Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Flutkatastrophe in Deutschland: „Gespenstische Bilder“
> Die deutsche Sprache kenne kaum Worte für die Verwüstung, sagt Kanzlerin
> Merkel. Scholz plant Soforthilfen und ein Aufbauprogramm.
Bild: Angela Merkel (3.v.l hinten) und Malu Dreyer (5.v.l hinten) in Schuld in …
## Kanzlerin Merkel in Schuld, Rheinland-Pfalz
Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hat bei ihrem Besuch in den vom
Hochwasser schwer getroffenen Gebieten in Rheinland-Pfalz schnelle Hilfe
angekündigt. „Wir stehen an Ihrer Seite, Bund und Land“, sagte sie am
Sonntag in Adenau im Kreis Ahrweiler. Bund und Land würden dabei Hand in
Hand arbeiten.
Sie sei gekommen, um sich ein reales Bild von den surrealen,
„gespenstischen Bildern“ vor Ort zu verschaffen, sagte Merkel. „Die
deutsche Sprache kennt kaum Worte für die Verwüstung, die hier angerichtet
ist.“
Begleitet wurde die Kanzlerin unter anderem von der Mainzer
Ministerpräsidentin Malu Dreyer (SPD). Die Unwetterkatastrophe im Landkreis
Ahrweiler hat bislang 110 Todesopfer gefordert, 670 Menschen wurden
verletzt. Zudem wurden in Nordrhein-Westfalen nach derzeitigem Stand 46
Todesopfer registriert. (dpa)
## Bessere Frühwarnsysteme für Katastrophen gefordert
Angesichts der Unwetterkatastrophe in Deutschland fordert der Städte- und
Gemeindebund eine grundlegende Reform des Bevölkerungsschutzes. „Dabei
sollte insbesondere das Bundesamt für Bevölkerungsschutz und
Katastrophenhilfe sowohl personell als auch was die inhaltliche
Zuständigkeit angeht deutlich gestärkt werden“, sagte Hauptgeschäftsführer
Gerd Landsberg den Zeitungen der Funke Mediengruppe.
„Zunächst war bei dieser Katastrophe der Eindruck entstanden, es handele
sich um einen großen Starkregen, ohne dass das dramatische Ausmaß
kommuniziert worden ist“, sagte Landsberg. Deswegen sind seien viele von
der Flutkatastrophe überrascht worden.
Landsberg schlug vor, die Warnsysteme, die es zu Zeiten des Kalten Kriegs
durch Sirenen flächendeckend gab, zu ertüchtigen. Sie sollten mit
entsprechender Digitalisierung zum [1][Kommunikationsnetz ausgebaut
werden,] „das auch noch funktioniert, wenn flächendeckend der Strom
ausgefallen ist“.
Auch Forschungsministerin Anja Karliczek (CDU) forderte eine bessere
Vorbereitung auf extreme Wetterereignisse. Ziel müsse eine Verbesserung der
Vorhersage und Vorsorge sein. Es müsse möglich sein, Extremwetter noch
genauer in den Regionen vorherzusagen und Risikopläne für Hochwasser und
Hitze zu erstellen.
Im Schnitt hätten sich diese Ereignisse extremer Niederschläge, Hitze oder
Sturm in den letzten dreißig Jahren nahezu verdoppelt, sagte Karliczek.
Derzeit flössen pro Jahr rund 65 Millionen Euro in die Forschung zu
Klimaauswirkungen. (afp)
## Weitere Häuser im Berchtesgadener Land evakuiert
Weitere Häuser im Hochwassergebiet des Berchtesgadener Landes müssen
evakuiert werden. Das betreffe einen Teilbereich an der Königsseer Ache,
teilte das Landratsamt am Sonntag mit. Wie viele Menschen betroffen seien
und was wo genau drohe – also Hochwasser oder ein Hangabrutsch – konnte
eine Sprecherin noch nicht sagen. Die Entscheidung sei erst vor kurzem
getroffen worden.
Die betroffenen Menschen würden direkt kontaktiert. „Wichtig ist, auf die
Anweisungen der Einsatzkräfte zu achten, zügig das betroffene Gebiet zu
verlassen und sich zum angeordneten Sammelpunkt zu begeben.“
Zuvor wurden 135 Menschen in Sicherheit gebracht. Denn in Schönau am
Königssee droht ein Hangabrutsch, ein Geologe sei vor Ort, um die Lage zu
bewerten, so das Landratsamt.
