# taz.de -- Flutkatastrophe in Westdeutschland: Aufräumen und Trauern | |
> Die Zahl der Toten steigt weiter. Bundespräsident Steinmeier besucht das | |
> Katastrophengebiet. Und auch die Kanzlerin hat sich angekündigt. | |
Bild: Frank-Walter Steinmeier (l) und Armin Laschet bei der Feuerwehr in Erftst… | |
AHRWEILER/ERFTSTADT/DÜSSELDORF/BERLIN dpa/ap | Beim Besuch in einem der | |
Flutkatastrophen-Gebiete hat Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier zu | |
Solidarität und Spenden für die Opfer aufgerufen. „Vielen Menschen hier in | |
den Regionen ist nichts geblieben außer ihrer Hoffnung. Und diese Hoffnung | |
dürfen wir nicht enttäuschen“, sagte das Staatsoberhaupt nach Gesprächen | |
mit Rettungskräften im nordrhein-westfälischen Erftstadt. | |
Der Ruf nach Hilfe aus allen Teilen der Region sei „groß und drängend“. | |
„Aber den großen Verlust haben diejenigen zu tragen, die Angehörige | |
verloren haben in den Fluten“, sagte Steinmeier weiter. | |
Nordrhein-Westfalens Ministerpräsident Armin Laschet (CDU) bezeichnete das | |
Hochwasser bei dem Erftstadt-Besuch mit Steinmeier als | |
„Jahrhundertkatastrophe“. Land und Kommunen könnten die Folgen der Flut | |
nicht alleine stemmen. | |
[1][Der NRW-Regierungschef und Unions-Kanzlerkandidat] versprach | |
Direkthilfe für die betroffenen Menschen und sagte zu, es werde „sehr | |
unbürokratisch Geld ausgezahlt“. Danach werde man zusammen mit dem Bund | |
„strukturell“ den Städten helfen müssen, den Wiederaufbau zu | |
bewerkstelligen. Am Sonntag wird auch Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) | |
in der schwer verwüsteten Region in Rheinland-Pfalz erwartet. | |
## Allein im Großraum Ahrweiler über 90 Todesopfer | |
In den Trümmern und Ruinen der Katastrophengebiete im Westen werden immer | |
mehr Opfer der Hochwasserkatastrophe entdeckt. Die Zahl der Toten stieg bis | |
zum Samstagmorgen auf mehr als 130. Die Polizei bezifferte die Zahl der | |
Todesopfer allein im Großraum Ahrweiler auf über 90. Es sei zu befürchten, | |
dass noch weitere hinzukämen, teilte die Polizei Koblenz mit. Insgesamt | |
liege dem Polizeipräsidium die Meldung über 618 Verletzte vor. Auch diese | |
Zahl könne sich noch weiter erhöhen. | |
Mehr als zwei Tage nach dem Unglück werden immer noch Menschen vermisst. In | |
Nordrhein-Westfalen gab es nach Angaben des NRW-Innenministeriums | |
landesweit mindestens 43 Todesopfer und viele Verletzte. In der besonders | |
vom Hochwasser betroffenen nordrhein-westfälischen [2][Ortschaft | |
Erftstadt-Blessem gibt es dagegen bislang keine bestätigten Todesopfer]. Da | |
die Arbeiten der Rettungskräfte aber noch in vollem Gange seien, könne man | |
nicht ausschließen, noch Todesopfer zu finden, sagte ein Kreisprecher am | |
Samstagmorgen der Deutschen Presse-Agentur. Die Lage sei aber weiter | |
angespannt. | |
In Rheinland-Pfalz hatte Innenminister Roger Lewentz (SPD) am Freitag noch | |
von 63 Todesopfern gesprochen. Die Zahl der Verletzten in Rheinland-Pfalz | |
lag bei 362. Die Such- und Rettungsarbeiten gehen auch dort weiter. Noch | |
immer sind Tausende Rettungskräfte in der Eifel, wo in der Nacht zum | |
Donnerstag die Wassermassen ganze Orte verwüstet hatten. | |
## Hotline für Vermisstensuche eingerichtet | |
Laut Frühwarnprognose des Landesamts für Umwelt Rheinland-Pfalz verringerte | |
sich die Hochwassergefahr zuletzt. In vielen Ortschaften fiel weiterhin das | |
Strom- und Telefonnetz aus. Angehörige, Freunde oder Bekannte, die jemanden | |
vermissen, können sich unter der Rufnummer 0800 6565651 bei der Polizei | |
melden. | |
In der Nacht war die Polizei nach Angaben des Präsidiums mit vielen | |
Einsatzkräften in den betroffenen Ortslagen im Einsatz. Durch das Unwetter | |
seien zahlreiche Straßen im Ahrtal weiterhin gesperrt oder nicht mehr | |
befahrbar. | |
Durch das Abfließen der Wassermassen werden die von den Fluten | |
angerichteten Schäden an Ahr und Mosel sichtbar. Auch die Infrastruktur hat | |
schweren Schaden genommen: In dem besonders stark betroffenen Landkreis | |
Ahrweiler sind Straßen gesperrt und Brücken zerstört, der Zugverkehr ist in | |
Rheinland-Pfalz wegen der Überflutungen weiterhin massiv beeinträchtigt. | |
Hunderte Rettungskräfte sind auf der Suche nach Toten, Verletzten und | |
Vermissten. Bei dem Schadensausmaß sei mit weiteren Opfern zu rechnen, | |
sagte ein Polizeisprecher am Samstagmorgen. „Der Einsatz läuft auf | |
