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# taz.de -- Wissenschaftlerin über Wasserkriege: „Gefühl der Unsicherheit n…
> Weltweit streiten Staaten um die rare Ressource Wasser. Warum
> Wasserkriege trotzdem ein Mythos sind und welche Lösungen es gibt,
> erklärt die Beraterin Marina Klimes.
Bild: Umstrittene Befüllung: Satellitenaufnahme einer Spektralkamera des GERD-…
taz: Frau Klimes, immer wieder warnen Experten vor zunehmenden
Wasserkonflikten zwischen Staaten. Wird es in den nächsten Jahren einen
Wasserkrieg geben?
Martina Klimes: Dieses Narrativ um Wasserkriege ist falsch. Es wird keinen
Krieg geben, der alleine das Ziel hat, die Wasserressourcen zu verteilen.
Wenn wir über Wasserkriege sprechen, muss man verstehen, was Krieg ist: Ein
staatsbasierter Konflikt mit mindestens 1.000 kampfbedingten Todesfällen
pro Jahr. Wasser ist oft nicht der einzige Grund für den Streit, denn
Wasserkonflikte spielen sich nicht im luftleeren Raum ab, sondern sind sehr
kontextspezifisch.
Es ist äußerst wichtig, auch die Fragilität der Staaten, Geopolitik und
regionalen Beziehungen zu betrachten. Ich würde sagen, dass einige
Konflikte, die als Wasserkonflikt wahrgenommen werden, auch Konflikte um
Territorien sind. Aber was wir sehen, sind zunehmende politische
Spannungen. Mit den Auswirkungen des Klimawandels nimmt das Gefühl der
Unsicherheit zu. Die Länder wissen, dass mit wachsender Bevölkerung mehr
Wasser benötigt wird. Aber alleine, ohne weitere Probleme, werden die
Wasserspannungen nicht zu einem bewaffneten Konflikt eskalieren.
Medienberichte, die von Wasserkriegen sprechen, finde ich
aufmerksamkeitsheischend.
Wie erklären Sie sich, dass dieser Mythos der Wasserkriege seit den 1990er
Jahren besteht?
Weil Wasser eine Quelle des Lebens ist – aber auch eine endliche Ressource.
Deshalb weckt es viele Emotionen. Natürlich sind Wasserfragen für viele
Länder eine Frage der nationalen Sicherheit. Und Wasser ist auch eng mit
der Landwirtschaft verbunden. Kleinbauern sind eine wichtige politische
Gruppe. Zum Beispiel war es in den letzten Jahren sehr schwierig, den
EU-Haushalt für die Landwirtschaft zu kürzen, weil viele Landwirte wichtige
Unterstützer politischer Parteien sind. In vielen wasserarmen Ländern ist
es schwierig, den Landwirten zu erklären, dass sie ihre Ernte auf
[1][weniger wasserintensive Produkte] umstellen müssen.
Ein Großteil der Wasserprobleme ist also im Lebensmittelsektor versteckt?
Ja. Wenn Sie [2][Avocados oder Wassermelonen importieren], importieren Sie
auch Wasser, das in den Lebensmitteln enthalten ist, das so genannte
virtuelle Wasser. Indem wir wasserintensive Produkte wie Avocados aus Peru
kaufen, exportieren wir Wasserknappheit in die ländlichen Gebiete dieses
Landes. Viele der Golfstaaten exportieren ihre Ernährungssicherheit nach
Ostafrika. In vielen Teilen des Nahen Ostens ist die Bevölkerung von den
Einkünften aus der Landwirtschaft abhängig, im Irak zum Beispiel zu 70
Prozent. Und viele [3][Landwirte haben wegen der Dürre] ihre
Existenzgrundlage und ihre Betriebe verloren. Dadurch wurden sie anfällig
für die Rekrutierung durch Terrornetzwerke. Wasser ist also mit
Ernährungssicherheit, verbunden und diese mit nationaler Sicherheit.
Wie kann Spannung abgebaut werden?
Ich plädiere dafür, das Thema ganzheitlicher zu betrachten. Wenn die Länder
zusammenarbeiten, wird es insgesamt mehr Wasser für alle geben. Bei einem
gemeinsamen Wasserbecken gilt es zu überlegen: Welcher Teil eignet sich am
besten für den Anbau wasserintensiver Pflanzen, welcher Teil für
Wasserkraftdämme? Dann kann die Wassernutzung optimiert werden, und die
Länder, die sich dieses Einzugsgebiet teilen, könnten die Vorteile
gemeinsam nutzen.
Derzeit fürchtet Ägypten wegen Äthiopiens GERD-Staudamm um seine
Wasserversorgung und hat mit Krieg gedroht. Wie kann der Konflikt gelöst
werden?
