Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Sexismus im Handball: Zehn Zentimeter Stoff
> Norwegens Beachhandballerinnen haben gegen die Kleiderordnung protestiert
> und dafür Strafen kassiert. Der Verband besteht auf Bikinihöschen.
Bild: Wie lang muss die Hose sein? Das norwegische Beachhandballteam bei der WM…
Beachhandball ist eine merkwürdige Sportart. Der oft arg humorlose
Hallenkampfsport Handball möchte sich mit einer Strandvariante ein wenig
Coolness verschaffen. Angeblich gibt es schon 140 Verbände auf der Welt,
die Vierermannschaften auf den Strand stellen, auf dass sie einen Handball
ins gegnerische Tor werfen.
Bei den Olympischen Jugendspielen 2018 in Buenos Aires haben Buben und
Mädchen im Beachhandball um Medaillen gespielt. Der Internationale
Handballverband sähe seine neue Disziplin gerne im Programm der großen
Spiele 2028 in Los Angeles. Er möchte sie zum Hingucker machen. Knappe
Bikinis der Sportlerinnen sollen da wohl zum Erfolg beitragen.
Schon seit Monaten wehren sich Athletinnen gegen die Kleiderordnung, die in
den Regeln festgeschrieben ist. Nun muss Norwegens Verband eine Strafe
zahlen, weil die Spielerinnen es gewagt hatten, bei der Europameisterschaft
in Shorts zu spielen statt in knappen Bikinihöschen. Der Europäische
Handballverband sprach von „unangemessener Kleidung“.
## Nahaufnahme auf Brüste
Die hat nach den Regeln so auszusehen: „Frauen sollten Bikinis tragen. Das
Oberteil sollte ein eng anliegender Sport-BH mit tiefen Ausschnitten an den
Armen sein. Das Höschen darf an den Seiten nicht mehr als zehn Zentimeter
Tiefe haben.“ Wie die Geilheit männlicher Sportfunktionäre Einzug ins
Regelwerk von Sportarten hält, ist nicht ohne Vorbild.
Über einen sexualisierten Blick auf Sportlerinnen Publikum zu gewinnen, das
war einst auch die Idee hinter den Kleidervorschriften beim
Beachvolleyball. Da durfte der Steg an den Hosen sogar nur sieben
Zentimeter hoch sein. Jahrelang wurde über diese Regel gestritten, bis sie
2012 endlich gefallen ist. Die Handballfunktionäre werden kaum behaupten
können, dass sie nicht mitbekommen haben, wie die Diskussion im
Beachvolleyball verlaufen ist.
Die Sportart ist mit wissenschaftlichen Mitteln so intensiv vermessen
worden, dass sich eine Regel, wie sie die Handballer vorschreiben,
eigentlich schon lange verbieten würde. Ein Forscherteam der Universität
Alabama [1][hat TV-Bilder analysiert] und dabei herausgefunden, dass 20
Prozent der Nahaufnahmen auf die Spielerinnenbrüste gerichtet sind.
Dass Sportlerinnen den sexualisierten Blick auf ihren Körper als unangenehm
empfinden, hat im April die [2][deutsche Turnerin Sarah Voss zum Ausdruck
gebracht]. Manchmal habe sie sich fast nackt gefühlt in den knappen
Anzügen, in denen die Turnerinnen für gewöhnlich an den Geräten turnen. Ihr
Auftritt in einem knöchellangen Turnanzug war das Gesprächsthema bei der
Turn-EM in Basel.
## Von Röckchen und Pailletten
„Ich glaube, die meisten wissen gar nicht, dass wir lang tragen dürfen“,
sagte damals Bundestrainerin Ulla Koch, die ihre Athletin beim Einsatz für
ein langbeiniges Trikot unterstützt. Selbst wenn es keine Regeln gibt,
werden Frauen nur zu oft in allzu knappen Sportklamotten in die Arenen
geschickt. Das knappe Tennisröckchen, das einen Blick auf den Schlüpfer
freigibt, gehört zur sexualisierten Tradition im Frauensport ebenso wie das
paillettendominierte Nachtcluboutfit, in dem viele Eiskunstläuferinnen ihre
Pirouetten drehen.
