Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Sportlerinnen in den Medien: Turnen statt Boxen
> Frauen, die Spitzensport machen, sind in den Medien unterrepräsentiert.
> Wenn sie zu sehen sind, dann eher passiv und in kontaktarmen Disziplinen.
Bild: Gibt's nicht nur als männliche Disziplin: die deutsche Gewichtheberin Sa…
Es kommt nicht allzu oft vor, dass Sportverbände als Vorkämpfer für
Gleichberechtigung in Erscheinung treten. Kurz vor Beginn der Olympischen
Spiele aber setzte [1][der Deutsche Olympische Sportbund (DOSB)] zur
Medienkritik an. In der viel beachteten Kampagne #ShowUsEqual fordert er
eine „ausgewogene und gleichwertige Sportberichterstattung – ohne
stereotype und diskriminierende Darstellungen von Sportlerinnen in Wort und
Bild“.
Ganze 10 Prozent der sportmedialen Aufmerksamkeit, so der DOSB, gehen
außerhalb von Großereignissen wie Olympia an sporttreibende Frauen. Nur 4
Prozent der Mädchen zwischen 6 und 13 Jahren hätten ein Vorbild im Sport,
im Gegensatz zu 42 Prozent der Jungs im selben Alter. Für die Sportlerinnen
seien mit der medialen Unsichtbarkeit deutlich geringere Einnahmen
verbunden.
Es ist ein Thema mit mindestens zwei Ebenen. Viele Studien kommen zu dem
Schluss, dass Frauen als Protagonistinnen höchstens [2][15 Prozent der
Sportberichterstattung erhalten]. Die Sporthochschule Köln stellt eine
leichte Verbesserung fest und prognostiziert, dass es bei dem aktuellen
Tempo 130 Jahre dauern wird, bis über Männer und Frauen im Sport gleich oft
berichtet wird.
Das hat auch mit der Zusammensetzung der Redaktionen zu tun. Der alte Witz,
dass im Sport „Männer für Männer über Männer“ berichten, stimmt weiter…
Der Verband Deutscher Sportjournalisten, der seinen Titel
bezeichnenderweise nicht gendert, schätzt den Anteil der Frauen in der
Branche auf etwa 10 Prozent. Auf ähnlichem Level pendelte er schon 2004.
Und viele von ihnen sind normschöne Moderatorinnen oder Field-Reporterinnen
statt Journalistinnen, die etwa Taktik analysieren.
## Systematischer Ausschluss
Mindestens genauso problematisch sind die Inhalte. Die [3][Sportsoziologin
Bettina Rulofs schreibt], dass es zwar Hinweise auf eine Verbesserung gebe,
Männer aber weiterhin viel in stereotyp aggressiven Sportarten wie Boxen,
Fußball oder Motorsport gezeigt würden, Frauen dagegen in Sportarten ohne
gegnerischen Kontakt wie Schwimmen, Turnen oder Tennis, die auch bestimmte
weibliche Körperbilder vermitteln. Männer würden stärker in aktiven
Situationen gezeigt, Frauen eher passiv. Immerhin würden sportliche
Leistungen mittlerweile laut jüngeren Studien gleich hervorgehoben.
Durch die neue feministische Welle kommt das Thema sehr allmählich in den
Sportmedien an, der Sexismus ist weniger krass als früher. Und dennoch:
[4][In einer aktuellen SWR-Umfrage] beklagten 26 Prozent der befragten
Spitzensportlerinnen, sie würden von den Medien weniger ernst genommen, 14
Prozent nannten sexistische Berichterstattung – und ein Drittel berichtete,
für die eigene Karriere spiele das Aussehen eine wichtige Rolle.
Und es gibt eine zweite Ebene, denn dass gerade der DOSB sich zum
feministischen Vorreiter aufschwingt, ist auch ein wenig wohlfeil. Es gibt
Gründe, warum die Darstellung der Sportlerinnen so ist. Die aktuellen
Olympischen Spiele sind die ersten geschlechterparitätischen Spiele
überhaupt. Was die Verbände gerade feiern, ist ein Armutszeugnis. Seit
Sportverbände den Ton angeben, also etwa seit Ende des 19. Jahrhunderts,
wurden Frauen systematisch ausgeschlossen.
