| # taz.de -- Handballerinnen von Borussia Dortmund: Meisterinnen ohne Lobby | |
| > Die Handballerinnen von Borussia Dortmund spielen zwar in der Champions | |
| > League, erhalten aber nur wenig Unterstützung. Es fehlt an Wertschätzung. | |
| Bild: Für die solventere Konkurrenz interessant: Dortmunds Nationalspielerin A… | |
| Dortmund taz | Pünktlich um kurz vor acht stehen Madita Kohorst und ihre | |
| Teamkolleginnen wie gewohnt vor ihrer Halle. Aber die ist verschlossen und | |
| der Hausmeister macht nicht auf. „Es war natürlich nicht schön, umsonst so | |
| früh aufgestanden zu sein“, sagt Kohorst, „ich kenne das eigentlich auch | |
| so, dass der Trainer einen eigenen Schlüssel hat.“ Kein Wunder, schließlich | |
| spielt die Handballerin nicht in der Kreisliga, sondern in der Bundesliga | |
| beim amtierenden Deutschen Meister Borussia Dortmund. Als Zeichen der | |
| Wertschätzung durfte sich das Team dafür in das Goldene Buch der Stadt | |
| eintragen. Aber das war es dann auch mit der Anerkennung seitens der Stadt, | |
| meint Andreas Heiermann. Er leitet die Handballabteilung beim BVB. | |
| Bei dem konkreten Fall im Oktober habe sich der Verein zwar zu spät für die | |
| Halle gemeldet. „Aber wir spielen Bundesliga und trainieren dort neunmal in | |
| der Woche“, erklärt Heiermann, „da könnten wir auch einfach mal einen | |
| eigenen Schlüssel bekommen.“ Nach dem habe er die Stadt schon oft | |
| vergeblich gefragt. „Das ist einfach total frustrierend für uns“, sagt | |
| Heiermann. Der gebürtige Dortmunder leitet die Handballabteilung seit etwa | |
| 14 Jahren und war lange auch Sponsor. | |
| Handball für Frauen gibt es beim BVB schon seit 1926. Während die | |
| Männerhandballabteilung schon vor vielen Jahren eingestellt wurde, | |
| erspielten sich die BVB-Frauen kontinuierlich sportliche Erfolge. 1993 | |
| stiegen sie in die Bundesliga auf und blieben dort bis zur Saison | |
| 2007/2008. [1][In diesen letzten Jahren steckte der gesamte BVB in der | |
| größten Krise der Vereinsgeschichte.] Die Fußballabteilung hatte sich mit | |
| teuren Spielerkäufen und dem Stadionausbau verschuldet, zugleich blieb der | |
| sportliche Erfolg aus. So war auch für die Handballabteilung kein Geld mehr | |
| da. Doch die Abteilung wurde maßgeblich durch die Unterstützung von | |
| Unternehmern wie Andreas Heiermann gerettet. | |
| Um den Handball beim BVB zu erhalten, musste aber auch der Kader neu | |
| strukturiert und den begrenzten finanziellen Ressourcen angepasst werden. | |
| Diese Aufgabe übernahm Heiermann nun als Abteilungsleiter. Mit Erfolg. Seit | |
| 2015 spielen die Handballerinnen wieder Bundesliga, in der letzten Saison | |
| gewannen sie zum ersten Mal die Meisterschaft. | |
| ## Training in der Schulsporthalle | |
| Anders als die Fußballabteilung, die in Form einer Aktiengesellschaft vom | |
| Verein Borussia Dortmund ausgegliedert ist, ist die Handballabteilung Teil | |
| des Vereins. Sponsoring macht daher immer noch einen erheblichen Teil der | |
| Einnahmen für die Abteilung aus. Angaben über die Höhe des Etats machte der | |
| Verein auf taz-Nachfrage nicht. Er setze sich aus Geldern aus dem Verein | |
| Borussia Dortmund und Sponsorengeldern zusammen, erklärt Rupert Thiele, der | |
