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# taz.de -- Impftourismus zwischen Iran und Armenien: 1.000 Kilometer für eine…
> Viele Iraner*innen reisen für eine Covid-Impfung ins Nachbarland. Doch
> nur 1,5 Prozent der Armenier*innen selbst sind immunisiert.
Bild: Impfschlange in Jerewan. Die meisten Wartenden kommen aus dem Iran
Berlin taz | Für viele Iraner*innen führen derzeit alle Wege nach
Jerewan. Bereits Tausende haben die über 1.000 Kilometer lange Reise in die
armenische Hauptstadt auf sich genommen, um sich beim Nachbarn impfen zu
lassen – kostenlos und mit [1][AstraZeneca].
Seit Mai bietet die Südkaukasusrepublik diesen „Service“ für ausländische
Tourist*innen an. Dafür wurden mehrere mobile Impfstationen direkt in
der zentralen Fußgängerzone Northern Avenue eingerichtet. Die Schlangen
hier sind lang, denn die Nachfrage ist groß.
Demgegenüber sind die Armenier*innen zurückhaltend, wenn es darum geht,
den Arm hin zu halten. Das gilt sowohl für AstraZeneca als auch die beiden
anderen verfügbaren Vakzine, das russische [2][Sputnik V] und das
chinesischen Koronavak. In den sozialen Medien, aber auch auf Werbeplakaten
wird das Gerücht verbreitet, mit den Impfstoffen solle die armenische
Bevölkerung vergiftet werden.
Bislang sind in Armenien erst 1,5 Prozent der Bevölkerung vollständig
geimpft (Stand 27. Juli). Die Regierung veröffentlicht keine Statistiken,
wie viele Ausländer*innen und wie viele Staatsbürger*innen die
Impfung erhalten haben.
## Iraner*innen campen vor Impfstationen
Die Preise für Flüge von Teheran nach Jerewan sind in die Höhe geschossen,
ein Ticket kostet bis zu umgerechnet 300 Euro. Viele Iraner*innen fahren
mit Bussen nach Jerewan. In den sozialen Medien zirkulieren Videos, die
zeigen, wie [3][Menschen aus dem Iran] sich am Grenzübergang zu Armenien
nach vorne drängeln und so versuchen, schneller durch die Passkontrolle zu
kommen. „Wir warten schon 13 Stunden am Grenzpunkt und sind noch immer
nicht dran“, posteten einige Iraner*innen.
Die mobilen Impfstellen in Jerewan öffnen mittags. Hunderte iranische
Tourist*innen übernachten dort. Doch es gibt Begrenzungen. Nicht mehr
als 50 Ausländer*innen pro Tag dürfen mit AstraZeneca geimpft werden.
Viele Iraner*innen beschwerten sich vor laufenden Kameras. Sie fühlen
sich betrogen – sowohl in Armenien, als auch in ihrer Heimat. „Leider gibt
es keine Disziplin“, sagt einer. „Wir haben unsere Namen in die Liste
eingetragen, aber niemand hat die Warteschlange anhand der Namen korrekt
geführt“, sagt ein anderer.
Es gebe Iraner*innen, die anbieten, ihre Landsleute gegen Geld nach Jerewan
zu bringen. Und in Jerewan kassierten Armenier*innen bei Schlange
stehenden Iraner*innen ab, damit diese schneller ihre Spritze erhielten.
[4][Armeniens Regierung] redet derweil von einem „Wachstum des Tourismus“.
Die Zahl von Tourist*innen in Armenien ist in der Zeit von April bis
Juni von 41.881 auf 64.101 angestiegen, so die Daten des armenischen
Tourismuskomitees. Im gleichen Zeitraum erhöhte sich die Zahl der Menschen,
die über die Landgrenze von Meghri aus dem Iran nach Armenien einreisten,
von 2.516 auf 5.592.
## Inzidenz in Armenien steigt
Doch die Tourist*innen sollen auch Geld ins Land bringen. Seit dem 15.
Juli können sich nur diejenige Iraner*innen impfen lassen, die sich
bereits seit zehn Tagen in dem Land aufhalten. „Jetzt es ein guter
Zeitpunkt, darüber nachzudenken, den Medizintourismus auf eine normale
Grundlage zu stellen“, schreibt der Wirtschaftsminister Vahan Kerobjan auf
seiner Facebook-Seite – ein freundlicher Hinweis darauf, dass es sich
lohnt, dort auch andere medizinische Dienstleistungen in Anspruch zu nehmen
– wie zum Beispiel eine Zahnbehandlung.
Der Sprecher des iranischen Gesundheitsministeriums, Kianush Jahanpur,
sagte gegenüber iranischen Medien, Armeniens Impfpolitik sei „keine Stärke�…
des Landes, sondern das Ergebnis der Impfskepsis der dortigen Bevölkerung.
Er schlug Armenien vor, die Impfstoffe unbegrenzt auszugeben. Denn
ungenutzte Dosen müssten nach Ablauf der Haltbarkeit sonst sowieso
weggeworfen werden.
Trotz dieser warnenden Worte machen sich Iraner*innen weiter auf dem Weg
nach Armenien. Dort steigt die Zahl der Coronafälle stetig an. Die
7-Tage-Inzidenz liegt derzeit bei 48,4.
29 Jul 2021
## LINKS
[1] /Neue-Empfehlung-fuer-Astrazeneca/!5782156
[2] /Russischer-Politologe-ueber-Corona/!5782863
[3] /Alltag-in-Teheran/!5777826
[4] /Parlamentswahl-in-Armenien/!5777415
## AUTOREN
Tigran Petrosyan
## TAGS
Schwerpunkt Coronavirus
Impfung
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Armenien
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