| # taz.de -- Überschwemmungen in Deutschland: Merkel verspricht schnelle Hilfen | |
| > Auf die Hochwasser will der Bund mit einem Aufbauprogramm reagieren – und | |
| > einer strikteren Klimapolitik. Laschet entschuldigt sich für einen | |
| > Lacher. | |
| Bild: In Schuld gibt es viel zu tun: Angela Merkel war am Sonntag dort | |
| Berlin taz | Angela Merkel steht am Sonntagnachmittag in Adenau vor dem | |
| Rathaus. Von „einer surrealen, gespenstischen Situation“ spricht die | |
| Kanzlerin, die sie erlebt habe, als sie zuvor im nahen Schuld in der Eifel | |
| die Hochwasserschäden besichtigt habe. Der Ort mit 700 Einwohner:innen | |
| ist besonders stark getroffen: zerstörte Häuser, vollgelaufene Keller, | |
| aufgerissene Straßen, überall Schutt. | |
| „Wir stehen an Ihrer Seite“, verspricht Merkel den | |
| Lokalpolitiker:innen und Bürger:innen. „Bund und Land werden | |
| gemeinsam handeln.“ Am Mittwoch werde die Bundesregierung ein Programm für | |
| schnelle Hilfen verabschieden, auch für mittelfristige Aufgaben und den | |
| langfristigen Wiederaufbau der Infrastruktur. Und, kündigt Merkel an, sie | |
| werde Ende August wiederkommen. „Wir brauchen einen langen Atem.“ | |
| Die Kanzlerin hatte zuvor in Schuld mit Einsatzkräften gesprochen und mit | |
| Ortsbürgermeister Helmut Lussi. „Unser Leben hat sich von einem Tag auf den | |
| anderen verändert“, sagt Lussi und kämpfte mit den Tränen. Vor fünf Jahren | |
| habe man ein Hochwasser mit 3,60 Meter Höhe noch „locker-leicht | |
| abgefangen“, diesmal aber seien es 8,87 Meter gewesen. „Das übersteigt alle | |
| Dimensionen.“ [1][Das Wasser sei enorm schnell gekommen, alle Häuser im Ort | |
| seien beschädigt, die Wasserversorgung sei zusammengebrochen.] Es werde | |
| Jahre dauern, bis Schuld wieder aufgebaut sei, sagt Lussi. | |
| ## „Bilder des Grauens“ | |
| Auch Guido Niesius (CDU), Bürgermeister von Adenau, spricht von „Bildern | |
| des Grauens“ und bittet um Gelder für den Wiederaufbau der Wohnhäuser, der | |
| Trinkwasser- und Abwasserversorgung und der Kommunikationsnetze. | |
| Neben Merkel, die gerade erst von ihrer Reise zu US-Präsident Joe Biden | |
| zurückgekehrt ist, verspricht auch Manu Dreyer (SPD), Ministerpräsidentin | |
| von Rheinland-Pfalz, den Betroffenen schnelle Hilfe. Beide danken den | |
| Einsatzkräften und Helfer:innen. „Es ist unglaublich beruhigend, wie die | |
| Menschen zusammenhalten“, betont Merkel. | |
| Die Region aber ist hart getroffen. Allein im Kreis Ahrweiler in | |
| Rheinland-Pfalz, zu dem Schuld gehört, vermeldete die Polizei zuletzt 110 | |
| Tote. Mit Dutzenden weiteren in Nordrhein-Westfalen stieg die Zahl der | |
| Todesopfer durch durch die Hochwasser am Sonntag damit auf mehr als 150. | |
| Laut Polizei wurden zudem mehr als 670 Menschen verletzt. In einigen | |
| Ortschaften blieben Strom- und Telefonnetze lahmgelegt, Straßen | |
| unbefahrbar. | |
| Und an anderer Stelle mussten neue Überschwemmungen bekämpft werden: In der | |
| Nacht zu Sonntag waren auch in Südostbayern, der Sächsischen Schweiz und in | |
| Österreich Unwetter niedergegangen. Auch hier wurde nun nach Opfern | |
| gesucht, liefen Aufräumarbeiten an.Auch Bundesfinanzminister und | |
| SPD-Spitzenkandidat Olaf Scholz versprach am Sonntag Soforthilfe vom Bund | |
| für die Flutopfer, die das Bundeskabinett am Mittwoch beschließen werde. | |
| ## Katastrophenerlass in NRW | |
| Nach Erfahrungen aus früheren Katastrophen dürften diese rund 400 Millionen | |
| Euro betragen. Noch im Juli sollten erste Gelder an Betroffene fließen. | |
| Zudem brauche es ein Aufbauprogramm, damit zerstörte Häuser, Straßen und | |
| Brücken zügig repariert werden könnten, was wohl mehrere Milliarden Euro | |
| kosten werde, so Scholz. „Es ist klar: Wer sein Geschäft, sein Haus | |