Es sei immer noch schwer, die Lage insgesamt zu beurteilen. Es regne immer
wieder, auch heftiger, sagte die Sprecherin. (dpa)
## Weiterhin Vermisste in Erftstadt und Euskirchen
In Nordrhein-Westfalen läuft die Suche nach Vermissten und möglichen
Todesopfern der Hochwasserkatastrophe weiter. Am Samstag hatte das
NRW-Innenministerium die Zahl der Toten mit 45 angegeben. In der vom
Hochwasser besonders betroffenen Ortschaft Erftstadt westlich von Köln
suchen zahlreiche Menschen nach ihren Angehörigen. Bisher wurden laut
Angaben der Stadt bei der am Samstag eröffneten „Personenauskunftsstelle“
59 Menschen gemeldet, deren Aufenthaltsort ungewiss ist. 16 davon kämen aus
Erftstadt.
Unter den Gesuchten seien auch Bewohner einer Altenpflegeeinrichtung, die
am Samstag evakuiert werden musste. Viele Menschen wüssten nicht, wo ihre
Angehörigen sein könnten, weil etwa das Telefonnetz zusammengebrochen war,
erklärte ein Sprecher des Rhein-Erft-Kreises am Sonntag. Den Angaben der
Stadt zufolge konnten Einsatzkräfte bislang 70 Fahrzeuge bergen, 25 stünden
noch im Wasser. Bislang wurden keine Menschen in den Autos und Lastwagen
entdeckt.
Im Stadtteil Erftstadt-Blessem wollen Fachleute am Sonntag die Stabilität
des Untergrunds überprüfen. Die Experten sollen nach Angaben der Stadt die
Abbruchkanten eines Erdrutsches untersuchen. Die Lage sei unverändert
angespannt, da noch keine Klarheit zu den Bodenverhältnissen bestehe. In
Blessem war durch die Fluten ein riesiger Krater entstanden, mindestens
drei Wohnhäuser und ein Teil der historischen Burg stürzten ein. (dpa)
## Zahl der Todesopfer in Ahrweiler steigt auf 110
Nach der [2][Hochwasserkatastrophe im Westen Deutschlands] hat sich die
Zahl der Toten im Kreis Ahrweiler in Rheinland-Pfalz auf 110 erhöht. 670
Personen wurden verletzt, wie die Polizei mitteilte. Insgesamt liegt die
Zahl der Verstorbenen nun bei 156.
Die Zahl der Toten und Verletzten könnte sich weiter erhöhen. In vielen
umliegenden Gemeinden gibt es weiterhin weder Strom noch Telefonempfang.
Viele Straßen im Ahrtal bleiben gesperrt. (dpa)
## Scholz plant Soforthilfen und Aufbauprogramm
Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) stellte Soforthilfen in
dreistelliger Millionenhöhe in Aussicht. „Es braucht einen nationalen
Kraftakt“, sagte er der Bild am Sonntag. Am Mittwoch wolle der Vizekanzler
im Kabinett zwei Dinge auf den Tisch legen: „Erstens eine Soforthilfe, bei
der letzten Flut waren dafür deutlich mehr als 300 Millionen Euro nötig. Da
wird jetzt sicher wieder so viel gebraucht“, erläuterte Scholz. „Zweitens
müssen wir die Grundlage für ein Aufbauprogramm schaffen, damit die
zerstörten Häuser, Straßen und Brücken zügig repariert werden. Wie wir von
der vorherigen Katastrophe wissen, geht es um Milliardenbeträge.“
Gegen Mittag will Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) die vom Hochwasser
betroffenen Gebiete besuchen. Sie werde sich in der Eifelgemeinde Schuld,
die besonders schwer von der Unwetterkatastrophe getroffen wurde, ein Bild
von der Lage machen. Im Anschluss (14.30 Uhr) ist ein Pressestatement in
Adenau geplant – gemeinsam mit der [3][Mainzer Ministerpräsidentin Malu
Dreyer (SPD)] und weiteren rheinland-pfälzischen Ministern.
Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier hatte am Samstag zu anhaltender
Hilfe für die Opfer der Flutkatastrophe aufgerufen. „Die
Unterstützungsbereitschaft muss anhalten, im Großen wie im Kleinen“, sagte
er bei einem Besuch im nordrhein-westfälischen Katastrophengebiet in
Erftstadt. (dpa)
## Polizei warnt vor Falschmeldungen
Im ebenfalls stark betroffenen Kreis Trier werde auch am Sonntag die
Aufräumarbeiten fortgesetzt. Erste Anwohner gingen bereits am Samstag
zurück in ihre Häuser. Betroffen sind der Stadt zufolge 670 Gebäude, bei
denen im Keller und Erdgeschoss fast alles zerstört wurde.
