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# taz.de -- Donald Tusk kehrt zurück nach Polen: Das große Comeback
> Der Ex-EU-Ratspräsident will wieder in der Landespolitik mitmischen. Mit
> seiner Wahl zum Oppositionsführer stiehlt er der rechten PiS die Show.
Bild: Will den „Bösen“ die Macht entreißen: Donald Tusk
Warschau taz | [1][Donald Tusk], der ehemalige EU-Ratspräsident, kehrt
zurück nach Polen und übernimmt die Führung in der Oppositionspartei PO. Er
will die von ihm gegründete [2][Bürgerplattform (PO)] für den nächsten
Wahlkampf fit machen und den seit 2015 immer autokratischer regierenden
[3][Nationalpopulisten von der Recht und Gerechtigkeit (PiS)] die Macht
entreißen.
Auf dem PO-Parteitag trat der bisherige Vorsitzende Borys Budka zurück und
machte „dem weißen Ritter“, wie Tusk im Volksmund gern genannt wird, den
Platz frei. Der 64-jährige Tusk übernimmt ab sofort kommissarisch den
PO-Parteivorsitz. Im Herbst soll eine große Partei-Abstimmung über den
künftigen PO-Chef entscheiden.
In Polen war „die Rückkehr von Tusk“ die Sensation des Tages. Sie stahl dem
gleichzeitig stattfindende Parteitag der PiS die Show. Die Geheimnistuerei
– der gesamte PiS-Parteitag fand hinter verschlossenen Türen statt – hatte
schon im Vorfeld viele Pol:innen verärgert.
## Borys Budka macht Platz für Tusk
Leicht war es dem führenden PO-Politikern nicht gefallen, die eigenen
Ambitionen zurückzustellen und dem Ex-Premier Tusk wieder das Ruder in der
Partei zu überlassen. Borys Budka war erst vor eineinhalb Jahren an die
Spitze der liberalkonservativen Partei gewählt worden und hatte damit
Grzegorz Schetyna ausgebootet, der zwar ein guter Organisator ist, aber
keinerlei Charisma hat und bei den Wähler:innen unbeliebt ist.
Doch auch Budka konnte die Partei, die seit dem Weggang Tusks nach Brüssel
und der verheerenden Wahlniederlage von 2015 nicht aus dem Dauerumfragetief
herausziehen. Dies konnte lediglich – zumindest für einen kurzen Moment –
der Warschauer Oberbürgermeister Rafal Trzaskowski. Der charmant und
jugendlich wirkende Politiker trat in den Präsidentschaftswahlen 2020 gegen
den Amtsinhaber Andrzej Duda an, führte einen mitreißenden Wahlkampf und
hätte um ein Haar gewonnen.
Seine Ankündigung, eine neue, junge und progressive Organistion neben der
schon etwas angestaubten PO gründen zu wollen, trieb ihm Millionen
Wähler:innen zu. Aufgrund der Corona-Pandemie kam das Projekt jedoch
nicht zustande. In einem Interview bekannte Borys Budka, dass die
Jugendorganisation Trzaskowskis „nur so eine Idee im Wahlkampf“ gewesen
sei. In der Folge machte der beliebte Oberbürgermeister Warschaus und
Beinahe-Präsident Polens immer wieder klar, dass er jederzeit die
PO-Parteiführung übernehmen könne, „wenn Not am Mann“ sei.
Dazu kam es jedoch nicht. Die PO sackte in der Wählergunst immer weiter ab
und wurde am Ende auch von einem politischen Newcomer, dem
liberal-katholischen Fernsehmoderator Szymon Holownia und dessen Bewegung
„Polen2050“ überholt. Aktuell belegt sie mit nur noch 16 Prozent Platz 3 im
Parteienranking. Während Holownia mit frischem Elan durchs Land reist und
sich überall mit potentiellen Wähler:innen trifft, wirkt die PO ideen-
und ratlos. Vom einstigen Selbstbewusstsein, einer erfolgreichen Partei ist
kaum noch etwas übrig.
