# taz.de -- Budgetkrise in der EU: Am besten „aussitzen“ | |
> Nach dem Veto Ungarns und Polens gegen den EU-Haushalt muss der deutsche | |
> Ratsvorsitz einen Weg aus der Blockade finden. Nur wie? | |
Bild: Italien ist schwer von Corona betroffen und wartet ungeduldig auf Hilfsge… | |
BRÜSSEL taz | Es ist das wichtigste Vorhaben des deutschen EU-Vorsitzes: | |
Ein 750 Milliarden Euro schwerer Aufbaufonds soll Europa helfen, die | |
wirtschaftlichen Folgen der Coronakrise zu bewältigen. Doch nun ist der | |
Corona-Hilfsfonds blockiert – genau wie das künftige, rund 1 Billion Euro | |
schwere EU-Budget. | |
Ungarn und Polen haben ihr Veto eingelegt, um einen neuartigen | |
Rechtsstaatsmechanismus zu verhindern, nach dem EU-Gelder bei Verstößen | |
gegen rechtsstaatliche Prinzipien künftig gekürzt werden könnten. „Jetzt | |
ist nicht die Zeit für Vetos“, reagierte Europa-Staatsminister Michael Roth | |
am Dienstag in Brüssel – doch die Blockade hält an, die EU schlittert in | |
die Krise. | |
Wie geht es jetzt weiter? | |
Das muss der deutsche EU-Vorsitz und damit letztlich Kanzlerin Angela | |
Merkel entscheiden. Merkel trifft sich am Donnerstag mit ihren Amtskollegen | |
zu einem virtuellen EU-Gipfel. Eigentlich soll es um die Coronapandemie | |
gehen – doch nun rückt die Budgetkrise in den Vordergrund. Die Kanzlerin | |
dürfte Ungarns Premier Viktor Orbán und den polnischen Ministerpräsidenten | |
Mateusz Morawiecki an ihre Verantwortung erinnern. Vor allem Italien und | |
Spanien warten ungeduldig auf Finanzhilfen. Eine Lösung wird am Donnerstag | |
aber noch nicht erwartet. | |
Welche Rolle hat Merkel bisher gespielt? | |
Die Kanzlerin hat sich zurückgehalten und das Streitthema Rechtsstaat | |
weitgehend gemieden. Beim EU-Gipfel im Juli, der das strittige Finanzpaket | |
ausgehandelt hat, spielte der Rechtsstaat nur eine Nebenrolle, Merkel hielt | |
sich im Hintergrund und nannte keine Details. Die Vorlage des | |
Rechtsstaatsmechanismus und die Verhandlungen mit dem Europaparlament | |
überließ sie ihrem EU-Botschafter Michael Clauß, was zu Unmut bei vielen | |
Abgeordneten führte. Auch nach dem Veto von Ungarn und Polen am Montag | |
hielt sich die CDU-Politikerin bedeckt – und schickte ihren | |
Europa-Staatsminister vor, der der SPD angehört. | |
Welche Optionen werden in Brüssel diskutiert? | |
Als Favorit gilt die Option „aussitzen“. Je mehr Zeit verstreicht, so die | |
Hoffnung, desto größer werde der Druck auf Orbán und Morawiecki, | |
einzulenken. Schließlich steht mit der Blockade ja auch das EU-Geld für | |
Ungarn und Polen auf dem Spiel. Zudem dürften die Südländer bald unruhig | |
werden. Mitten in der schlimmsten Wirtschaftskrise der EU-Geschichte könne | |
es sich niemand leisten, Finanzhilfen zu verzögern, so das Kalkül. Ungarn | |
versucht jedoch, den Spieß umzudrehen. „Wir erwarten neue Vorschläge, die | |
mit den EU-Verträgen kohärent sind“, sagte der Sprecher der polnischen | |
Regierung, Piotr Muller. Dazu müsste der deutsche EU-Vorsitz den | |
Rechtsstaatsmechanismus aber noch einmal aufmachen. | |
Kann man den Rechtsstaatsmechanismus noch ändern? | |
Eigentlich nicht, denn er wurde von den EU-Staaten bereits mit | |
qualifizierter Mehrheit (ohne Ungarn und Polen) beschlossen. Auf der Suche | |
nach einem Kompromiss könnte der deutsche EU-Vorsitz allerdings auf seinen | |
ursprünglichen Vorschlag zurückkommen. Er ist im Vergleich zum schließlich | |
verabschiedeten Kompromiss mit dem Europaparlament wesentlich schwächer. So | |
können Rechtsstaatsverstöße nur dann geahndet werden, wenn sie unmittelbar | |
das EU-Budget bedrohen – was selbst in Ungarn kaum der Fall sein dürfte. | |
Zudem sind längere Fristen vorgesehen. | |
Welche Rolle spielt die Parteipolitik? | |
Offiziell keine. Doch hinter den Kulissen rumort es gewaltig – vor allem in | |
der konservativen Europäischen Volkspartei (EVP), der auch CDU und CSU | |
angehören. EVP-Chef Donald Tusk fordert den Rauswurf der ungarischen | |
Regierungspartei Fidesz. „Wer auch immer gegen das Prinzip des Rechtsstaats | |
ist, ist gegen Europa“, schrieb der liberale Pole auf Twitter. Er erwarte | |
von allen EVP-Parteien eine klare Position. Doch CDU und CSU sträuben sich. | |
„Ich glaube nicht, dass die blockierte Situation sich dadurch auflösen | |
lässt, dass man die Fidesz aus der EVP ausschließt“, sagte | |
CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt. Das würde den Konflikt nur noch | |
mehr anheizen. | |
17 Nov 2020 | |
## AUTOREN | |
Eric Bonse | |
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