# taz.de -- Parlamentswahl in Armenien: Absage an die alten Eliten | |
> Paschinjan, der die armenische Wahl für sich entschied, stehen schwere | |
> Zeiten bevor. Die EU sollte ihm helfen und die Region stabilisieren. | |
Bild: Paschinjan gewinnt trotz des Krieges die Parlamentswahl in Armenien | |
Auch wenn das Ergebnis der [1][armenischen Parlamentswahl] vom vergangenen | |
Sonntag zugunsten der Regierungspartei wohl etwas noch oben korrigiert | |
worden sein dürfte, ist die Botschaft der Mehrheit der Wähler*innen | |
eindeutig: Ihr Votum ist eine klare Absage an die alten Eliten, die die | |
Südkaukasusrepublik im Verbund mit zwielichtigen Oligarchen bis 2018 fest | |
im Griff hatten. | |
Auch das Bemühen der Opposition, [2][Ministerpräsident Nikol Paschinjan] | |
fortwährend als „Verräter“ und Hauptverantwortlichen für die bittere | |
Niederlage im [3][jüngsten Konflikts gegen Aserbaidschan] um die Region | |
Bergkarabach an den Pranger zu stellen, brachte nicht den gewünschten | |
Erfolg. Doch Freude über den Sieg Paschinjans dürfte, vor allem bei den | |
aufgeklärteren Geistern, trotzdem nicht aufkommen. | |
Denn die Hoffnung, der einstige Held der Samtenen Revolution von 2018 würde | |
mit den politischen Hinterlassenschaften seiner Vorgänger aufräumen und | |
einer langsamen Demokratisierung den Weg ebnen, hat sich vorerst erledigt. | |
Paschinjan, der vor wenigen Monaten nichts dabei fand, die | |
Arbeitsmöglichkeiten kritischer Journalist*innen empfindlich | |
einzuschränken, nutzte seinen Wahlkampf dafür, um Hass, Rache und | |
Vergeltung zu propagieren. Nach der Wahl spricht er von einer „Diktatur des | |
Gesetzes“. | |
Das alles sind keine guten Ratgeber, wenn es gilt, eine gespaltene | |
Gesellschaft zu versöhnen, die noch dazu von dem jüngsten Krieg und dessen | |
Folgen nachhaltig traumatisiert ist. Zudem kann der Konflikt mit dem | |
Nachbarn, [4][der die Türkei an seiner Seite weiß], mitnichten ad acta | |
gelegt werden. Aserbaidschans autokratischer Staatschef Ilham Alijew macht | |
kein Hehl daraus, dass sein territorialer Hunger noch nicht gestillt ist. | |
Und so dürften Kamikaze-Aktionen, wie unlängst das Vordringen | |
aserbaidschanischer Truppen auf armenisches Gebiet im Süden, nicht die | |
letzten ihrer Art gewesen sein. Ruhig zurück lehnen kann sich indes | |
Russlands Präsident Wladimir Putin. Unter Paschinjan sind Absetzbewegungen | |
Armeniens in Richtung Westen auch weiterhin nicht zu befürchten. | |
Da spielt es auch keine Rolle mehr, dass Moskau, angeblich Schutzmacht | |
Jerewans im Südkaukasus, erst einmal seelenruhig abwartete, bis Armenien | |
sturmreif geschossen war. Genau aus diesem Grund darf die Europäische Union | |
das Land nicht seinem Schicksal überlassen. Sie sollte ihr Augenmerk | |
besonders auf die Zivilgesellschaft richten und entsprechende Angebote | |
verstärken und ausbauen. | |
EU-Ratspräsident Charles Michel redet jetzt davon, die EU sei bereit, | |
Reformen in Armenien zu unterstützen und sich auch weiter für eine | |
regionale Stabilisierung engagieren zu wollen. Er wird sich beim Wort | |
nehmen lassen müssen. | |
22 Jun 2021 | |
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## AUTOREN | |
Barbara Oertel | |
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