# taz.de -- Klimakrise in Westafrika: Desinteresse der Jungen | |
> In Westafrika ist die Klimakrise bei der jungen Generation kein Thema. | |
> Dabei zeigen sich die Folgen überall. Eine NGO bemüht sich um Aufklärung. | |
Bild: Klimaschutz im Kleinen: Ein Mann in Liberia lädt Batterien mit Solarstro… | |
COTONOU taz | „Es ist [1][höchste Zeit, etwas gegen den Klimawandel zu | |
unternehmen]“, sagt Sunday Berlioz Kakpo in Benins Wirtschaftsmetropole | |
Cotonou. Der Forstingenieur ist Präsident der nichtstaatlichen Organisation | |
SOS Biodiversity, die sich 2016 gegründet hat. Sie hat für diesen Freitag | |
den einzigen Klimastreik im Land vorbereitet, der aufgrund der | |
Corona-Pandemie allerdings klein ausfällt. | |
Anstatt auf die Straße zu gehen, gibt es einen Workshop. Jede Art der | |
Aktivität ist für Kakpo jedoch wichtig: „Wir haben vor fünf Jahren die NGO | |
gegründet, weil wir festgestellt haben, dass sich die junge Generation kaum | |
mit Klimawandel und Biodiversität befasst.“ | |
Dabei ist vor allem der Klimawandel in ganz Westafrika spür- und sichtbarer | |
als in vielen anderen Regionen der Welt. Entlang der Atlantikküste werden | |
die Strände schmaler. Im Stadtteil Akpakpa im Osten Cotonous hat das Meer | |
ganze Häuser weggefressen und nur noch Ruinen zurückgelassen. Ähnlich sieht | |
es am Alpha Beach in der Hafenmetropole Lagos im Nachbarland Nigeria aus, | |
wo ganze Straßenzüge verschwunden sind. Als anfällig für Überschwemmungen | |
gilt auch die nordsenegalesische Stadt Saint Louis, die zum Welterbe der | |
UNESCO gehört. | |
„Besonders die junge Generation leidet“, sagt Kakpo. Denn der Klimawandel | |
kostet Einkommensmöglichkeiten. In Benin liegt das Durchschnittsalter bei | |
17 Jahren. Jedes Jahr wächst der Druck auf den Arbeitsmarkt, der ohnehin | |
kaum feste Stellen bietet. In ganz Afrika südlich der Sahara sind 84 | |
Prozent der Erwerbstätigen informell und unregelmäßig beschäftigt. „Wer | |
beispielsweise einen kleinen Verkaufsstand in Strandnähe hat, läuft Gefahr, | |
diesen bei steigendem Meeresspiegel zu verlieren.“ | |
## Extremwetter unberechenbar | |
Problematisch seien aber auch die unberechenbaren und mitunter heftigen | |
Regenfälle. Auch Viertel, die nicht direkt am Meer liegen, seien von | |
Überschwemmungen betroffen, weil das Wasser nicht ablaufen kann. Geschäfte | |
müssen schließen. Auf dem Land kann der Starkregen indes ganze Ernten | |
zerstören. | |
Ein Bewusstsein für den Zusammenhang von Klimawandel und schlechteren | |
Lebensbedingungen gebe es bisher aber kaum, sagt Kakpo: „Immer heißt es: | |
Das ist die Natur, das ist Gott.“ Bildungsarbeit seit deshalb wichtig: „Wir | |
müssen mit Kindern darüber sprechen, aber auch der Landbevölkerung | |
erklären, wie wichtig beispielsweise Wälder sind und wie nachhaltige | |
Landwirtschaft aussieht.“ | |
Gut 2.200 Kilometer nordwestlich von Cotonou entfernt in der | |
senegalesischen Hauptstadt Dakar sieht Yero Sarr die Verantwortung bei der | |
Politik. „Gibt es irgendeinen afrikanischen Präsidenten, der den | |
Klimawandel in sein Wahlprogramm aufgenommen hat?“, fragt er und meint es | |
rhetorisch. „Dabei bräuchten wir dringend jemanden.“ Sarr ist der Kopf der | |
senegalesischen Fridays for Future-Bewegung und will deshalb Druck machen. | |
Auch in Dakar geht das aufgrund der Corona-Maßnahmen nicht mit einer | |
Demonstration. Es sei aber wichtig, wenn junge Menschen sich regelmäßig zu | |
Wort melden würden. | |
## „Andere Probleme“ | |
Veranstaltungen hat der Student in den vergangenen Jahren regelmäßig | |
organisiert. „Man darf sich das aber nicht wie in Europa vorstellen, wo | |
Tausende auf die Straße gehen und viele Erwachsene den Protest | |
unterstützen.“ Auch er erlebt: „Viele verstehen das Problem nicht.“ | |
[2][Oder die Menschen sind mit anderen Dingen beschäftigt.] Laut Weltbank | |
lebte 2018 jede*r Dritte im Senegal unterhalb der Armutsgrenze und hatte | |
weniger als 1,9 US-Dollar täglich zur Verfügung. „Man ist damit | |
beschäftigt, etwas zu essen zu finden und sich um die Familie zu kümmern.“ | |
Dennoch gilt der Senegal in [3][Westafrika als Vorreiter, wenn es um | |
erneuerbare Energien und Umweltbewusstsein] geht. Solarparks sind bereits | |
entstanden. Eine gut 50 Kilometer lange Bahnstrecke verbindet Dakar mit dem | |
neuen Flughafen. „Schnellbuslinien könnten künftig dazu führen, dass | |
zumindest in Dakar immer mehr Menschen ihre Autos stehen lassen“, hofft | |
Yero Sarr, der die Maßnahmen aber längst nicht ausreichend findet. „Es gibt | |
noch so viel zu tun.“ | |
Der Senegal ist allerdings nicht nur vom steigenden Meeresspiegel | |
betroffen, sondern wie andere Sahelstaaten auch von der Wüstenbildung. | |
Verringern sich Anbauflächen, lässt das die Binnenmigration steigen. Druck | |
entsteht auch durch das Bevölkerungswachstum, das bei knapp 2,3 Prozent pro | |
Jahr liegt. In den Sahelstaaten wie im Nordosten Nigerias wird zudem seit | |
Jahren diskutiert, ob der Klimawandel den Terrorismus begünstigt. Wenn | |
Wirtschaftsgrundlagen und Perspektiven fehlen, kann die Wahrscheinlichkeit | |
steigen, sich Terrorbewegungen anzuschließen. Sie bieten zumindest eine | |
Versorgung. | |
24 Sep 2021 | |
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## AUTOREN | |
Katrin Gänsler | |
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