Die Polizei warnte unterdessen wegen der zerstörten regionalen
Infrastruktur vor den Gefahren freiliegender Stromleitungen – und vor
Falschmeldungen: So gebe es „keine Flutwelle oder Dammbruch in Sinzig,
Ahrweiler oder Umgebung“, hieß es in einer Mitteilung am Samstagnachmittag.
Aus Angst vor Plünderungen und wegen Hochwassertouristen soll die
Polizeipräsenz erhöht werden.
Angehörige, Freunde oder Bekannte, die jemanden vermissen, können sich rund
um die Uhr unter der Rufnummer 0800 6565651 bei der Polizei melden.
Die Wetterlage hat sich inzwischen entspannt. Es bleibt aber wechselhaft,
wie der Deutsche Wetterdienst (DWD) mitteilte. Daher könne es auch
weiterhin zu örtlichen Gewittern mit Starkregen kommen. (dpa)
## Landkreis Berchtesgadener Land ruft Katastophenfall aus
Der Landkreis Berchtesgadener Land in Oberbayern hat am späten Samstagabend
den Katastrophenfall ausgerufen. Zwei Menschen starben in dem
Hochwassergebiet. Es sei aber noch unklar, ob deren Tod in Zusammenhang mit
dem Hochwasser stehe, sagte die Sprecherin des Landratsamt Berchtesgadener
Land, Alexandra Rothenbuchner. Die Feuerwehr in dem Landkreis in Bayern im
Dauereinsatz.
Betroffen waren vor allem die Orte Berchtesgaden, Bischofswiesen, Schönau
am Königssee, Marktschellenberg und Ramsau im äußersten Südosten Bayerns.
Dort trat das Wasser stellenweise über die Ufer und überflutete Straßen.
Hänge rutschten ab.
Medien berichteten von Rekord-Pegelständen an der Ache – bis 22 Uhr lagen
sie schon bei etwa 3,75 Metern. Bilder zeigen Straßen, die sich in reißende
Bäche verwandeln. Menschen waten knietief im Wasser. Alle paar Hundert
Meter sei die Feuerwehr im Einsatz, berichtet ein Augenzeuge. Traktoren
räumten Schutt beiseite. Zum Teil stehe das Wasser bis zu 50 Zentimeter
hoch. (dpa)
## Sintflutartige Regenfälle auch in Teilen Österreichs
Ebenso ist in Chamerau in der Oberpfalz der Roßbach wegen Starkregens über
die Ufer getreten. Ein Gebäude sei mit Sandsäcken vor den Wassermassen
geschützt worden, sagte ein Sprecher der Polizei. Im gesamten Landkreis gab
es fünf weitere Einsätze der Feuerwehr aufgrund von vollgelaufenen Kellern
oder überschwemmten Straßen.
Sintflutartige Regenfälle haben in der Nacht zum Sonntag auch weitere Teile
Österreichs erfasst. Sowohl in Salzburg als auch in Tirol und der
Bundeshauptstadt Wien waren die Feuerwehren im Dauereinsatz, wie die
Agentur APA meldete. Im Stadtgebiet von Hallein sei Zivilschutzalarm
ausgelöst worden, ebenso wie in Mittersill im Pinzgau sowie in Kufstein in
Tirol. In der Stadt Salzburg wurde der Hochwasserschutz entlang der Salzach
aufgebaut
In Hallein überfluteten die Wassermassen Teile der Altstadt. Nach Angaben
der Feuerwehr lagen am späten Abend keine Meldungen über Vermisste,
Verletzte oder gar Tote vor.
In Kufstein werden die Menschen aufgefordert, Gebäude nicht zu verlassen
und sich in höhere Stockwerke zurückzuziehen. Im Stadtgebiet erreichte das
Wasser der Zulaufbäche des Inns bereits die Straßen. Wegen möglicher
Erdrutsche wurde ein Teil der Felbertauernstraße gesperrt.
In Wien sorgten starker Regen und Gewitter für Hochbetrieb bei den
Feuerwehren. Meist wurden die Feuerwehrleute wegen überfluteter Keller oder
Unterführungen gerufen, bis zum Sonntagmorgen berichtete die
Berufsfeuerwehr von über 500 Einsätzen. (dpa)
## Laschet lacht – und entschuldigt sich
Unions-[4][Kanzlerkandidat Armin Laschet] hat sich für den Eindruck
entschuldigt, er habe sich während der Rede von Bundespräsident
Frank-Walter Steinmeier im nordrhein-westfälischen Hochwassergebiet
unangemessen verhalten. Er bedauere den Eindruck, der durch eine
Gesprächssituation entstanden sei. „Dies war unpassend und es tut mir
leid“, schrieb Laschet am Samstagabend im Kurznachrichtendienst Twitter.
