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# taz.de -- LGBTQ-feindliche Regelungen in Ungarn: Budapest will Verfassung än…
> Viktor Orbáns Regierung kehrt mit ihrer Definition von Elternschaft und
> Geschlecht ins 19. Jahrhundert zurück. Das hatte sich schon länger
> angekündigt
Bild: Demo für LGBTQ-Rechte: die Gay Pride Parade im Juli 2018 in Budapest
Wien taz | In der ungarischen Verfassung sollen Definitionen von
Elternschaft und Geschlecht festgeschrieben werden, die sich gegen
homosexuelle Paare und Transgender-Personen richten. So soll es darin
heißen, dass „die Mutter eine Frau ist und der Vater ein Mann“. Das wurde
am Dienstag von Justizministerin Judit Varga in Form eines Entwurfs im
Parlament eingebracht. Der geplante Verfassungszusatz schreibt auch vor,
dass das Geschlecht eines Menschen zum Zeitpunkt seiner Geburt zu
definieren ist und unabänderlich bleibt.
Damit bleiben Änderungen des Geschlechts ausgeschlossen, ein „drittes
Geschlecht“, das sich der eindeutigen Zuordnung entzieht, ist im Ungarn von
Premierminister Viktor Orbán nicht vorgesehen. Ein schon im Mai
verabschiedetes Gesetz wird damit via Verfassung zementiert und der
Abschaffung durch künftige Regierungen de facto entzogen.
Diese familienpolitische Rückkehr ins 19. Jahrhundert [1][hatte sich schon
länger angekündigt]. Im vergangenen Oktober hatte Orbán öffentlich ein
neues Kinderbuch verurteilt. Es dekonstruiert bekannte Sagen und Märchen,
indem es sie mit Angehörigen von Minderheiten wie Roma, Behinderten, Armen
oder LGBT-Personen bevölkert. So ist Aschenputtel lesbisch und ein
Drachentöter transgender. „Lasst unsere Kinder in Ruhe“, schmetterte der
Premier den Herausgebern entgegen. Und eine regierungsnahe konservative
Familienvereinigung forderte den Buchhandel auf, das skandalisierte Werk
aus den Regalen zu nehmen.
Schon 2018 hatte Orbán das Studienfach Gender Studies von den Universitäten
verbannt. Das Musical „Billy Elliot“ mit der Musik von Elton John musste
von der Nationaloper abgesetzt werden, nachdem eine wütende Medienkampagne
das Werk als Propaganda für Homosexualität gegeißelt hatte. Mit unverhohlen
homophoben Argumenten sagte Ungarns Staatsfernsehen die Teilnahme am
jüngsten European Song Contest ab.
## Homosexualität ist in Orbáns Ungarn westliche Dekadenz
Homosexualität wird in Orbáns Ungarn mit westlicher Dekadenz gleichgesetzt.
Die staatsnahen Medien – also fast alle – bringen gerne Interviews mit
„geheilten“ Schwulen und treten damit der wissenschaftlich weitgehend
unumstrittenen Tatsache entgegen, dass die sexuelle Orientierung genetisch
angelegt ist.
2009 wurde in Ungarn die eingetragene Partnerschaft unabhängig vom
Geschlecht anerkannt. 2010 kam die politische Wende. Einer der Ersten, die
die homophobe Ideologie der nationalkonservativen Fidesz zu spüren bekamen,
war der in schwuler Lebensgemeinschaft lebende Regisseur Róbert Alföldi.
2013 wurde sein Vertrag als Intendant des Nationaltheaters vom
Kulturbeauftragten der Regierung Imre Kerényi mit der Begründung nicht
verlängert, dass es im Theater in Zukunft „nicht mehr um Schwuchteln“ gehen
solle, „sondern um Liebe, Ehre und Treue“.
Die neuen Verfassungszusätze stehen in offenem Widerspruch zur
EU-Grundrechtecharta, die den Schutz sexueller Minderheiten festschreibt.
Damit eröffnet Orbán eine neue Front in einem Dauerstreit mit Brüssel, der
ihm dazu dient, zu Hause den starken Mann zu spielen, der unerschrocken für
die ungarischen Werte eintritt. Den gerade im EU-Haushalt verankerten
Passus, der manche Förderungen mit der Einhaltung von Rechtsstaatlichkeit
verknüpft, hat er mit einer Vetodrohung bekämpft. Die Approbation des
Haushalts quittierte seine Propagandaabteilung mit der Mitteilung: „Jetzt
ist es offiziell: Die Europäische Union exekutiert den Soros-Plan.“
Der in Ungarn geborene [2][Milliardär George Soros], dessen liberale
Central European University vor Kurzem aus Ungarn gemobbt wurde, gilt Orbán
als Urheber alles Bösen und Autor eines angeblichen Plans, Europa mit
Flüchtlingen und Migranten zu überschwemmen.
11 Nov 2020
## LINKS
[1] /Sexuelle-Minderheiten-in-Ungarn/!5680297
[2] /US-Milliardaer-George-Soros/!5394144
## AUTOREN
Ralf Leonhard
## TAGS
Ungarn
Schwerpunkt Gender und Sexualitäten
Viktor Orbán
Schwerpunkt LGBTQIA
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