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# taz.de -- Hamburger Studie zu trans*Menschen: Von der Pandemie schwer getroff…
> Gesundheitsrisiken, Leidensdruck, Gewalt: Laut einer Studie des Klinikums
> Hamburg-Eppendorf sind trans* Menschen durch Corona besonders gefährdet.
Bild: Wider die Marginalisierung: Demonstration auf dem Hamburger Rathausmarkt …
Hamburg taz | Die [1][Covid-19-Pandemie] trifft alle Menschen – aber manche
mehr als andere. Die besondere Gefährdung der [2][trans* Community] – also
von Menschen, deren Geschlechtsidentität abweicht von dem Geschlecht, das
ihnen bei der Geburt zugeordnet wurde – bestätigt [3][eine neue Studie des
Universitätsklinikums Hamburg-Eppendorf (UKE)]. Eingeschränkter Zugang zu
wichtigen medizinischen Dienstleistungen, das Wegfallen von Safe Spaces,
also sicheren Orten für trans* Menschen, sowie ein spürbarer Zuwachs an
Gewalt und das Verbot von Sexarbeit: Diese Faktoren machen trans* Menschen
auch im Norden gerade besonders vulnerabel.
Andreas Köhler promoviert am Interdisziplinären Transgender
Versorgungscentrum des UKE und hat – zusammen mit zwei weiteren
Mediziner*innen – die Studie über die Auswirkungen von Covid-19 auf
die trans* Community durchgeführt. Er sagt, die Pandemie gefährde auch in
Hamburg trans* Menschen ganz besonders: „Die Ergebnisse unserer Studie
sehen wir auch hier im Umkreis bestätigt.“
Das Transgender Versorungscentrum, bis heute einzigartig in Deutschland,
und die mit ihm verbundene Ambulanz seien auch während der Pandemie in
ständigem Kontakt zu den betreuten trans* Personen gewesen. „Bei vielen
kamen Unsicherheiten auf“, sagt Köhler, „darüber, ob sich die Behandlungen
verzögerten, ob bestimmte Hormonpräparate nicht mehr erhältlich wären oder
ob Operationen verschoben würden.“ Manche Befürchtungen seien berechtigt
gewesen: Einige Operationen habe man tatsächlich verschieben müssen, da sie
nicht zu den sogenannten „dringend notwendigen Operationen“ zählten. Auch
geschlechtsbestätigende Operationen für trans* Menschen seien davon
regelhaft betroffen gewesen.
Dass solche Operationen allerdings lebensrettend sein können, legen
Statistiken zu Suizidalität und trans* Identität nahe: Auf der
Pressekonferenz zum Welttag der Suizidprävention in Berlin wurden 2019
Statistiken aus Deutschland präsentiert, nach denen junge trans* Menschen
einem fast sechsmal höheren Suizidrisiko ausgesetzt sind als andere
Gleichaltrige.
Köhler bestätigt, dass trans* Menschen vermehrt unter Angst- und
Depressionssymptomen leiden. Ein Auslöser dessen kann Körperdysphorie sein,
ein Leidensdruck, der durch die Nichtübereinstimmung von körperlichen
Merkmalen und Geschlechtsidentität verursacht wird. Das verbreitete
Verständnis von geschlechtsangleichenden Operationen als rein „kosmetischer
Eingriff“ wird dem nicht gerecht.
Cornelia Kost ist Psychotherapeutin und arbeitet für die Hamburger
Beratungsstelle der [4][Deutschen Gesellschaft für Transidentität und
Intersexualität (DGTI)]. Sie kann die Ergebnisse der UKE-Studie bestätigen:
„Während der beiden Lockdowns haben wir jeweils eine ungewöhnliche Zunahme
an Anfragen wahrgenommen.“ Vor allem im zweiten Lockdown sei die Nachfrage
um 21 Prozent gestiegen.
Besonders junge trans* Menschen leiden Kost zufolge unter der Pandemie.
Alltagsstrukturen wie Schule oder Arbeit hätten zuvor Ablenkungen
geschaffen, die den Umgang mit der eigenen trans* Identität erleichterten:
„Durch den Lockdown kumulieren sich Konflikte mit dem eigenen, oftmals
heteronormativen Umfeld“, sagt Kost.
