# taz.de -- Bundesliga-Countdown (2): Hauptsache, investiert | |
> Wenn selbst die Bayern auf ihr Festgeldkonto pfeifen, werden | |
> Schuldenberge zur gängigen Kulisse. In der Liga wird Geld ausgegeben, bis | |
> das Minus steht. | |
Bild: Arm und Reich: Bayern-Manager Uli Hoeneß macht es sich neben einer Putzf… | |
Mittlerweile wird auch Uli Hoeneß ein wenig mulmig zumute, wenn er an die | |
Zukunft denkt. Da wurde der Manager von Bayern München jahrelang für sein | |
weitsichtiges Handeln gefeiert, galt als König seines Fachs, lästerte | |
leidenschaftlich über die internationale Konkurrenz mit ihren | |
Schuldenbergen, und jetzt erkennt er, dass seine Strategie der Vernunft | |
keinen Kritiker mehr besänftigt, wenn der Erfolg ausbleibt. "Die Leute | |
wollen heute nicht so sehr den seriösen Geschäftsmann haben, der schaut, | |
dass er die Finanzen alle in Ordnung hat, sie wollen eher Spektakel, sie | |
wollen Namen, sie wollen Unterhaltung, sie wollen sich berieseln lassen", | |
sagt er in einem Interview auf stern.de. Den meisten Fans und Journalisten | |
sei "ziemlich egal, ob wir Gewinne oder Verluste machen", ein pralles | |
Festgeldkonto ist eben am Ende unendlich weniger sexy als ein wild | |
entschlossen dribbelnder Franck Ribéry. | |
Zwar mache ihm diese Haltung "Angst", erzählt Hoeneß weiter, doch das | |
legendäre Münchner Depot mit den Ersparnissen hat er jetzt trotzdem | |
geschröpft. Rund 70 Millionen Euro haben die Bayern in Spieler investiert | |
und sich damit endgültig eingereiht in die Gruppe der Schuldenklubs aus der | |
Bundesliga. Offiziell ist der Klub zwar frei von Verbindlichkeiten, auch | |
auf dem Konto liegt noch ein mittlerer zweistelliger Millionenbetrag, doch | |
über ihre hundertprozentige Tochter Allianz-Arena München Stadion GmbH" | |
stehen auch die Bayern mit weit über 200 Millionen Euro in der Kreide. | |
Mit dem Finger auf Schalke (Schulden etwa 250 Millionen), Dortmund | |
(schätzungsweise 200 Millionen), den HSV (etwa 90 Millionen) oder Hertha | |
(45 Millionen) zu zeigen steht dem Münchner Mustermanager also längst nicht | |
mehr zu. Vielmehr hat Hoeneß als einer der letzten Spitzenfunktionäre | |
gelernt, mit Schulden zu leben. Nachdem der Schock über die Dortmunder | |
Finanzkrise abgeklungen ist und alle sehen konnten, dass selbst solch ein | |
Super-GAU zu bewältigen ist, haben die Klubs jetzt eine nie da gewesene | |
Rekordsumme in neue Spieler investiert. Wolfgang Holzhäuser, | |
Geschäftsführer von Bayer Leverkusen und Ligaverbandsfunktionär, sagt: "Die | |
Liga hat über Jahre hinweg den Gürtel enger geschnallt und nun einen | |
gewissen Nachholbedarf." | |
Der alte Transferrekord aus der Saison 2001/2002 lag bei 153 Millionen | |
Euro, in diesem Sommer haben die 18 Bundesligisten schon jetzt knapp 170 | |
Millionen Euro für neues kickendes Personal ausgegeben. Und dieser Betrag | |
dürfte noch erheblich steigen, denn bei Klubs wie Hertha BSC Berlin oder | |
Schalke 04 liegen immer noch Millionenbeträge bereit, und die | |
Transferperiode währt noch bis zum 31. August. Zumindest die Großklubs mit | |
ihren gewaltigen Fanpotenzialen und einer praktisch unzerstörbaren | |
Markenkraft fühlen sich nach dem Schrecken der Kirch-Krise erstmals wieder | |
sicher. | |
Die kleineren Vereine sind da in einer deutlich weniger komfortablen Lage. | |
Der Karlsruher SC und Energie Cottbus müssen mit Etats von unter 15 | |
Millionen Euro auskommen, an diesen Standorten können schon 10 Millionen | |
Euro Schulden die gesamte Existenz gefährden. "Der neue Verteilerschlüssel | |
für die Fernsehgelder, der erstmals zur Anwendung kam, hat die Schere | |
zwischen Arm und Reich spürbar auseinandergehen lassen", sagt Ansgar | |
Schwenken, der Finanzvorstand des VfL Bochum. Er glaubt, es gebe "Klubs, | |
die am Rande des wirtschaftlichen Schadens wandeln und sich darauf | |
verlassen, dass Politik und Wirtschaft, die vielleicht ohnehin schon in den | |
Verein investiert haben, sagen: Bevor alles verlorengeht, legen wir lieber | |
noch einmal nach." | |
So kann etwa Borussia Dortmund längst wieder Summen in Spieler investieren, | |
die in Nürnberg, Cottbus oder Bochum trotz Schuldenfreiheit undenkbar | |
wären. "Sinnvoll sind da die Überlegungen bei der DFL, im | |
Lizenzierungsverfahren nicht nur die Liquidität für eine Saison, sondern | |
auch die mittelfristige Perspektive einzubeziehen", sagt Schwenken. | |
Und natürlich gibt es auch Werder Bremen, den VfB Stuttgart oder den 1. FC | |
Nürnberg, die schuldenfreien Musterschüler der Branche, Klubs, die das | |
Glück hatten, dass ihr Stadion öffentlich finanziert wurde, was ein enormer | |
Vorteil ist. Doch insgesamt beobachtet Uli Hoeneß einen zunehmenden Druck, | |
mehr zu investieren, als eingenommen wird, und wenn das "auf Dauer die | |
Politik ist, dann wird es gefährlich", sagt er. Hoeneß weiß sehr genau, | |
dass allein die neue Situation auf dem Pay-TV-Markt äußerst bedrohliche | |
Szenarien bereithalten könnte. | |
9 Aug 2007 | |
## AUTOREN | |
Daniel Theweleit | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Bundesliga-Countdown (2): Wenn der Ökotrophologe kommt | |
Die in den Vereinen grassierende Übungsleiterinflation deutet auf eine | |
Kulturrevolution im deutschen Fußball hin. | |
Bundesliga-Countdown (3): Dick dabei | |
Die Vereine waren wie im Kaufrausch. Aber haben sich Starpotenzial und | |
Qualität der Liga wirklich verbessert? | |
Bundesliga-Countdown (4): Bunter Allesfresser Fan | |
Kaum rollt der Fußball in den Stadien, sind die Massen elektrisiert. Und | |
zwar nicht nur die Mainstream-Fans - auch die skeptischen Fußballfreunde | |
beißen wieder an. |