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# taz.de -- Trans Vater über seine Schwangerschaft: „Ich bin stolz, es gesch…
> Daniel Masch ist trans und hat einen Sohn geboren. Ein Gespräch über
> Geburtsvorbereitungskurse, aufgeschobene Transition und Loyalität
> gegenüber dem eigenen Körper.
Bild: Vor sechs Jahren bekam Daniel Masch ein Kind. Für die Schwangerschaft sc…
Das Interview findet per Zoom statt. Daniel Masch sitzt am Schreibtisch in
seinem Wohnzimmer, an der Decke sind dunkle Holzbalken zu erkennen. Das
Haus, in dem er mit Mann und Sohn lebt, ist knapp 500 Jahre alt. Während
des Gesprächs kaut er immer mal wieder an Selleriestangen, es wird viel
gelacht. Wenn er etwas besonders betonen will, beugt er sich vor und
spricht direkt in die Kamera. Mit „Nein, Hase, jetzt nicht“ schaltet er zu
Gesprächsbeginn sein Handy aus. Er spreche immer mit seinen Geräten,
entschuldigt er sich.
taz am wochenende: Herr Masch, ich tue mich schwer damit, über „Menschen
mit Uterus“ zu schreiben, wie es manche Leser*innen fordern. Warum wäre
es gut, das zu machen?
Daniel Masch: Es gibt einfach neben Frauen auch noch andere, die Kinder
gebären können oder einen Schwangerschaftsabbruch haben, nämlich trans-,
nicht-binäre und intergeschlechtliche Menschen. Hinter einer solchen
Forderung steckt viel Wut und Schmerz, weil Menschen sich noch bis 2011
zwangssterilisieren lassen mussten, wenn sie wollten, dass ihr richtiges
Geschlecht in ihren Pass eingetragen wird. Von diesen sind noch einige in
einem „gebärfähigen“ Alter – oder sie hätten gerne Kinder gezeugt mit …
Stammzellen. Hinzu kommt, dass die meisten Leute davon ausgehen, dass trans
Menschen keine Kinder wollen, sich alle operieren lassen und keine
Sexualität haben, weil sie sich so für ihren Körper schämen. Deshalb wollen
wir mehr Sichtbarkeit und deshalb die Bitte: Schreibt auch mal „schwangere
Menschen“.
Sie haben 2015 ein Kind geboren – sind Sie ein Mensch mit Uterus?
Ich bezeichne mich nicht so. Für mich war es damals einfacher zu sagen,
mein Kind ist in meinem Bauch. Ich fand es total spannend, schwanger zu
sein und dass mein Körper so etwas kann, aber ich will nicht immer ins
Gesicht gerieben bekommen, dass ein Kind in meinen „weiblichen“ Organen
steckt.
Aber schwanger sein war okay?
Ich bin pragmatisch damit umgegangen und habe das genutzt, was ich zur
Verfügung hatte. Andere trans Männer sagen mir oft, dass sie das nicht
könnten. Ich bin stolz und sehr froh, es geschafft zu haben. Durch die
Schwangerschaft habe ich heute auch ein besseres Verhältnis zu meiner
Anatomie als vorher.
Inwiefern?
Vorher hat der Körper einmal im Monat mit der Regelblutung gesagt: „Doch,
du musst dich mit mir auseinandersetzen und kannst mich nicht
wegrationalisieren, du bist ein Mädchen!“ Das hat mich sehr belastet. Und
dann war durch meine Anatomie die Schwangerschaft möglich, und ich habe so
ein tolles Kind bekommen. Deswegen wollte ich nach dem Abstillen auch nicht
mit der Mastektomie – also der Entfernung der Brüste – gleich die
Entfernung von Gebärmutter und Eierstöcken mit machen lassen. Ich habe
ihnen gegenüber eine Loyalität empfunden. Sie sind ein Teil von mir,
jedenfalls solange ich keine geschlechtsangleichende Operation haben
möchte.