| verloren hat, kann die Schäden nicht allein tragen. Wir müssen jetzt als | |
| Land zusammenstehen.“ | |
| Rheinland-Pfalz hatte den Flutopfern schon zuvor 50 Millionen aus der | |
| Katastrophenhilfe zugesagt. Die Landesregierung werde den Betroffenen „mit | |
| aller Kraft zur Seite stehen“, sagte Dreyer. | |
| In Nordrhein-Westfalen setzte die Finanzverwaltung einen Katastrophenerlass | |
| in Kraft: Betroffene sollen damit rasch steuerliche Hilfen in Anspruch | |
| nehmen können, etwa Sonderabschreibungen für den Wiederaufbau von Häusern. | |
| Unbürokratische Hilfe stehe für die Regierung derzeit an erster Stelle, | |
| hatte Ministerpräsident und Unions-Kanzlerkandidat Armin Laschet erklärt. | |
| Auch Grünen-Spitzenkandidatin Annalena Baerbock war zuletzt in den | |
| Hochwassergebieten unterwegs. Den Wiederaufbau nannte sie am Sonntag | |
| ebenfalls eine „nationale Aufgabe“. Der Bund sei zudem in der | |
| Verantwortung, Krisen besser vorzubereiten und Rettungskapazitäten wie | |
| Hubschrauber so zu koordinieren, dass sie die Regionen erreichten, wo Hilfe | |
| benötigt werde. | |
| Linken-Spitzenkandidat Dietmar Bartsch forderte eine „politische | |
| Rückversicherung“ für die Flutbetroffenen ein: Alle Schäden müssten | |
| „komplett“ ersetzt, jedes zerstörte Haus wieder aufgebaut werden. „Auch … | |
| sich nicht gegen Elementarschäden versichern konnte, braucht die | |
| Gewissheit, dass geholfen wird.“ | |
| ## Laschet entschuldigt sich für Lacher | |
| Diskutiert wurde am Sonntag aber nicht nur über Hilfen, sondern auch eine | |
| Performance: nämlich die von Laschet beim Besuch von Frank-Walter | |
| Steinmeier tags zuvor in Erftstadt. Während der Bundespräsident dort seine | |
| Trauer über die Flutopfer bekundete, [2][scherzte Laschet lachend im | |
| Hintergrund mit anderen Personen – eingefangen von Kameras.] | |
| SPD-Generalsekretär Lars Klingbeil twitterte, er sei sprachlos. | |
| SPD-Bundesvize Kevin Kühnert sprach von „einer Frage des Charakters“. | |
| SPD-Mann Ralf Stegner nannte es „unangemessen und stillos“. | |
| Laschet entschuldigte sich noch am Samstagabend dafür. „Uns liegt das | |
| Schicksal der Betroffenen am Herzen, von dem wir in vielen Gesprächen | |
| gehört haben“, teilte er mit. „Umso mehr bedauere ich den Eindruck, der | |
| durch eine Gesprächssituation entstanden ist. Dies war unpassend und es tut | |
| mir leid.“ Merkel antwortete, gefragt nach dem Laschet-Fauxpas, nur | |
| ausweichend: „Ich glaube, die Betroffenheit in Nordrhein-Westfalen ist | |
| genauso groß wie in Rheinland-Pfalz.“ | |
| ## Bundespolitik verspricht konsequentere Klimapolitik | |
| Die Kanzlerin betonte in Adenau aber vage die Dringlichkeit einer | |
| strikteren Klimapolitik. Es brauche nach den Hochwassern eine Politik, | |
| welche „die Natur und das Klima mehr in Betracht zieht, als wir das in den | |
| letzten Jahren gemacht haben“. Hier müsse man sich „sputen“ und „sehr | |
| anstrengen“. | |
| Auch Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) nannte die Unwetter bei | |
| einem Pressetermin im bayrsichen Hochwassergebiet einen „unglaublichen | |
| Weckruf der Natur“. „Das Klima verändert sich, das hat Folgen.“ Man müs… | |
| die Klimapolitik beschleunigen, Bayern werde bis 2040 klimaneutral sein. | |
| „Die Kosten des Nichtstuns würden viel teurer.“ | |
| Dem stimmte auch Scholz zu, der Söder begleitete. Die Überschwemmungen | |
| hätten durchaus mit einem menschengerechten Klimawandel zu tun, sagte der | |
| SPD-Politiker. Man müsse daher nun „mit aller Kraft anpacken“, damit | |
| Deutschland ein klimaneutrales Industrieland werde. „Sonst werden uns | |
| solche Katastrophen wieder begegnen.“ | |
| 18 Jul 2021 | |
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| Konrad Litschko | |
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