Dabei liegt die Frage nahe, inwieweit sich Trainer und Funktionäre
überhaupt in Fragen des Outfits einmischen sollten. Warum sollten Frauen
nicht anziehen können, was sie wollen, wenn sie um Medaillen oder
Platzierungen kämpfen? Im Beachvolleyball hat sich die Kleiderordnung auch
deshalb überlebt, weil Sportlerinnen aus muslimischen Ländern, die mit
knöchellangen Leggins und Hidschab antreten, den Sport für sich entdeckt
haben.
Das Recht auf freie Wahl der Sportklamotten wird übrigens auch in die
andere Richtung ausgefochten. Als die deutschen Beachvolleyballerinnen
Karla Borger und Julia Sude im Februar hörten, dass beim Weltcup in Katar
knielange Hosen vorgeschrieben sind, haben sie das Event boykottiert. Sie
wollten unbedingt in solchen Sportbikinis spielen, gegen die Norwegens
Beachhandballerinnen nun aufbegehrt haben. Beide Auseinandersetzungen haben
eines gemeinsam: Sie richten sich gegen eine Welt, in der Männer die Regeln
für Frauen festlegen.
20 Jul 2021
## LINKS
[1] https://www.tandfonline.com/doi/abs/10.1300/J057v13n01_04
[2] /Europameisterschaften-im-Turnen/!5762511
## AUTOREN
Andreas Rüttenauer
## TAGS
Sexismus
Sport
Frauen-Handball
GNS
IG
IG
Nike
Kolumne Press-Schlag
Frauen-Fußball-WM 2023
Beachvolleyball
Handball
Handball-WM
Schwerpunkt Rassismus
Diversity
Sexualisierte Gewalt
Sexualisierte Gewalt
Turnen
## ARTIKEL ZUM THEMA
Sexismus und die US-Leichtathletik: Das bisschen Höschen
Nike und das Team USA haben die Olympia-Dresses vorgestellt. Und fangen
sich Vorwürfe für diesen „halben Tanga“ ein.
Deutscher Frauensport: Ausnahmsweise im Fernsehen
Die deutschen Handballerinnen haben es nicht nur zu den Olympischen Spielen
nach Paris, sondern auch ins TV geschafft. Sensationell!
Fußballspielerinnen mit Sporthidschab: Umkämpftes Textil
Der Hidschab der Marokkanerin Nouhaïla Benzina wird zum Hingucker der WM.
Dabei gehört er längst zum Sport – außer in Frankreich.
Konflikt im deutschen Volleyballverband: Folgenreiche Querelen
Nach der erfolglosen Beachvolleyball-EM kündigt Cheftrainer Jürgen Wagner
seinen Job. Er beklagt recht deutlich die Missstände im deutschen Verband.
Handballerinnen von Borussia Dortmund: Meisterinnen ohne Lobby
Die Handballerinnen von Borussia Dortmund spielen zwar in der Champions
League, erhalten aber nur wenig Unterstützung. Es fehlt an Wertschätzung.
Deutsches Schlüsselspiel bei Handball-WM: Der Zukunft zugewandt
Die deutschen Handballerinnen treffen am Dienstag im WM-Viertelfinale auf
Gastgeber Spanien. Auf dem Spiel lasten hohe Erwartungen.
taz-Themenwoche zu Kulturkampf: Im Zeichen des Regenbogens
Ein kleines Sternchen kann gestandenen Mannsbildern die Zornesröte ins
Gesicht treiben. Die taz widmet dem Kulturkampf eine Themenwoche.
Sportlerinnen in den Medien: Turnen statt Boxen
Frauen, die Spitzensport machen, sind in den Medien unterrepräsentiert.
Wenn sie zu sehen sind, dann eher passiv und in kontaktarmen Disziplinen.
Aktion gegen sexualisierte Gewalt: „Ich bin Fußballerin, kein Objekt“
Der Fußballklub Berolina Mitte veranstaltet ein Laufevent gegen
sexualisierte Gewalt im Sport. Katharina vom Dahl ist eine der
Initiatorinnen.
Gewalt gegen Sportler:innen: Wie wäre es mit einer Strategie?
Im Kampf gegen physische, psychische und sexualisierte Gewalt gehen
Athletenvertreter:innen in die Offensive. Der DOSB hat Vorbehalte.
Europameisterschaften im Turnen: Gegen das Gefühl der Nacktheit
Turnerin Sarah Voss zieht im Ganzkörperanzug die Blicke auf sich. Die
jüngsten Misshandlungsvorwürfe werfen einen Schatten auf die EM.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.