Dass nun vielfach ganze Familien gleichzeitig zu Hause seien, erschwere
Experimente am eigenen Geschlechtsausdruck. Vielmehr eskalierten familiäre
Situationen häufiger: „Solche Konflikte potenzieren sich durch Corona und
Lockdown“, sagt Kost. Eine Folge: vermehrt selbstverletzendes Verhalten
oder auch Essstörungen bei den Betroffenen.
Als weitere gefährdete Gruppe nennt Kost trans* Sexarbeiter*innen. Das
deckt sich mit Ergebnissen der UKE-Studie. „Wir hatten immer wieder Leute,
bei denen die Wohnsituation an die Arbeit gekoppelt war“, so Kost: „Manche
leben in den Hotels, in denen sie arbeiten. Die haben auf einen Schlag ihr
Obdach verloren.“
[5][In einer Publikation] über die „Benachteiligung von Trans*Personen“ im
Auftrag der Antidiskriminierungsstelle des Bundes heißt es, dass Sexarbeit
insbesondere für trans* Frauen eine wichtige Einnahmequelle darstelle. Kost
sagt, dass trans* Frauen mittlerweile in fast jedem Berufsfeld vorkommen.
Nichtsdestotrotz seien es vielfach trans* Frauen ohne sicheren
Aufenthaltsstatus, die explizit für Sexarbeit nach Deutschland geworben
würden. Dadurch seien sie nicht nur besonders hohen Gesundheitsrisiken
ausgesetzt, sondern würden eben auch besonders hart von Repressionen wider
die Sexarbeit getroffen. Deren Verbot als Teil der Corona-Eindämmung
bedeutete daher für viele migrantische trans* Frauen Arbeitslosigkeit –
oder die Flucht in die Illegalität. „Trans* Frauen landen in der
Geschlechterhierarchie leider ziemlich weit unten“, schließt Kost.
Domicila Roberta Batista ist trans* und wohnt seit 2001 in Hamburg. Zuvor
lebte sie in Espírito Santo in Brasilien. „Ich bin aber keine Heilige!“,
sagt sie lachend. Bis vor zwei Jahren habe sie selbst noch als
Sexarbeiterin gearbeitet. Kritisch sei die Pandemie vor allem für
diejenigen, die auf der Straße arbeiten. „Für die am Steindamm oder in der
Schmuckstraße war es schwer, die konnten die Arbeit nicht machen. Es war
verboten. Die Polizei war immer da“, so Batista. Wenn sie über diese
anderen rede, rede sie indirekt immer auch über sich selbst: „Ich arbeite
zwar nicht mehr, aber ich gehöre weiterhin zu ihnen. Wir gehen zu den
gleichen Beratungsstellen, [6][zum Beispiel ‚Sperrgebiet‘].“
Seit Beginn der Pandemie habe sie vermehrt Gewalt erfahren, erzählt
Batista: physisch, aber „auch verbale Gewalt über Chatrooms.“ Auch andere
trans* Frauen seien davon betroffen. Hassrede, Mobbing – das alles habe
zugenommen. „Leute sprechen mich mit meinem alten Namen an, nennen mich
ekelhaft.“
Warum sich das mit Corona noch verschlimmert habe, sei ihr nicht klar. Es
verdeutliche aber, dass Menschen wie sie in Deutschland nicht
gleichberechtigt sind: „Ich wünsche mir von der Politik mehr Sicherheit und
vor allem mehr Chancen.“ Für Batista verschließt die breite Öffentlichkeit
die Augen vor den Problemen von trans* Menschen. Politisch hofft sie auf
einen Blick für das Ganze statt nur auf einige repräsentative Einzelne:
„Viele glauben, Transsexuelle seien alle gleich. Aber es gibt nicht nur die
eine transsexuelle Person.“
7 Jul 2021
## LINKS
[1] /Schwerpunkt-Coronavirus/!t5660746
[2] /Transgender/!t5523976
[3] https://transcarecovid-19.com/
[4] https://www.dgti.org/
[5] http://http//www.transinterqueer.org/download/Publikationen/benachteiligung…
[6] https://www.sperrgebiet-hamburg.de/
## AUTOREN
Lukas Door
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