# taz.de -- Umstands- und Stillkleidung: Zwischen Rentnerbeige und Segelclub | |
> Die Industrie um Neugeborene verkauft alles und boomt. An leistbare | |
> Kleidung für Mütter denkt allerdings niemand. Übrig bleibt: beige und | |
> gestreift. | |
Bild: Wo fing das an, das mit dem Beige? | |
Ich hab mich schon immer gefragt, wann Menschen aufhören sich stilvoll oder | |
modisch zu kleiden. Klar, manche haben nie damit angefangen und viele | |
können es sich nicht leisten bei jedem Trend dabei zu sein, darum geht es | |
auch gar nicht. Ich meine: wann kommt es, dieses Rentnerbeige, die | |
Cargohosen und Funktionsjacken? Ist das eine bewusste Entscheidung – steht | |
man eines Tages auf und sagt: So, ab jetzt nur noch beige, braun, schwarz, | |
weiß, grau und mal an besonderen Tagen ein keckes Dunkelblau? Ist es | |
vielleicht sogar eine Form von Empowerment, zu sagen: Macht euren Modemist | |
alleine, ich kleide mich jetzt nur noch so, dass ich jederzeit in einen | |
Laubwald eintauchen kann wie ein Chamäleon? Oder wie läuft das? | |
Als ich letztens in der Umkleide einer großen Modekette stand und auf der | |
dringenden Suche war nach einer Hose, in der ich meinen Afterbabybody | |
verstauen kann, musste ich daran denken, wie wir uns als Teenies über die | |
Frauen in ihren Hochwasserhosen mit hohem Bund lustig gemacht haben – heute | |
nennt man die Mom Jeans. Absurd, fanden wir, dass man sowas freiwillig | |
tragen konnte. Da war ich also mit meinem Körper, der die | |
Schwangerschaftshosen nicht mehr oben halten will, aber in die alten | |
Klamotten nicht passt. Dieser Körper, der sich seit fünf Monaten anfühlt | |
als hätt ich ihn mir geliehen. Alles irgendwie fremd. Beim letzten Kind hat | |
es [1][ein über ein Jahr gedauert] bis ich mich wieder wie ich gefühlt | |
habe. | |
Ich versuche vergeblich in eine Mom Jeans in der größten hier verfügbaren | |
Größe zu schlüpfen und habe Schuldgefühle. Wir hatten ja keine Ahnung als | |
Teenies. Gleichzeitig musste ich lächeln ob der Ironie. Hier stehe ich in | |
der Umkleide, der Kinderwagen mit Baby halb drin und halb draußen, der | |
Vorhang hinter den Kinderwagen geklemmt. Es spielt | |
Beziehungsverarbeitungspopsongs, deren Interpreten ich nicht mal raten | |
könnte. Hier stehe ich und kriege meinen Momkörper nicht in diese Momjeans, | |
weil die in Wirklichkeit nicht für Moms gemacht sind. Verflucht nochmal. | |
Ich bin hier nicht mehr Zielgruppe. | |
Beim ersten Kind dachte ich noch, es läge an mir, dass ich keine schöne und | |
leistbare Umstands- und Stillkleidung finden konnte. Seit dem zweiten bin | |
ich recht sicher, dass es nicht an mir liegt. Die Modeindustrie | |
interessiert sich nicht für die Bedürfnisse vor und nach dem Gebären. Sonst | |
wäre nicht alles, was es zu kaufen gibt knalleng oder „shaping“. Aber ich | |
will kein „shaping“, ich will Luft zum Atmen und Platz zum Leben. | |
Es ist ein einziges Trauerspiel. Alles ist beige, braun, schwarz, weiß, | |
grau, dunkelblau. [2][Zum Stillen immer] dreilagig, ganz wunderbar bei | |
hormonellen Schweißausbrüchen. Muster gibt es nicht, wenn dann nur: | |
Querstreifen. Aber auf maritim. Irgendwo ist immer ein Anker drauf. Ich hab | |
nicht den blassesten Schimmer, was das soll. Vielleicht gibt es irgendwo | |
einen geheimen Segelclub für Stillende? Ich hab es inzwischen aufgegeben | |
und improvisiere mit Knöpfbarem. Etwas mühsam das Gefummel, aber immerhin | |
kein Rentnerbeige. | |
28 Sep 2021 | |
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## AUTOREN | |
Saskia Hödl | |
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