| # taz.de -- Waldberater über Wasser in Kolumbien: „Der Niedergang ist entset… | |
| > Dehydrierte Kühe und eingehende Kaffeepflanzen: In Kolumbien kämpfen | |
| > Bauern gegen Klimawandel und Wasserknappheit. Lorenzo Mora Bautista hilft | |
| > ihnen. | |
| Bild: Der die Sierra retten will: Lorenzo Bautista | |
| Wie können die einzigartigen Wälder und Wasserquellen der [1][Sierra Nevada | |
| de Santa Marta in Kolumbien] geschützt werden? Der Umweltschützer Lorenzo | |
| Mora Bautista (37) hat einige Umweltprojekte mit internationalem Geld | |
| scheitern sehen – und weiß aus Erfahrung, wie es besser geht. Zum Beispiel, | |
| wenn man die Bauern bei der Liebe zu ihren Kühen packt. | |
| Taz: Kolumbiens Küstengebirge Sierra Nevada de Santa Marta ist einmalig auf | |
| der Welt in Sachen Artenvielfalt. In ihm entspringen auch mehr als 30 | |
| Flüsse, und 1,5 Millionen Menschen hängen vom Wasser der Sierra ab. Doch | |
| [2][Klimakrise] und illegale Abholzung bedrohen sie massiv. Viele | |
| Umweltprojekte haben versucht, das zu ändern. Wie bewerten Sie deren | |
| Ergebnisse? | |
| Lorenzo Mora Bautista: Es fehlt vor allem an Methodik zur Bildung, damit | |
| sich die Bauern die Projekte aneignen. Viele Gelder der internationalen | |
| Zusammenarbeit zum Umweltschutz oder zur Rückgewinnung des Wassers gehen an | |
| Institutionen, die nur sehr einfache, oberflächliche Projekte umsetzen – | |
| zum Beispiel tausende Bäume pflanzen. Aber sie erklären den Leuten nicht, | |
| welche Vorteile das für sie hat. Es reicht nicht, den Leuten zu sagen, dass | |
| Wasser wichtig ist. | |
| Man muss ihnen klarmachen, was das Wasser mit ihrem Überleben zu tun hat | |
| und welche Verbindung der Baum mit dem Wasser hat – und zwar in einer | |
| Sprache, die der Bauer versteht. Sonst passiert, was ich oft erlebt habe: | |
| Die Organisationen kamen und ließen Bäume pflanzen, gaben den Bauern dafür | |
| etwas Geld. Aber sobald sie die Bauern bezahlt hatten und wieder | |
| verschwunden waren, fällten die Bauern die Bäume wieder. | |
| Warum fällen die Bauern die Bäume wieder? Bauen sie dort dann etwas an? | |
| Nicht unbedingt. Sie sehen einfach keinen Nutzen in dem Baum. Das ist für | |
| sie „monte“, Gestrüpp. Also hauen sie das weg, damit das Land wieder sauber | |
| und ordentlich aussieht. Denn ein sauberes Stück Land bedeutet, dass es | |
| einen Eigentümer hat. | |
| Was läuft da falsch? | |
| Da kommen Experten und halten drei Stunden lange Reden, die nur ein | |
| Ingenieur versteht. Die Leute langweilen sich und schlafen ein. Hier | |
| bekommen sie oft ewig langes, kompliziertes Info-Material in die Hand | |
| gedrückt, das ein Bauer niemals lesen wird, der sich schon schwertut damit, | |
| seinen eigenen Namen zu schreiben. Viele konnten nicht oder nur kurz die | |
| Schule besuchen. | |
| Anders als die Expert*innen, die für diese Projekte herkamen, stammen Sie | |
| mitten aus der Sierra und leben hier … | |
| Ich bin dort geboren, wo der Fluss Guachaca entspringt. Meine Eltern sind | |
| Bauern. Mein Papa, meine Mama und drei meiner Geschwister arbeiten immer | |
| noch in der Landwirtschaft. Wir bauen vor allem Kaffee an. Wir haben ein | |
| paar Rinder. Außerdem bauen wir Zuckerrohr an, [3][Lulo], Brombeeren und | |
| Gemüse zur Selbstversorgung wie Kochbananen und Maniok. Wir wollen keine | |
| große Produktion, sondern autark sein. | |
| Was ist Ihr Ansatz? Gehen Sie hin und trinken mit den Bauern Kaffee? | |
| Ich kenne die meisten Bauern hier in der Gegend. Ich kann einfach | |
| vorbeischauen und mit ihnen reden. Zum Beispiel beschwert sich dann ein | |
| Bauer, dass seine Kaffeepflanzen eingehen. Ich schaue mir das an und sehe: | |
| Das ist klar, weil er seinen Kaffee unter offenem Himmel angepflanzt hat. | |
| Das geht in der Sierra Nevada aber nicht. | |
| Und dann raten Sie, Bäume zu pflanzen? | |
| Genau. Viele von ihnen haben ein Aber parat, und es ist wichtig, darauf | |
| eine Antwort zu haben: Aber was, wenn dann einer dieser Bäume umfällt und | |
| meine Kaffeepflanzen zerstört? Da sage ich: Das kann passieren. Aber wenn | |
| du keine Bäume pflanzt und deine Pflanzen keinen Schatten bekommen, werden | |
| sie eingehen und der Ertrag ist viel geringer, als wenn ein Baum auf sie | |
| fällt. | |
| Also versuchen Sie mit wirtschaftlichen Gründen zu argumentieren. | |
| Es heißt immer: Pflanzt Bäume! Holzt bloß nichts mehr ab! Da sagt der | |
| Bauer: Was soll ich denn dann essen? Man muss ihnen ökologisches | |