Über Jahrzehnte, teils ein Jahrhundert, verweigerte man ihnen bei Olympia
schlicht die Teilnahme. Die Sportarten, die Frauen gerne betreiben durften,
waren vor allem kontaktarme Sportarten der Oberschicht wie Tennis und
Schwimmen – die immer noch vorwiegend bei Frauenwettkämpfen in den Medien
gezeigt werden. Boxen wurde für Frauen in Deutschland etwa erst in den
Neunzigern legalisiert. Und erst 2012 wurde es olympisch. Durch die so
entstandene Machokultur klicken sich Texte über Frauensport kaum, was
wiederum Medien nicht dazu motiviert, sie zu schreiben.
## Vorschriften für knappe Höschen
Auch wenn es mittlerweile kaum mehr direkte Verbote gibt, nutzen die
Verbände ihre Macht über Sportplätze und Veranstaltungsdaten,
[5][Vorschriften für knappe Höschen] oder Testosteronwerte, um zu
bestimmen, welche Frauen wie Sport treiben dürfen. Bei der Siegerehrung
gebührt den Männern der krönende Abschluss. Unabhängige Frauenverbände
wurden stets nach Kräften verhindert.
Der DOSB ist tendenziell bemühter als andere; er hat etwa ein paritätisch
besetztes Präsidium und seit 2014 eine 30-Prozent-Quote für seine Gremien.
In [6][seinen Mitgliedsorganisationen] sieht das jedoch ganz anders aus.
Und in der SWR-Umfrage berichteten 77 Prozent der Spitzensportlerinnen, sie
würden überwiegend von Männern trainiert. Sportverbände und Sportmedien
funktionieren ähnlicher, als es beide gerne hätten.
25 Jul 2021
## LINKS
[1] /Deutscher-Olympischer-Sportbund/!5773246
[2] https://www.zeit.de/sport/2018-04/frauen-spitzensport-ungleichheit-sexismus
[3] https://core.ac.uk/download/pdf/229004241.pdf
[4] https://www.swr.de/sport/frauen-im-sport/swr-umfrageergebnisse-spitzensport…
[5] /Sexismus-im-Handball/!5781778
[6] https://cdn.dosb.de/user_upload/Frauen_und_Gleichstellung/Gleichstellungsbe…
## AUTOREN
Alina Schwermer
## TAGS
Diversity
Frauensport
Sexismus
Gleichberechtigung
Schwerpunkt Olympische Spiele 2024
Schwerpunkt Olympische Spiele 2024
Volleyball
Sportförderung
Sexismus
Schwerpunkt Olympische Spiele 2024
Frauensport
## ARTIKEL ZUM THEMA
Sichtbarkeit von Sportlerinnen: Und nun zu den Nachrichten
Die Präsenz von Sportlerinnen im TV ist trotz Aufwärtstrend gering. Olympia
kann mit erstmaliger Geschlechterparität die Zahlen etwas aufbessern.
Volleyballchef über SC Potsdam: „Die Chance müssen wir nutzen“
Die Volleyballerinnen vom SC Potsdam spielen überraschend um den deutschen
Meistertitel. Sportdirektor Rieger erklärt, worum es jetzt geht.
Hadernde AthletInnen: Das Leiden am Sport
Wie zufrieden sind SpitzensportlerInnen in Deutschland? Die Sporthochschule
Köln hat das untersucht. Viele beklagen vor allem ein Manko.
Sexismus im Handball: Zehn Zentimeter Stoff
Norwegens Beachhandballerinnen haben gegen die Kleiderordnung protestiert
und dafür Strafen kassiert. Der Verband besteht auf Bikinihöschen.
Deutscher Olympischer Sportbund: Erstaunliche Diskrepanz
Die Ethikkommission des DOSB stellt Präsident Hörmann nach Untersuchung
vieler Vorwürfe ein schlechtes Zeugnis aus. Sie rät zu Neuwahlen.
Kolumne Pressschlag: Frauen sind nur als Opfer ein Hit
In der Berichterstattung über Sportlerinnen fehlt eines: der Sport selbst.
Dafür verkaufen sich anklagende Texte über sportelnde Frauen super.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.