„Uns liegt das Schicksal der Betroffenen am Herzen, von dem wir in vielen
Gesprächen gehört haben.“
Auf Fernsehbildern und Aufnahmen von Fotografen ist der CDU-Politiker
während einer Rede des Bundespräsidenten in Erftstadt im Hintergrund zu
sehen. In einer Sequenz scherzen Laschet und seine Begleiter. Zu sehen ist,
wie er sich lachend zu seinen Begleitern dreht.
Bei Twitter gab es daraufhin Kritik an dem nordrhein-westfälischen
Ministerpräsidenten. SPD-Generalsekretär Lars Klingbeil schrieb: „Ich bin
wirklich sprachlos.“ [5][SPD-Parteivize Kevin Kühnert] twitterte: „Eine
Frage des Charakters.“ Der Pianist Igor Levit kritisierte „würdeloses
Verhalten“. Der frühere Vorsitzende des Deutschen Ethikrates, Peter
Dabrock, sprach von „Pietätlosigkeit“ gegenüber den Opfern.
[6][Steinmeier und Laschet] hatten in Erftstadt mit Helfern und
Feuerwehrleuten gesprochen. In einer kurzen Rede nach dem Treffen hatte der
Bundespräsident sein Mitgefühl mit den Opfern der Flutkatastrophe zum
Ausdruck gebracht und gesagt: „Ihr Schicksal zerreißt uns das Herz.“ Im
Netz wurde darauf verwiesen, dass auch Steinmeier gelacht habe. Die
Diskussion konzentrierte sich zunächst aber auf Laschet. (dpa)
18 Jul 2021
## LINKS
[1] /Digitalausbau-in-Deutschland/!5750862
[2] /Hochwasser-in-Westdeutschland/!5782556
[3] /Nach-Landtagswahl-in-Rheinland-Pfalz/!5767665
[4] /CDU-Kanzlerkandidat-Armin-Laschet/!5781214
[5] /Kevin-Kuehnert-ueber-SPD-Parteitag/!5766097
[6] /Flutkatastrophe-in-Westdeutschland/!5787347
## TAGS
Hochwasser
Nordrhein-Westfalen
Rheinland-Pfalz
Schwerpunkt Klimawandel
Armin Laschet
Frank-Walter Steinmeier
Unwetter
GNS
Flutkatastrophe in Deutschland
Bayern
Schwerpunkt Bundestagswahl 2025
Schwerpunkt Klimawandel
Schwerpunkt Klimawandel
Flutkatastrophe in Deutschland
Armin Laschet
Schwerpunkt Klimawandel
Hochwasser
Schwerpunkt Klimawandel
## ARTIKEL ZUM THEMA
Merkels letzte Sommerpressekonferenz: Das Danach noch nicht im Blick
Noch einmal stellt sich Angela Merkel den Fragen der Hauptstadtpresse. Zum
Abschied zeigt sich die Kanzlerin gelassen, aber nicht selbstgerecht.
Hochwasser in Rheinland-Pfalz: In der Nacht kam das Wasser
Im Ahrtal ist nichts mehr wie zuvor. Die Hälfte der Gebäude von Bad
Neuenahr-Ahrweiler sind schwer beschädigt. Ein Besuch im Ortsteil
Heimersheim.
Flutkatastrophe und Klimawandel: Das unbewohnbare Haus
Die Klimakatastrophe findet nicht nur in Bangladesch und am Pol statt,
sondern nebenan. Spätestens jetzt muss sich alles ändern.
Überschwemmungen in Deutschland: Merkel verspricht schnelle Hilfen
Auf die Hochwasser will der Bund mit einem Aufbauprogramm reagieren – und
einer strikteren Klimapolitik. Laschet entschuldigt sich für einen Lacher.
PolitikerInnen im Fluteinsatz: Laschet kann Krise nicht
Wenn es ernst wird, wirkt der Kandidat der Union ungelenk und überfordert.
Das sind keine guten Voraussetzungen für das Kanzleramt.
Flutkatastrophe in Westdeutschland: Aufräumen und Trauern
Die Zahl der Toten steigt weiter. Bundespräsident Steinmeier besucht das
Katastrophengebiet. Und auch die Kanzlerin hat sich angekündigt.
Flutkatastrophe in Westdeutschland: Keine Entspannung in Sicht
Die Unwetterkatastrophe sorgt in Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz
weiter für Verwüstungen. Inzwischen gibt es mehr als 100 Tote.
Flutkatastrophe in Westdeutschland: Mindestens 100 Todesopfer
Die Lage in Rheinland-Pfalz und Nordrhein-Westfalen bleibt weiter äußerst
angespannt. Das Verteidigungsministerium löst den militärischen
Katastrophenalarm aus.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.