| stellvertretender Vorsitzender der Handballabteilung und zugleich auch | |
| selbst Sponsor ist. | |
| Zurück zur Dortmunder Trainingshalle. Dieses Mal drinnen. Mittlerweile ist | |
| es Dezember, Madita Kohorst ist gerade fertig mit dem Training und sitzt | |
| auf einer Bank. Die Mannschaft steht noch zusammen und quatscht. Eine | |
| Mitspielerin hat Kekse gebacken und verteilt sie. Es ist eine typische | |
| Schulsporthalle. Auf dem Kabinenboden liegen zerknüllte Papiertücher und | |
| das Klopapier auf den Toiletten ist aus. | |
| Kohorst fühlt sich wohl beim BVB, kennt aber auch andere Verhältnisse. Sie | |
| hat in der letzten Saison noch in Metzingen gespielt, vorher war sie beim | |
| VfL Oldenburg. „Bei allen Vereinen, bei denen ich bisher gespielt habe, hat | |
| der Bundesligahandball auch in der Stadt eine sehr hohe Priorität“, erzählt | |
| die Torhüterin, „aber hier ist natürlich Fußball die klare Nummer eins.“ | |
| „Das sind keine angemessenen Bedingungen für Handball auf so hohem Niveau“, | |
| findet Andreas Heiermann. Er macht sich Sorgen um den Verbleib seiner | |
| Spielerinnen. „Bei den großartigen Leistungen, die sie aktuell bringen, | |
| werden andere Clubs natürlich aufmerksam“, meint er. Dabei geht es zum | |
| Beispiel auch um die deutsche Nationalspielerin Alina Grijseels, Kapitänin | |
| beim BVB. Ihr Vertrag läuft zum Saisonende aus. „Unsere Spielerinnen sind | |
| alle Vollprofis. Aber damit sie zufrieden sind bei einem Verein, reicht | |
| Geld nicht aus“, sagt Heiermann, „und in Dortmund bekommen die Spielerinnen | |
| einfach nicht die Anerkennung und Wertschätzung, die sie verdienen.“ | |
| ## Suche nach einem Spielort | |
| Die Halle leert sich langsam. Kohorsts Teamkolleginnen kommen vorbei, um | |
| sich von ihr zu verabschieden. Kaum mehr als eine Handvoll Spielerinnen | |
| waren heute beim Training, denn viele sind [2][bei der Weltmeisterschaft in | |
| Spanien]. Eine Pause gibt’s für den Rest aber trotzdem nicht, schließlich | |
| stehen im Januar nicht nur Bundesligaspiele und die nächste DHB-Pokalrunde | |
| an, sondern auch ein Champions-League-Spiel. | |
| Der BVB empfängt das russische Team GK Rostow am Don. Nur wann und wo – das | |
| war lange nicht klar, denn an den möglichen Terminen war zunächst keine der | |
| beiden dafür tauglichen Hallen verfügbar. Für ein Champions-League-Spiel | |
| müssen bestimmte Voraussetzungen erfüllt sein. „Warum ist die Stadt da | |
| nicht flexibler?“, ärgert sich Heiermann, „wir spielen schließlich | |
| Champions League!“ | |
| Die Stadt Dortmund spricht auf Nachfrage der taz von einem | |
| „freundschaftlichen Miteinander“ mit dem BVB. Es sei immer gelungen, eine | |
| Verständigung zu erzielen. Nach längerem Hin und Her hat das letzlich auch | |
| für das Spiel gegen Rostow am Don geklappt: Weil eine andere | |
| Sportveranstaltung wegen Corona abgesagt wurde, kann das Spiel doch in der | |
| gewünschten Halle stattfinden. Anpfiff ist am 15. Januar um 18 Uhr (EHF-TV | |
| Livestream) in der Dortmunder Helmut-Körnig-Halle. | |
| 12 Jan 2022 | |
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| ## AUTOREN | |
| Marie Gogoll | |
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