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# taz.de -- Polnische Bürgerplattform: Partei mit Imageproblem
> Die polnische Bürgerplattform setzt auf Donald Tusk. Mit ihm will sie die
> regierende nationalkonservative PiS von der Macht drängen.
Bild: Donald Tusk ist zurück und soll die Partei retten
Warschau taz | Die liberalkonservative Bürgerplattform (PO) hat ihre
Führung umgebaut. Auf dem Parteitag am Samstag hat sie Donald Tusk zum
kommissarischen Parteichef gewählt. Der [1][64-jährige polnische
Vollblutpolitiker] kehrt damit zurück in die Partei- und Landespolitik
Polens.
Dazu mussten zwei Personen zurücktreten: Borys Budka, der erst vor
eineinhalb Jahren angetretene PO-Parteichef, und Ewa Kopacz, die
Nachfolgerin Donald Tusks als Premier Polens, als dieser 2014 in Richtung
Brüssel entschwand. Kopacz hatte zwar die Parlamentswahlen 2015 verloren,
gehörte aber bis zur Rückkehr Tusks nach Warschau dem Leitungsgremium der
Partei an.
Ein langes Gesicht machte auch Warschaus beliebter Oberbürgermeister Rafał
Trzaskowski als Tusk nun plötzlich wieder vor der Tür stand. [2][Der
49-Jährige hätte bei der Präsidentenwahl im Juli 2020 fast über Andrzej
Duda gesiegt] und hatte sich selbst Hoffnungen auf den Posten des PO-Chefs
gemacht.
Er wollte sogar eine eigene Jugendorganisation hochziehen, die moderner und
klimafreundlicher als die alte PO sein sollte und die den in Polen
diskriminierten Frauen, LGBT-Menschen und Immigrant:innen wieder mehr
Rechte zubilligen sollte. Sein Problem: Die Älteren in der Partei
torpedierten sein Projekt. Und jetzt scheiterte er auch noch am alten und
wieder neuen Parteichef Tusk.
## Tusk kennt die Herausforderungen
In den letzten Jahren verlor die PO durch politische Fehlentscheidungen und
eine fatale Personalpolitik immer wieder wertvolle Mitglieder und schaffte
es auch nicht, PO-nahe Politiker:innen an sich zu binden. Das weiß
Tusk. Eine seiner vordringlichsten Aufgaben besteht nun darin, allen in der
Partei wieder ein Zugehörigkeitsgefühl und eine Perspektive zu geben.
Trzaskowski könnte in ein paar Jahren in Tusks Fußstapfen treten und dann
auch Premier Polens werden. Tusk wird sich um ihn bemühen müssen, sonst
schließt er sich möglicherweise der jungen Konkurrenzpartei „Polen 2050“
an, die die PO bereits in der Wählergunst überholt hat.
Wichtig ist auch die EU-Abgeordnete Róża Thun aus Krakau, die ein
langjähriges PO-Mitglied war und erst kürzlich – als die PO gegen den
polnischen Corona-Aufbaufonds stimmte – enttäuscht ihr Parteibuch
zurückgab. Tusk kennt die beliebte und erfolgreiche EU-Politikerin seit
Jahren, auch aus Brüssel. Sie zurückzuholen wäre wichtig für die Zukunft
der PO und ihr Image als EU-freundliche Partei.
Wenn Tusk den seit sieben Jahren in Polen regierenden Nationalpopulisten
von der „Recht und Gerechtigkeit“ (PiS) tatsächlich Kontra geben will,
darf er sich anders als Borys Budka nicht im Klein-Klein vieler Ideen
verlieren, die von der Propagandamaschine der PiS regelmäßig plattgewalzt
wurden. Wie das geht, hat Tusk in Brüssel gelernt, wo es zu seinen
vordringlichsten Aufgaben als Ratspräsident gehörte, strittige Themen so
vorzubereiten, dass auf den Gipfeln einstimmig oder mit qualifizierter
Mehrheit abgestimmt werden konnte.
## Über die Wähler:innen lustig gemacht
Der Danziger, der der Minderheit der Kaschuben angehört und noch mit den
Großeltern deutsch sprach, erlebte als 13-Jähriger die blutige
Niederschlagung der Arbeiterstreiks von 1970 an der Ostsee durch die
Kommunisten mit. Das prägte ihn fürs Leben. Er schloss sich in den 80er
Jahren der Gewerkschaft Solidarność an und gründete nach der politischen
Wende 1989 seine erste Partei, den Liberal-Demokratischen Kongress, und
2001 mit der Bürgerplattform seine zweite. Mit ihr gewann er 2007 und 2011
die Parlamentswahlen.
[3][Die Abhör- oder „Kellneraffäre“ 2013 und 2014] zerrüttete das Vertra…
in die PO so sehr, dass die einst mächtige Partei auf heute gerade noch 16
Prozent Zustimmung absackte. Die PO-Politiker:innen hatten ihre Gespräche
bei Arbeitsessen in teuren Restaurants mit derben Kraftausdrücken und
Flüchen gespickt und sich darüber hinaus über die Wähler:innen lustig
gemacht. Das kam nicht gut an. Tusk muss dafür sorgen, dass dieser Skandal
die Zukunft der PO nicht mehr belastet.
4 Jul 2021
## LINKS
[1] /Postenverteilung-in-der-EU-Kommission/!5605361
[2] /Andrzej-Duda-gewinnt-in-Polen-Stichwahl/!5694762
[3] /Abhoeraffaere-in-Polen/!5569483
## AUTOREN
Gabriele Lesser
## TAGS
Polen
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