Hochtouren.“ | |
Eine besonders dramatische Lage hatte sich in Erftstadt-Blessem südwestlich | |
von Köln ergeben: Dort kam es zu gewaltigen Erdrutschen, es bildeten sich | |
Krater im Erdreich, drei Wohnhäuser und ein Teil der historischen Burg | |
stürzten ein. | |
## Stadtteil an der Rur nach Dammbruch evakuiert | |
Im nordrhein-westfälischen Wassenberg an der Grenze zu den Niederlanden | |
[3][wurde nach dem Bruch eines Damms der Rur der Stadtteil Ophoven | |
evakuiert]. Rund 700 Anwohner waren davon betroffen. Die Lage war am frühen | |
Morgen laut Mitteilung der Stadt weiter angespannt. Der zuständigen | |
Kreispolizei Heinsberg und der Bezirksregierung Köln waren am Morgen aber | |
keine besonderen Vorkommnisse aus der Nacht bekannt. „Insgesamt stagnieren | |
die dortigen Wasserpegel derzeit“, teilte die Stadt Wassenberg mit. | |
Grünen-Kanzlerkandidatin Annalena Baerbock reiste nach dem Abbruch ihres | |
Urlaubs in die Krisengebiete. Wie eine Sprecherin am Freitagabend | |
mitteilte, will sich die Parteichefin vor Ort über die Lage der Menschen | |
informieren. Dabei verzichte sie bewusst auf Pressebegleitung oder | |
öffentliche Auftritte. Den Angaben zufolge traf Baerbock am Freitag in | |
Mainz ein. Auf Twitter schrieb sie dazu: „Die Gespräche gehen unter die | |
Haut. Nach wie vor sind nicht alle Orte erreicht, Menschen weiter | |
abgeschnitten. Zugleich gibt es eine unglaubliche Solidarität zu helfen, | |
Betroffene zu Hause aufzunehmen und zu unterstützen.“ Für Samstag sind | |
weitere Termine Baerbocks in Nordrhein-Westfalen angesetzt. | |
Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner (CDU) sagte der „Neuen | |
Osnabrücker Zeitung“ (Samstag): „Wir wissen, dass solche | |
Extremwetterereignisse zunehmen werden. Daher brauchen wir entsprechende | |
Anstrengungen beim Klimaschutz – in Deutschland, aber auch weltweit.“ Die | |
Akteure in Bund, Land, Städten und Kreisen sowie Hilfsorganisationen seien | |
„leistungsfähig, aber für bundesweite Krisenszenarien brauchen wir einen | |
verlässlichen Rahmen“. Es dürfe nicht so weit kommen, dass das Leben an | |
Flüssen und Küsten in Deutschland nicht mehr möglich sei. | |
In Nordrhein-Westfalen sind nach Angaben des Innenministeriums rund 22 000 | |
Einsatzkräfte von Feuerwehr und Hilfsorganisationen wie dem Technischen | |
Hilfswerk (THW) an den Rettungsarbeiten beteiligt. Hinzu kämen 700 Beamte | |
der Landespolizei und Kräfte der Bundespolizei sowie Einsatzkräfte aus | |
Hessen, Niedersachsen und Hamburg. Die Koordinierungsgruppe des Krisenstabs | |
Nordrhein-Westfalen tausche sich rund um die Uhr zur aktuellen Lage bei der | |
Hochwasserkatastrophe aus und helfe landesweit bei der Koordinierung, hieß | |
es am Samstagmorgen in Düsseldorf. | |
Hochwasser entlang der Maas | |
Im Süden der Niederlande haben die Anwohner entlang der Maas am Samstag mit | |
Sandsäcken und Schutzmaßnahmen den Kampf gegen das Hochwasser fortgesetzt. | |
Mit einem Absinken des Wassers wurde in Roermond am Sonntagmorgen und in | |
Venlo am Sonntagabend gerechnet, teilten die Behörden mit. | |
In Venlo an der Grenze zu Nordrhein-Westfalen war am Freitag ein | |
Krankenhaus mit 200 Patienten vorsorglich evakuiert worden. In der Stadt | |
und umliegenden Orten wurden Tausende Menschen zum Verlassen ihrer | |
Wohnungen aufgerufen. Zwar richteten die Fluten erhebliche materielle | |
Schäden an, Berichte über Verletzte gab es aber nicht. Unterdessen riefen | |
die Behörden Schaulustige auf, zu Hause zu bleiben, und drohten mit | |
Bußgeldern. Wie die Stadt Venlo mitteilte, überwachte die Polizei auch aus | |
der Luft die evakuierten Gebiete und die Deiche. | |
Hochwasser und Springfluten haben in Belgien bisher 24 Menschen das Leben | |
gekostet. Das teilte das Krisenzentrum am Samstag mit und erklärte, man | |
rechne mit weiteren Toten. Der Bahnverkehr und zahlreiche Straßen waren am | |
Samstag im Osten Belgiens weiterhin blockiert. In der schwer getroffenen | |
Ortschaft Pepinster brach eine Café-Besitzern in Tränen aus, als König | |
Philippe und Königin Mathilde am Freitag die Menschen dort besuchten, um | |
ihnen Trost zu spenden. Auch EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen | |
und der belgische Ministerpräsident Alexander De Croo besuchten nach einem | |
Bericht des Rundfunksenders RTBF am Samstag das Katastrophengebiet. | |
17 Jul 2021 | |
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