| Wirtschaften beibringen – aber es nicht so nennen. Denn die Bauern | |
| interpretieren das als Hippie-Gerede. Ich kann nicht kommen mit: Man muss | |
| Bäume pflanzen, um die Natur zu schützen. Ich sage: Señor, wenn Sie | |
| Bananenstauden zwischen den Kaffeepflanzen anbauen, bindet die Banane den | |
| Stickstoff, hält das Wasser in der Trockenzeit auf dem Feld und entwässert | |
| es, wenn es feucht ist, weil sie das Wasser im Stamm speichert. Und das | |
| Beste ist: Wenn Sie Hunger haben und kein Geld, können Sie die Kochbananen | |
| ernten. | |
| Wie machen Sie das mit den Bauern, die Vieh haben? | |
| Auf keinen Fall hingehen und sagen: Du darfst hier aber kein Vieh halten! | |
| Das ist, als würde man sagen: Sie dürfen nicht mehr von der Tätigkeit | |
| leben, die Sie beherrschen! Aber man kann sagen: Hombre, pflanz doch mehr | |
| Bäume auf deiner Weide, denn sonst passiert da noch ein Erdrutsch, und | |
| außerdem reduziert das den Stress für deine Kühe. Die haben viel mehr | |
| Durst, wenn sie keinen Baum haben, um sich vor der Sonne zu schützen. Hier | |
| in der Sierra Nevada scheint sie sehr intensiv, weil wir in einer | |
| tropischen Zone in der Nähe einer Wüste sind. Da dehydriert die Kuh sonst. | |
| Also kommen Sie nicht mit der Umwelt, sondern sagen: Das ist für die Kühe, | |
| damit sie es besser haben? | |
| Ja, denn die Bauern lieben ihre Kühe, sie wollen sich um sie kümmern. Viele | |
| holzen Wald ab, damit das Vieh grasen kann, und merken nicht, dass es dann | |
| kein Wasser mehr hat. Aber die Kuh braucht Wasser. Also rate ich: Señor, | |
| lassen Sie diesen Bereich lieber stehen, da kommt immer ein Bächlein. Dann | |
| sparen Sie sich das Geld für Schläuche und müssen das Vieh auch nicht immer | |
| bis zum nächsten Bach treiben. Mit dem Wasserfall können Sie bewässern, | |
| damit das Grünfutter besser wächst. Pflanzen Sie auch Obstbäume wie Mangos | |
| oder Guaven. Die wachsen hier von ganz alleine, ohne Dünger. | |
| Wenn ich zwanzig Mangobäume habe, stehen die Kühe ruhig im Schatten unterm | |
| Baum und fressen Mangos – anstatt auf der Suche nach Nahrung das Gebüsch | |
| plattzutrampeln und den Boden zu schädigen. | |
| Wann haben Sie damit begonnen, Bauern so zu unterstützen? | |
| Als ich 15 Jahre alt war. Ich hatte gute Noten in der Schule und deshalb | |
| hörten mir die Leute zu. Mein Vater fing damals an, Bäume dort zu pflanzen, | |
| wo wir gesehen hatten, dass welche gefällt worden waren. Das machte mich | |
| neugierig, ich las in Zeitschriften immer mehr über Umweltschutz. Manchmal | |
| brachte ich den Bauern Pflanzen vorbei, Setzlinge für Bäume. Das fanden sie | |
| toll und gleichzeitig war das für sie ein Grund, sie einzupflanzen. | |
| Zum Glück gibt es viele Menschen, die sich Zeit nehmen, um mir zuzuhören. | |
| Gleichzeitig geht es nicht nur darum, mit ihnen zu sprechen, sondern ihnen | |
| beim Pflanzen zu helfen, Steine wegzutragen, Material für Kompost zu | |
| bewegen. Das motiviert die Leute, mitzumachen. Sie respektieren mich dafür, | |
| und das ist für mich sehr wertvoll. Seit ein paar Jahren bin ich hier bei | |
| der Kaffeefinca als Umwelt- und Waldberater angestellt. Aber oft kommen | |
| Bauern von außerhalb der Finca und fragen mich um Rat. | |
| Wissen Sie, was Sie so bewirken konnten? | |
| Das lässt sich schwer sagen. Vielleicht sind so nur ein paar tausend Bäume | |
| gepflanzt worden – aber die werden 20, 50 Jahre alt werden. Viele Bauern | |
| habe ich kennengelernt, da hielten sie ihr Vieh noch unter komplett freiem | |
| Himmel, ihre Weiden waren wie Steinwüsten. Aber jetzt sehe ich auf ihnen | |
| grüne Punkte. Sie fällen keine Bäume mehr im Wald für Zäune, sondern | |
| pflanzen Bäume, um ihre Weiden abzutrennen. | |
| Warum studieren Sie jetzt Psychologie? | |
| Mein großes Ziel ist, die pädagogischen Fähigkeiten der | |
| Umweltorganisationen und der Umweltschützerïnnen zu verbessern, die gegen | |
| den Klimawandel kämpfen. Denn der macht mir eine Riesenangst. Deshalb will | |
| ich auch keine Kinder. | |
| Der Niedergang der Gewässer ist entsetzlich. Flüsse, die ich vor 30 Jahren | |
| kennenlernte, in denen wir auf Floßen fuhren und schwammen, kann ich heute | |
| in Sandalen durchwaten und es werden gerade noch die Sohlen nass. Die | |
| Fische sind verschwunden. Wem das keine Angst macht, der braucht kein | |
| Wasser. | |
| 16 Jul 2021 | |
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| ## AUTOREN | |
| Katharina Wojczenko | |
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