zurück in den Fluss geleitet. | |
Die dritte Bauphase des Staudamms steht noch aus. In ihr soll noch aus zwei | |
weiteren Flüssen Wasser für den Stausee abgezweigt werden. Damit würden | |
insgesamt 6.000 Liter pro Sekunde zur Verfügung stehen – 4.000 Liter zum | |
Trinken, 2.000 Liter zur Bewässerung. Genug, um die wachsende Bevölkerung | |
im Cochabamba-Tal langfristig zu versorgen, sagt Misicuni-Geschäftsführer | |
Leonardo Anaya: „Aber dafür muss ich noch 140 Millionen Dollar auftreiben – | |
und wenn ich morgen anfange, bin ich in fünf Jahren fertig.“ | |
Derzeit könnten 3.000 Liter pro Sekunde fließen, davon zwei Drittel für | |
Trinkwasser, der Rest zur Bewässerung. Tatsächlich werden nur 720 Liter | |
genutzt: Semapa bekommt 600 Liter in seine Trinkwasseraufbereitungsanlaga | |
Cala Cala geliefert, 120 Liter bekommen vom Bau des Wasserkraftwerks | |
betroffene Gemeinden als Ausgleich. | |
Drei Hauptleitungen fehlen noch. Als nächstes soll die zur Nachbarstadt | |
Sacaba fertig werden. Für die vierte, die ländliche Gemeinden mit | |
Bewässerungswasser versorgen soll, steht noch nicht einmal die | |
Finanzierung. Die Leitung zur Zona Sur ist erst zur Hälfte fertig. Nach | |
bisherigem Plan dauert es noch zwei bis drei Jahre. | |
So träumt Irma Medrano weiter davon, an einem Ort zu leben, wo es 24 | |
Stunden am Tag fließendes Wasser gibt. „Wenn es Wasser gibt, können wir | |
Obst und Gemüse pflanzen. Aber hier gibt es keins. Es ist nicht mehr wie | |
früher. Manchmal kommt nur noch Hagel, Kälte oder Wind. Kein Regen.“ | |
5 Oct 2021 | |
## LINKS | |
[1] /Weltweite-Versorgung/!5792421 | |
[2] /Proteste-und-Morales-Sturz-in-Bolivien/!5638564 | |
[3] https://www.narconews.com/Issue67/articulo4292.html | |
[4] https://www.mdpi.com/2073-4441/11/7/1455 | |
[5] https://www.lostiempos.com/actualidad/cochabamba/20200121/semapa-espera-aud… | |
[6] https://www.lostiempos.com/actualidad/cochabamba/20180411/salida-serhan-sil… | |
[7] http://semapa.gob.bo/resources/media/semapa_boletin/Rendicion%20de%20Cuenta… | |
[8] /Zerstoerte-Schutzgebiete-in-Kolumbien/!5723085 | |
[9] http://www.ceplag.umss.edu.bo/admin/imagenes/libros/El%20agua%20nuestra%20d… | |
[10] /Trockenheit-in-Indien/!5788280 | |
[11] https://www.ejatlas.org/print/contaminacion-por-el-botadero-kara-kara-boli… | |
[12] https://www.lostiempos.com/actualidad/cochabamba/20210405/contrato-colina-… | |
[13] /Wasserversorgung-in-Addis-Abeba/!5796599 | |
[14] https://www.lostiempos.com/actualidad/local/20130720/semapa-modernizara-pl… | |
[15] https://www.opinion.com.bo/articulo/cochabamba/planta-albarrancho-ha-sido-… | |
[16] https://www.pressreader.com/bolivia/los-tiempos/20180322/281530816561508 | |
[17] https://www.misicuni.gob.bo/preguntas-frecuentes/ | |
[18] https://www.paginasiete.bo/sociedad/2021/1/25/solo-13-del-agua-de-misicuni… | |
## AUTOREN | |
Katharina Wojczenko | |
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