# taz.de -- Volleyballchef über SC Potsdam: „Die Chance müssen wir nutzen“ | |
> Die Volleyballerinnen vom SC Potsdam spielen überraschend um den | |
> deutschen Meistertitel. Sportdirektor Rieger erklärt, worum es jetzt | |
> geht. | |
Bild: Schlagkräftig: die Potsdamerin Anett Németh unter den Augen von Trainer… | |
taz: Herr Rieger, am Dienstag hat der SC Potsdam nicht nur überraschend, | |
sondern mit 3:0 Sätzen auch deutlich beim Favoriten MTV Stuttgart die erste | |
Partie der Finalserie gewonnen. Dieses Kunststück hat das Team in der | |
Hauptrunde schon einmal vollbracht. Was bedeutet dieser Erfolg? | |
Stuttgart ist immer noch Favorit, aber wir wissen auch, wie es geht. In der | |
Hauptrunde hat noch jeder gesagt, Stuttgart habe ja wegen der vielfachen | |
Belastung ein, zwei Spielerinnen geschont. Am Dienstag haben wir taktisch | |
einfach sehr gut gespielt. | |
Stuttgart hat mit geschätzten zwei Millionen Euro in etwa einen doppelt so | |
hohen Etat wie Potsdam. Wie lässt sich diese Kluft schließen? | |
Stuttgart ist derzeit der finanzstärkste Verein in Deutschland. Am Ende | |
muss man das aber aufs Feld bringen. Dass sie das können, haben sie diese | |
Saison oft genug bewiesen. Wir haben nur die Mittel, die uns zur Verfügung | |
stehen. Aber natürlich müssen wir die steigern. | |
Wie sehr hilft dabei der erstmalige Einzug in die Finalserie? | |
Wenn wir es jetzt nicht schaffen, den Etat ein deutliches Stück zu erhöhen, | |
dann weiß ich auch nicht. Die Chance müssen wir jetzt nutzen, um auch die | |
ein oder andere Spielerin nach Potsdam für die kommende Saison zu locken. | |
Vielleicht auch für nicht allzu viel Geld, weil viele Spielerinnen in die | |
Champions League wollen. Damit wäre man interessant. | |
[1][Seitdem der SC Potsdam 2009] in die 1. Bundesliga aufgestiegen ist, | |
geht es Schritt für Schritt nach oben. Es scheint, Erfolg ist planbar. | |
Nein, das glaube ich nicht. Unser Erfolg zuletzt hängt viel mit dem | |
Trainerteam um Guillermo Naranjo Hernández zusammen, das ja auch beim | |
griechischen Nationalteam zusammenarbeitet. Das Training, die Struktur, das | |
Scouting, alles stimmt. Wir spielen seit 2018 relativ schnellen Volleyball, | |
wie wir es die Jahre davor nicht gemacht haben. Es ist ein ganz anderes | |
Konzept, mit dem wir es neben Stuttgart, [2][Schwerin] und Dresden unter | |
die ersten vier geschafft haben. | |
Scouting ist ein gutes Stichwort. Sie haben sich vor der Saison mit | |
Spielerinnen aus Ungarn, Italien, den USA, der Schweiz, Serbien und | |
Griechenland verstärkt. Warum hat der SC Potsdam einen so guten Überblick? | |
Der große Vorteil ist, dass unser Trainerteam beste Kontakte [3][in die | |
Volleyballwelt] hat. Dass sie ganz viele Videos und Statistiken anschauen | |
und natürlich auch danach entscheiden, was finanziell möglich ist. Wir | |
können nicht so viel ausgeben wie andere Vereine. Anett Németh zum Beispiel | |
ist ungarische Nationalspielerin, hatte aber vor anderthalb Jahren einen | |
Kreuzbandriss. Das ist für uns ein Risiko gewesen, aber wir haben auf sie | |
gesetzt, weil sie ein Megatalent ist. Oder Anastasia Cekulaev … | |
… die für viele das größte deutsche Volleyballtalent ist. | |
An ihr waren auch finanzstärkere Vereine wie Dresden und Schwerin | |
interessiert. Wir haben viel mit ihr gesprochen. Ein Vorteil war | |
sicherlich, dass sie beim Probetraining bei uns war und das Trainerteam | |
kennen gelernt hat. Dass sie sich als 18-Jährige so schnell entwickelt und | |
in ihrer ersten Saison Stammspielerin wird, war auch nicht planbar. | |
Im Vergleich zu Stuttgart, Dresden und Schwerin ist Potsdam auch bei den | |
Zuschauerzahlen noch schwächer aufgestellt. | |
Die Leute kommen, wenn Erfolg da ist. Hat man mal einen Titel geholt und | |
lässt etwas nach, kommen die Leute auch noch. 2019/20 haben wir eine sehr | |
gute Saison gespielt und gesehen, wie die Zuschauerzahlen in der Saison | |
stetig angestiegen sind. Die Coronapandemie hat uns in der Entwicklung dann | |
zurückgeworfen. Was den Publikumszuspruch angeht, sind wir aber die | |
erfolgreichste Frauenliga in Deutschland. Wir haben mehr Zuschauer als die | |
Fußballerinnen und auch mehr als Männer in der Volleyball-Bundesliga. | |
Im internationalen Vergleich schaut es nicht gut aus. Warum hat es der | |
Frauensport hier so schwer? | |
In Italien oder in der Türkei sind die Firmen eher bereit, Geld zu | |
investieren. Das erhöht die Qualität und die Spannung. Wenn man in der | |
Türkei Spiele besucht, da brennt die Halle. Man muss in Deutschland mehr an | |
das Produkt Frauensport glauben. Da fehlt es bislang noch an Mut. Wir | |
können einen genauso attraktiven und tollen Sport bieten wie die Männer. | |
Das hat man auch am Dienstag gesehen. | |
28 Apr 2022 | |
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## AUTOREN | |
Johannes Kopp | |
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