Hatten Sie vor der Schwangerschaft kein Testosteron genommen?
Nein. Als ich mich vor zwölf Jahren über die Transition informiert hatte,
hieß es: „Warten Sie mit den Hormonen, sonst schaden Sie dem Kind, wenn Sie
eins haben wollen.“
Sie sagten vorhin, „ich habe das geschafft“. Haben Sie sich unwohl gefühlt
in der Schwangerschaft?
Ich war die ersten fünf Monate total ausgeknockt und musste dabei weiter
arbeiten. Und ich war extrem schwach, mir war immer schwindlig.
Klingt nach normalen Schwangerschaftsbeschwerden.
Ja, aber ich hatte unterschätzt, was das mit meiner Psyche macht.
Weil noch mal ganz andere Hormone in der Schwangerschaft produziert werden?
Weibliche Hormone ohne Ende! Mein Körper ging einmal komplett in die
falsche Richtung. Meine Transition musste warten und zurückgestellt werden,
bis dieses Kind da war.
Wie lange mussten Sie warten?
Fast zehn Jahre.
Sie wurden auch ohne Hormone als Mann erkannt?
Ich habe Binder getragen, mit denen ich mir die Brust abgebunden habe, war
überall geoutet und habe als Daniel Masch gearbeitet. Aber wenn ich heute
Fotos angucke, sehe ich schon einen starken Unterschied.
Ging es Ihnen nach den ersten fünf Monaten besser?
Am Schluss ja, also in dieser Zeit, die andere Schwangere oft als so
richtig belastend erleben, diese Dicke-Bauch-Zeit, da ging es mir super.
Ich glaube, das lag daran, dass ich nicht mehr gearbeitet habe und nicht
mehr so viel rausmusste. Ich wurde weniger angeguckt und konnte zu Hause
mein Ding machen. In meinem Umfeld war klar, „das ist Daniel und der ist
jetzt schwanger“.
Waren Sie in einem Geburtsvorbereitungskurs?
Nein. Ich hatte mit einem lesbischen Paar gesprochen, selbst die waren
schon abgeschreckt, weil in diesen Kursen immer von „den Frauen“ und „den
Männern“ die Rede war. Ich habe dann mehrere Kursleitungen angerufen und
gefragt: Schafft ihr das zu sagen, „die Schwangeren tun dies und die nicht
Schwangeren tun das“, weil ihr sonst jedes Mal meine Dysphorie triggert,
aber die haben alle gesagt: „Das können wir nicht leisten.“ Dabei hätte i…
die Vorbereitung wahrscheinlich dringender gebraucht als andere.
Wie war die Geburt?
Die hat vier Tage gedauert.
Ein Kaiserschnitt?
Nein! Ich war so stolz. Wir hatten am Schluss eine Hebamme, die war sehr
erfahren und super sensibel, ohne dass sie sich vorab mit trans beschäftigt
hätte, das war für alle neu in der Geburtsstation. Irgendwann fingen sie
an, den Kaiserschnitt vorzubereiten, weil das Kind Stress hatte und nicht
genug Sauerstoff bekam. Da habe ich sie gebeten: „Lasst mich doch mal mein
Kind beruhigen!“ Wir hatten schon während der Schwangerschaft ein ganz
enges Verhältnis. Ich habe ihn dann durch den Bauch gekrault und mit ihm
gesprochen. Danach hat die Hebamme noch mal die Sauerstoffsättigung bei ihm
im Blut gemessen und gesagt, das hätte sie nicht erwartet, aber es sei
besser geworden und wenn ich den normal kriegen wolle, dann jetzt.
War Ihre Transidentität Thema in der Klinik?