## Tusk will gegen „das Böse“ kämpfen
Just zu diesem Zeitpunkt meldete sich Tusk, aus Brüssel zurück. Der
Erfolgsmensch und Überflieger, der den höchsten Posten in der EU
eingenommen hatte, den je ein Pole bekleidet hatte, wollte seinen alten
Posten in der Partei zurück.
Während die PiS aus allen PiS-nahen Fernseh- und Rundfunk-Kanälen sowie
PiS-nahen Zeitungen auf Tusk schießen ließ, redeten sich die PO-Politiker
Tusk, Trzuaskowski und Budka die Köpfe heiß. Drei Tage lang trafen sie
sich. Bis schließlich am Freitagabend die Entscheidung fiel.
„Ich komme zu hundert Prozent zurück“, kündigte Tusk auf dem PO-Parteitag
an und donnerte im Wahlkampfstil weiter: „Heute regiert das Böse in Polen.
Und wenn du das Böse siehst, kämpfe dagegen und frage nicht nach weiteren
Gründen.“ Die PiS habe Streit mit der EU, mit Deutschland und selbst mit
Tschechien angefangen und durch ihre „idiotische politische Investition“ in
den früheren Präsidenten Donald Trump das Land von der heutigen
US-Regierung entfremdet.
## PiS-Parteitag unter Ausschluss der Presse
Vom PiS-Parteitag war nicht viel zu hören. Journalist:innen mussten
draußen bleiben. Immerhin stellte die Partei eine 40-minütige Rede vom
Parteivorsitzenden Jaroslaw Kaczynski online, der seit 2003 die Partei
leitet und erneut im Amt als Vorsitzender bestätigt wurde. 1245 Delegierte
hatten für gestimmt, acht gegen ihn, fünf enthielten. Gegenkandidaten gab
es nicht.
Kaczynski, der seit einigen Monaten als stellvertretender Premier für die
Sicherheit Polens zuständig ist, hatte gleich zu Beginn seiner Amtszeit
eine riesige Datenpanne in der Kanzlei des Premiers nicht verhindern
können. Statt die politische Verantwortung zu übernehmen und
zurückzutreten, benannte er als Täter für die Veröffentlichung polnischer
Regierungs-e-Mails im Internet „Hacker aus dem Territorium Russland“.
Polens Investigativ-Journalist:innen gehen eher davon aus, dass es im
Umfeld des Premiers eine undichte Stelle gibt, die Zugriff auf Log-in und
Passwort der Privat-Mailadresse des Kanzleichefs hatte.
In seiner Rede beschrieb Kaczynski (72), der „ein letztes Mal“ für den
Posten des PiS-Chefs antrat, den „Kampf“, den die PiS seit 2015 gegen
innere und äußere Feinde Polens führe. Die Partei habe den Sieg in diesem
Kampf errungen. Es sei der PiS gelungen, „das System zu verändern, und das
in allen Bereichen: Staat, Gesellschaft, internationale Politik, Kultur-
und Bildungspolitik“. Dass die EU und die USA die Zerstörung des
Rechtsstaats und den Demokratieabbau in PiS-Polen immer wieder harsch
kritisieren, ist für Kaczynski lediglich „postkoloniales“ Gehabe und kein
Grund, einen Richtungswechsel vorzunehmen.
Wie Donald Tusk beendete auch Jaroslaw Kaczynski seine Parteitagsrede mit
dem Ruf „Wir werden siegen!“ In knapp zweieinhalb Jahren sind wieder
Parlamentswahlen in Polen.
3 Jul 2021
## LINKS
[1] /Anhoerung-von-Donald-Tusk-in-Warschau/!5398752
[2] /Polens-groesste-Oppositionspartei-PO/!5650526
[3] /PiS-Partei-und-ihre-Skandale/!5772617
## AUTOREN
Gabriele Lesser
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