# taz.de -- Prozess in Schweden gegen Iraner: Wegen Massenhinrichtung vor Geric… | |
> In Stockholm beginnt ein Prozess wegen der Khomeini-Massaker von 1988. | |
> Einem Mann werden Mord und Kriegsverbrechen vorgeworfen. | |
Bild: Proteste vor dem Gerichtsgebäude in Stockholm gegen die iranische Führu… | |
STOCKHOLM taz | Am Dienstag hat in Stockholm ein Prozess wegen | |
Völkerrechtsverbrechen und Mord gegen einen 60-jährigen Iraner begonnen. | |
Dem Mann wird von der schwedischen Anklagebehörde vorgeworfen, zwischen | |
Juli und September 1988 eine zentrale Rolle bei den „Khomeini-Massakern“ | |
innegehabt zu haben: Der Hinrichtung und der Folterung Tausender | |
Oppositioneller. Persönlich soll er an diesen Taten im Gohardashtgefängnis | |
im nordiranischen Karaj beteiligt gewesen sein. Er war im Herbst 2019 bei | |
einer Reise nach Schweden auf dem Flughafen von Stockholm festgenommen | |
worden und saß in Erwartung einer Anklage seither in Untersuchungshaft. | |
Die Staatsanwaltschaft begründet die Zuständigkeit der schwedischen Justiz | |
mit dem „Weltrechtsprinzip“, der universellen Jurisdiktion eines Staates | |
für die strafrechtliche Verfolgung von Völkerstraftaten, obwohl diese nicht | |
auf dem eigenen Hoheitsgebiet begangen worden sind. Die dem Angeklagten | |
vorgeworfenen Taten gelten als Kriegsverbrechen, weil sie in der Endphase | |
eines bewaffneten Konflikts zwischen dem Iran und dem Irak stattfanden und | |
die Staatsanwaltschaft von einem Zusammenhang zwischen den Hinrichtungen | |
und diesem bewaffneten Konflikt ausgeht. | |
Nach einer Attacke der iranischen Volksmudschahedin Ende Juli 1988 hatte | |
der [1][damalige oberste geistliche Führer im Iran, Ayatollah Khomeini], | |
den Befehl erteilt, alle Insassen in iranischen Gefängnissen, die mit den | |
Mudschahedin sympathisierten, hinzurichten. Dieser Befehl war Ende August | |
auch auf gefangene Sympathisanten anderer oppositioneller Gruppen | |
ausgedehnt worden. Amnesty International spricht in einem 2017 | |
[2][erschienenen Bericht], in dem beklagt wird, dass immer noch niemand für | |
diese Verbrechen vor Gericht gestellt wurde, von den „iranischen | |
Gefängnis-Massakern“. | |
Die Anklagebehörde wirft dem Angeklagten vor, in beiden dieser Phasen an | |
Hinrichtungen und Folterungen beteiligt gewesen zu sein. Der Angeklagte | |
selbst, der von einem Ex-Gefangenen des fraglichen Gefängnisses in | |
schwedischen Medien als „besonders sadistisch“ charakterisiert wird, | |
bestreitet laut seinem Verteidiger nicht nur die Taten, sondern jeden | |
persönlichen Bezug: Es müsse eine Verwechslung seiner Person vorliegen. | |
## Fast 70 Nebenkläger und Zeugen sind geladen | |
Im Zentrum des Verfahrens, das mit rund 100 Verhandlungstagen einer der | |
umfassendsten schwedischen Strafrechtsprozesse werden wird und bis April | |
2022 dauern soll, werden daher Beweisfragen stehen. Fast 70 Nebenkläger und | |
Zeugen aus verschiedenen europäischen und nordamerikanischen Staaten und | |
aus Australien sind geladen, darunter auch viele ehemalige Gefangene des | |
Gohardashtgefängnisses – das jetzt Rajai Shahr heißt. | |
Erik Halkjær, Vorsitzender der schwedischen Sektion von Reporter ohne | |
Grenzen, begrüßte das Verfahren als „ersten wichtigen internationalen | |
Schritt, um den schrecklichen Übergriffen, Massakern und außergerichtlichen | |
Hinrichtungen, die 1988 im Iran stattfanden, Gerechtigkeit widerfahren zu | |
lassen“. Er hoffe, dass das Verfahren gegen dieses mutmaßliche Mitglied der | |
„Todeskommissionen“ auch Konsequenzen gegen übrige Hauptverantwortliche der | |
Massenhinrichtungen haben werde, von denen der neue Staatspräsident Ebrahim | |
Raissi einer sei. | |
10 Aug 2021 | |
## LINKS | |
[1] /40-Jahre-Islamische-Revolution/!5567037 | |
[2] https://www.amnesty.org/download/Documents/MDE1394212018ENGLISH.PDF | |
## AUTOREN | |
Reinhard Wolff | |
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