Es gab eine Hebamme, die hat gedacht, sie kann mich ablenken, indem sie mir
platte Fragen zu meiner Biografie stellt. „Woher wusstest du denn, dass du
trans bist?“ zum Beispiel. Da habe ich gedacht: Solange du da bist, bekomme
ich hier kein Kind. In der Klinik hat mich auch eine Person angesprochen,
weil sie sich fragte, ob sie eine Transidentität hat. Da habe ich unter
Wehen eine Trans-Beratung gemacht. Früher habe ich immer gedacht, wenn eine
von 200 Personen trans ist: Wo sind die denn alle? Heute denke ich: Wo sind
die nicht? Da möchte man sein Kind kriegen, zack, wieder jemand.
Es gibt Leute, die das für eine Modeerscheinung halten.
Nein, trans wird einfach sichtbarer. Meine Mutter zum Beispiel ist super
offen, lieb und aufgeklärt, aber sie hat trans damals nicht mitgedacht. Ich
ja auch nicht. Ich wollte immer als Junge gesehen werden, aber ich bin
nicht Generation Google, ich dachte, ich bin der Einzige. Also habe ich
überkompensiert, bin in mein zugewiesenes Geschlecht resigniert. Ich hatte
keine einzige Hose im Schrank und lange Haare. Mit Mitte 20 habe ich eine
trans Frau kennengelernt. Sie hat zu mir gesagt: „Du weißt aber schon, dass
es auch trans Männer gibt?“
Wollten Sie immer schon Vater werden?
Ich fand Kinder immer cool, hatte das aber ausgeschlossen, weil sich mein
Horizont erst erweitern musste. Die Vorstellung, Mutter zu werden, war für
mich nicht stimmig, das wollte ich nie. Ich fühle mich heute dieser Gruppe
auch nicht zugehörig. Als ich lernte, dass ich natürlich Kinder kriegen
kann, ohne Mutter zu werden, war das für mich sofort eine ganz schöne Idee.
Sie haben mit Ihrer Transition gewartet, bis das Kind da war. Dann haben
Sie die noch einmal verschoben, weil Sie gestillt haben.
Ich wusste, das ist das Beste für mein Kind. Am Anfang war es aber schwer,
wir mussten das beide erst lernen. Stillen ist echt Arbeit.
Ja, auch bei Frauen wird oft angenommen, das ginge automatisch …
Genau, und es tat echt weh! Ich habe Respekt für Menschen, die so etwas
mehr als einmal machen.
Trotzdem haben Sie ein Jahr gestillt?
Ja. Erst dachte ich: vier Monate, dann ist Schluss. Dann: sechs Monate ist
besser. Und dann habe ich gemerkt, dass er es noch braucht und es uns
beiden auch guttut.
Und dann haben Sie sich dennoch entschieden, im Anschluss sofort die Brüste
entfernen zu lassen?
Überhaupt nicht. Ich habe sofort nach dem Abstillen Hormone genommen, aber
ich musste mich von meinen Brüsten verabschieden. Mir ist Wertschätzung
sehr wichtig, auch mit mir. Für mich war es wertschätzend zu sagen: Ihr
habt meinem Kind so viel gegeben, ich kann euch jetzt nicht sofort
entfernen lassen. Das Stillen war schön, das hat uns so gebunden. Ich will
nicht sagen, dass Leute, die nicht gestillt haben, keine gute Bindung zu
ihrem Kind haben. Aber es hat auf jeden Fall dazu geführt, dass ich noch
drei Jahre gebraucht habe, bis ich sie habe entfernen lassen.
Sie wollten also auch kein zweites Kind bekommen?
Nein, eins reicht mir. Ich hatte keine einfache Schwangerschaft und keine
einfache Geburt und die Dysphorie kam obendrauf. Mein Mann hätte gerne das
zweite Kind gekriegt. Leider ist er cis und kann das nicht.
War er neidisch?