Bei dem Konflikt geht es eigentlich nur um die Befüllung und das Management
des GERD, so dass die Länder stromabwärts davon nicht betroffen sind. Es
kann unterschiedliche Zeitpläne für die Befüllung geben. Aus
Ingenieurssicht wäre es relativ einfach, eine technische Lösung für dieses
Problem zu finden. Aber da das Thema äußerst sensibel ist, es in der Region
stark politisiert wurde und kein Vertrauen zwischen den Ländern besteht,
ist es schwierig, eine Vereinbarung zu treffen. Wenn das Thema in den
Medien und sozialen Netzwerken so stark polarisiert, kann dies den
Spielraum für eine Konfliktlösung einschränken. Daher ist es wichtig, ein
günstiges Umfeld für die Zusammenarbeit im Wasserbereich zu schaffen, etwa
indem [4][Journalisten und Meinungsführer] eingebunden werden, um
faktenbasiert zu informieren.
Sie haben zwischen Ländern vermittelt, die sich den Jordan teilen. Welche
Erfahrungen für diplomatische Lösungen konnten Sie sammeln?
Wir unterscheiden zwischen den formellen, zwischenstaatlichen Treffen der
Ländervertreter und der so genannten informellen Diplomatie – Track 1.5 und
Track 2, mit denen ich arbeite. Wir schaffen einen Raum für Begegnungen
ohne den Druck, formelle Erklärungen abgeben zu müssen. Diese Art von
Treffen trägt zur Verbesserung des gegenseitigen Verständnisses bei. So
können Experten und Kollegen zum Beispiel erarbeiten, wie sich der
Klimawandel auf ein gemeinsames Flusseinzugsgebiet auswirken wird. Dann
können sie die grenzüberschreitenden Risiken in gemeinsame Chancen
umwandeln. Eine Option könnte erneuerbare Energie sein: Ein Land könnte die
Energie bereitstellen, die ein anderes Land für den Betrieb von
Entsalzungsanlagen für die Trinkwasserversorgung benötigt.
Welche Rolle spielen nichtstaatliche Akteure?
Nichtstaatliche Akteure, etwa Thinktanks, schaffen in der Regel sehr
effektiv Begegnungsräume und können eine Rolle bei der tatsächlichen
Umsetzung von Vereinbarungen spielen. Sie organisieren Fortbildungen für
Journalisten oder tragen erlernte Methoden zur Wassereinsparung von den
Gemeinden weiter. Aber es liegt an den politischen Akteuren, welche Rolle
sie ihnen zuweisen.
Wie hilft internationales Recht bei den Verhandlungen?
Es gibt zwei wichtige Konventionen der Vereinten Nationen über Wasser – das
UNECE-Übereinkommen über den Schutz und die Nutzung grenzüberschreitender
Wasserläufe und internationaler Seen von 1992, und das Übereinkommen von
1997 über das Recht der nicht-schifffahrtlichen Nutzung internationaler
Wasserläufe. Aber die meisten stromaufwärts gelegenen Länder haben die
Konvention von 1997 nicht unterzeichnet, weil sie glauben, dass sie für sie
nicht günstig ist.
Die Konvention kodifiziert die Grundsätze der gerechten und vernünftigen
Nutzung der Wasserressourcen, die Mitwirkungspflicht und die Verpflichtung,
keinen erheblichen Schaden zu verursachen. Eine der größten
Herausforderungen besteht darin, dass diese Grundsätze nicht klar definiert
sind, beispielsweise wird nicht angegeben, wie „erheblicher Schaden“ zu
messen ist. Es ist nicht klar, ob es sich nur um einen körperlichen Schaden
handeln kann, oder auch, wenn Menschen ihre Lebensgrundlage verlieren. So
gibt es keine Konsequenzen, wenn ein Staat gegen das internationale
Wasserrecht verstößt. Beide Parteien müssten zustimmen, vor den
Internationalen Gerichtshof oder einen Schiedsrichter zu gehen, um die
Meinungsverschiedenheit beizulegen.
Der Zugang zu Wasser und [5][sanitären Einrichtungen] ist ein
Menschenrecht. Wie wird das in politischen Verhandlungen einbezogen?
Es handelt sich zwar um ein Recht des Einzelnen, das aber beispielsweise
kein Recht auf ein Bewässerungssystem umfasst. Es ist sehr sensibel, Sorgen
Einzelner mit dem internationalen Wasserrecht zu verknüpfen. Die jeweilige
Regierung ist der Pflichtträger. Hat man beispielsweise keinen
ausreichenden Zugang zu Wasser, muss man sich an seine Regierung wenden und
kann das Recht nicht beim Nachbarland geltend zu machen. Aber ich sehe
Wassersicherheit als Teil der grundlegenden menschlichen Sicherheit. Und
die Herausforderungen lassen sich leicht auf die nationale Sicherheit
übertragen.
18 Sep 2021
## LINKS
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[3] /Mara-Fluss-in-Ostafrika/!5744129
[4] /Journalisten-ueber-Nil-Berichterstattung/!5753746
[5] /Internationaler-Tag-der-Menstruation/!5775167
## AUTOREN
Julia Neumann
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