# taz.de -- Merkels letzte Sommerpressekonferenz: Das Danach noch nicht im Blick | |
> Noch einmal stellt sich Angela Merkel den Fragen der Hauptstadtpresse. | |
> Zum Abschied zeigt sich die Kanzlerin gelassen, aber nicht selbstgerecht. | |
Bild: Merkel vor der Sommerpressekonferenz: Nichts scheint die Kanzlerin aus de… | |
BERLIN taz | Nein, Angela Merkel will noch nicht an die Zeit nach ihrer | |
Kanzler:innenschaft denken. „Ich werde dann schon mit der Zeit etwas | |
anfangen können“, sagt sie. Doch noch sei sie Tag für Tag gefordert. Von | |
der Coronapandemie bis zur Hochwasserkatastrophe: Angesichts der gewaltigen | |
Herausforderungen bliebe „wenig Zeit und Raum“, sich mit dem Danach zu | |
beschäftigen. Außerdem mache sie auch noch in der Schlusskurve ihrer | |
Amtszeit ihre Arbeit gerne. | |
Wenn nichts mehr ganz Außergewöhnliches passiert, ist das die letzte | |
Sommerpressekonferenz Merkels. Noch einmal stellt sie sich am Donnerstag in | |
Berlin für eineinhalb Stunden der Hauptstadtpresse. So wie sie es [1][all | |
die Jahre gemacht hat]. Doch diesmal dürfte es ihr Abschied sein. Eine | |
wehmütige oder nostalgische Stimmung kommt bei ihr jedoch nicht auf. Was | |
sie vermissen wird? „Was man vermisst, merkt man meistens erst, wenn man es | |
nicht hat“, antwortet sie. | |
Das Repertoire der Fragen ist wie üblich äußerst breit gestreut. | |
Selbstverständlich geht es immer wieder um die Klimakrise und ihre | |
unzulängliche Bewältigung, aber auch um tagesaktuelle Themen wie den | |
Nord-Stream-2-Deal mit den USA, die Pegasus-Handybespitzelungen oder den | |
gerade beendeten Afghanistan-Einsatz der Bundeswehr und seine Folgen für | |
die afghanische Bevölkerung. | |
Es werden Fragen zur Flüchtlingspolitik Deutschlands und der EU, zum | |
Verhältnis zur Türkei oder zum deutschen Ausstieg aus der Atomenergie | |
gestellt. So will eine japanische Journalistin wissen, ob Merkel immer noch | |
hinter ihrer Entscheidung nach der Nuklearkatastrophe von Fukushima von vor | |
zehn Jahren stehe. Die Kanzlerin lässt keinen Zweifel: „Ich halte sie für | |
richtig“, sagt sie. „Für Deutschland sind die Würfel gefallen.“ | |
## Für schnelleres Tempo in der Klimapolitik | |
Während ihr [2][Möchtegernnachfolger Armin Laschet] stets in der Gefahr | |
steht, bei kritischen Fragen die Contenance zu verlieren, zeigt sich Merkel | |
gelassen, ja geradezu tiefenentspannt. Nichts scheint sie aus der Ruhe oder | |
gar der Fassung bringen zu können. Aber gleichwohl ist es kein | |
selbstgerechter Auftritt. Da tritt keine Person auf, die von sich | |
behauptet, immer alles richtig gemacht zu haben. | |
Das zeigt sich gerade beim großen Menschheitsthema Klimakrise. „Mein | |
politisches Leben ist eigentlich gekennzeichnet ab 1994, als ich | |
Umweltministerin wurde, von der Arbeit für Maßnahmen gegen den | |
Klimawandel“, sagt Merkel. Sie habe dafür „sehr viel Kraft“ aufgewendet. | |
Aber sie sagt auch: „Trotzdem bin ich ja mit wissenschaftlichem Verstand | |
ausreichend ausgerüstet, um zu sehen, dass die objektiven Gegebenheiten | |
erfordern, dass man in dem Tempo nicht weitermachen kann, sondern schneller | |
werden muss.“ | |
Es sei zwar „einiges passiert und wir sollten nicht so tun, als wenn nichts | |
passiert ist“. Aber gemessen am Ziel sei „nicht ausreichend viel passiert�… | |
Die wissenschaftliche Evidenz mahne zu mehr Eile, „und wir als | |
Politikerinnen und Politiker müssen dafür Mehrheiten finden“. Auch wenn das | |
„manchmal nicht ganz so einfach“ sei. | |
Einen Lernprozess räumt Merkel, die sich nie als Feministin verstanden hat, | |
beim Blick auf die Gleichberechtigung von Frauen und Männern in der | |
Wirtschaft ein. „Also das hätte ich mir 1990, als ich in die Politik ging, | |
alles einfacher vorgestellt“, sagt sie. Lange Zeit habe sie auf freiwillige | |
Selbstverpflichtungen gesetzt. Doch dann habe sie erleben müssen, wie eine | |
große Zahl von Unternehmen „einfach völlig ungerührt“ mitgeteilt hätten, | |
bei ihnen betrage der Anteil von Frauen in Führungspositionen null Prozent | |
und das werde auch so bleiben. | |
So habe sie mit den Jahren erkennen müssen, „dass von alleine ziemlich | |
wenig geht“. Es gebe „wirklich viele Frauen, die sehr viel mehr getan haben | |
für die Gleichberechtigung von Mann und Frau“. Trotzdem habe auch sie | |
„einiges auf den Weg gebracht“. | |
## Warnung vor steigenden Corona-Infektionszahlen | |
Merkel wäre nicht Merkel, wenn sie nicht auch jenseits aller | |
Journalist:innenfragen eine eigene Botschaft mitgebracht hätte. Sie | |
betrifft die Coronapandemie. Denn die sei keineswegs bereits überstanden, | |
warnt die Kanzlerin eindringlich. | |
Die Infektionszahlen stiegen derzeit „mit einer deutlichen und, wie ich | |
finde, auch besorgniserregenden Dynamik“, sagt Merkel. „Wir müssen davon | |
ausgehen, dass wir in weniger als zwei Wochen jeweils eine Verdopplung | |
haben.“ | |
Sie appelliert, weiterhin die Schutzmaßnahmen zu beachten: Masken, Abstand, | |
Lüften. Auch Tests sollten wieder verstärkt werden. Entscheidend sei | |
allerdings, bei den Impfbemühungen nicht nachzulassen: „Je mehr geimpft | |
sind, umso freier werden wir wieder sein“, sagt sie. | |
Ob sie sich über die Bezeichnung „Krisenkanzlerin“ freut? Merkels | |
Gesichtsausdruck verrät, dass sie damit wenig anfangen kann. Ein Leben ohne | |
Krisen sei „natürlich einfacher, aber wenn sie da sind, müssen sie | |
bewältigt werden“, antwortet sie. „Dafür sind wir Politikerinnen und | |
Politiker.“ | |
22 Jul 2021 | |
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## AUTOREN | |
Pascal Beucker | |
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