Nein, das nicht. Er fand das schön, diese Beziehung zu sehen, die unser
Sohn und ich hatten. Dass ich unser Kind schon kannte. Also klar, er hat
auch mal die Hand aufgelegt und gekrault, aber das ist ja etwas anderes,
als es im Bauch zu haben und jede Bewegung mitzubekommen. Darüber rede ich
auch oft mit dem Kleinen. Kinder bekommen ist für uns alle immer noch ein
großes Wunder. Und wie viele cis Männer das gerne erleben würden, aber
nicht können? Ich glaube, das darf man nicht unterschätzen.
Kennen Sie andere trans Väter?
Ich habe trans Männer und nicht-binäre Menschen in der Beratung, die einen
Kinderwunsch haben. Auch trans Frauen, aber das ist ja eine andere
Baustelle. Und ich kenne ältere trans Personen, die Kinder bekommen haben
und später transitioniert haben.
Wie ist das für Ihren Sohn, wird er mit Ihrer Identität konfrontiert?
Für ihn ist klar, ich habe ihn geboren, weil ich derjenige war, der das
eben konnte. Aber im Kindergarten haben ihn andere Kinder so fies
angegriffen, weil er keine Mutter hat, und niemand hat ihm geholfen. Kinder
wollen bei anderen sehen, was sie kennen, weil das Sicherheit gibt. Darauf
hätte der Kindergarten reagieren müssen, aber das hat er nicht. Dabei würde
es allen helfen, wenn deutlich gemacht wird, dass Individualität erlaubt
und erwünscht ist. Es gibt in jedem Kindergarten bunte Familienmodelle mit
Kindern, die von den Großeltern großgezogen werden, es gibt
Alleinerziehende, Patchworkfamilien. Es wäre so schön zu sagen: Es gibt
nicht nur Vater, Mutter, zwei Kinder und den Collie.
War das in der Krippe besser?
Da war es super. Ich wollte übrigens eine Tagesmutter, aber der einzige
Platz, den wir bekommen haben, war bei einem Tagesvater.
Noch ein Mann …
Keine Sorge, eine sehr gute Freundin von mir war von Anfang an ganz viel
da, sie ist für meinen Sohn eine wichtige weibliche Bezugsperson, die er
sehr lieb hat.
Hatten Sie im ersten Jahr viel Kontakt zu anderen jungen Eltern?
Nein, leider sehr wenig. In unserem Freundeskreis gab es gar keine Kinder,
das passiert queeren Menschen immer noch sehr oft. Wir haben uns darum
bemüht, aber es fiel uns schwer, Teil solcher Elterngruppen zu werden.
Deshalb waren wir in der ersten Zeit ganz schön einsam.
Fragt Ihr Sohn überhaupt nach seiner Mutter?
Nein. Ich glaube, er hat verstanden, dass die Mütter meistens die sind, die
die Kinder kriegen. Und für ihn ist es eben so, dass in unserem Fall ich
das Kind bekommen habe.
Ich habe meinen Kindern erklärt, dass es Mädchen mit Penis gibt und Jungen
mit Vulva – ohne dass sie schon eine Person kennengelernt hätten, bei der
das so ist. Finden Sie das richtig?
Ich finde es schon gut zu sagen, dass der Großteil aller Mädchen keinen
Penis hat – aber dass es das auch gibt und dass manche den Penis behalten
wollen und andere, dass der sich verwandelt. Ich glaube, es ist immer gut,
sichtbar zu machen, dass Menschen vielfältig sind.
Als ich [1][Sie im März im Fernsehen gesehen] habe, ging es nicht in meinen
Kopf, dass ein Mann ein Kind geboren hat. Da hat etwas gehakt.
Bei mir gar nicht mehr. Das ist reine Gewohnheitssache. Deshalb wäre es ja
hilfreich, in einem Artikel mitzudenken, dass nicht nur Frauen zum Beispiel
Schwangerschaftsabbrüche haben können. Steter Tropfen höhlt den Stein –
ohne Überforderung der Leser*innen.
20 Jun 2021
## LINKS
[1] https://www.youtube.com/watch?v=lODQdygagBk
## AUTOREN
Eiken Bruhn
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