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# taz.de -- „Theater der Welt“ live in Düsseldorf: „Es braucht emotional…
> In Düsseldorf startet das Festival „Theater der Welt“. Programmdirektor
> Stefan Schmidtke über die Planung in Coronazeiten – und das Reisen der
> Künstler:innen.
Bild: „Leben und Zeit des Michael K.“, aus Südafrika live gestreamt, eröf…
Alle drei Jahre spielt das Festival „Theater der Welt“ in anderen Städten
und Regionen. Letztes Jahr musste es in Düsseldorf wegen der Pandemie
abgesagt und um ein Jahr verschoben werden: Am 17. Juni ist die Eröffnung.
Nun gab es endlich wieder eine Pressekonferenz vor Ort und nicht am
Bildschirm! Digital zugeschaltet war auch Joachim Lux, Intendant des
Hamburger Thalia Theaters und Präsident des Internationalen
Theaterinstituts (ITI), das Gründer und Ko-Veranstalter des Festivals ist.
Lux erinnerte sich, dass vor mehr als 40 Jahren der Gründungsintendant Ivan
Nagel stolz darauf war, Produktionen des Wiener Burgtheaters einzuladen.
Inzwischen kommen die Produktionen von fünf Kontinenten nach Düsseldorf.
taz: Herr Schmidtke, wie darf man sich die Vorbereitung eines
internationalen Theaterfestivals in Pandemiezeiten vorstellen?
Stefan Schmidtke: Nervenaufreibend! Aber ich war noch nie auf so vielen
Terrassen, in so vielen Arbeitszimmern und Küchen der Welt zu Gast, wir
haben uns um die Welt gezoomt und enorme Eindrücke gewonnen.
Ist es nicht schwierig, so eine echte künstlerische Verbindung
herzustellen?
Ich muss sagen, dass wir nie so sehr mit den Künstlern in der Welt
verbunden waren wie jetzt, das mag absurd klingen, aber wir haben gemerkt,
dass wir als Festival, als Geldgeber, als Auftraggeber, als große Bühne der
Welt einen Riesenauftrag haben, nämlich wir müssen uns um die Künstler der
Welt kümmern. Unsere Transferleistungen, die wir in Gang setzen für die
Künstler der Welt, sind eine wichtige, wenn auch symbolische Donation.
Wie locken Sie das entwöhnte Publikum an?
Zum Beispiel mit dem „Siren Song“, das ist ein Soundkunstwerk, das sich
über die ganze Stadt legen wird, über alle Festivaltage zur „happy hour“.
Zwischen 17 und 18 Uhr hebt ein sanftes, leises Flüstern von indigenen
Frauen aus fünf Kontinenten an, ein verlockender Klang, der uns zum
Gustaf-Gründgens-Platz einlädt, um den Festivalabend zu beginnen. Wir
wollen diesen Platz wieder emotional aufladen, denn wir glauben, dass es
große emotionale Erlebnisse braucht, um wieder zusammenzukommen.
Was liegt Ihnen thematisch besonders am Herzen?
Die Welt ist nicht stehen geblieben, es gibt Sklaverei, moderne Ausbeutung,
Kinderarbeit, Gewalt im häuslichen Bereich, es gibt den Kampf um die
Gleichberechtigung, es ist nicht besser geworden um die Rechte indigener
Völker. Die Fragen von Kolonialismus und Dekolonialisierung werden
zunehmend scharf formuliert und sind durch die Pandemie noch viel stärker
hervorgetreten. Das alles thematisieren wir.
Im Zuge der Klimadebatte gibt es auch Kritik am internationalen
Kulturbetrieb, zum Beispiel am Kunst-Jetset. Wie nachhaltig ist Theater der
Welt? Wie viele Flüge und Hotelzimmer hätten Sie gebucht ohne Pandemie?
Es ändert kaum etwas, denn wir laden ja alle Leute ein, die reisen dürfen.
Das Einzige ist, dass die Arbeitsprozesse anders gelaufen sind, denn wir
haben ein sehr geschicktes System erfunden mit sogenannter Schattenregie.
Das heißt, wir haben Kollegen, die sitzen in Kanada oder in Australien, und
es gibt ein gespiegeltes Team in Deutschland, das Internet verbindet den
Probenprozess. Die Künstler von außen sind auf das Vertrauen der Künstler
hier vor Ort angewiesen.
Das Reisen sehen Sie grundsätzlich nicht so kritisch?
Ich persönlich bin der Meinung, dass Künstler durchaus eine symbolische
Funktion haben, indem sie kritisch etwa darauf hinweisen, dass
Umweltverschmutzung nicht sein darf. Ich halte aber den Beitrag, den sie
dazu liefern können, für quantitativ nicht effizient. Sondern das sind
Fragen, die grundsätzlicher politischer Entscheidungen bedürfen. Ich kann
als Künstler da nichts bewirken. Ob wir Künstler fünf Flüge mehr machen
oder weniger, entscheidet gar nichts. Wir fangen an der falschen Stelle an,
uns zu hinterfragen.
Sie meinen, der Vorwurf greift nicht?
Da kann ich nur knallhart sagen: Denkt zuerst mal an das Internet, das ist
der drittgrößte Stromverbraucher überhaupt! Wir werden nicht glücklich,
wenn wir sagen, wir fliegen nicht mehr und machen jetzt alles im Internet.
Denn damit mehren wir nur die Kühlanlagen und den Stromverbrauch. Der
Luftverkehr steht an untergeordneter Stelle.
Was steht denn darüber?
Das erste Ding, das gelöst werden muss, ist die Bauindustrie, die
Zementindustrie, und auch die Landwirtschaft ist ja ein gigantischer
Umweltverschmutzer! Und solange wir uns nicht anders ernähren, erreichen
wir wenig. Zu sagen, ich fliege nicht nach Afrika, ist Quatsch, denn die
persönliche Beziehung und die exemplarische Bedeutung, die Kunstwerke aus
diesen Ländern haben, schätze ich als extrem hoch ein, um kluge Menschen
dazu zu motivieren, Veränderungen herbeizuführen.
Dann ist Reisen also gar nicht so schlimm für die Klimabilanz?
Wir reden zu Recht über unsere völlig überzogenen Urlaubsansprüche und
Reisen, es geht aber in den am Festival beteiligten Ländern um
existenziellen Austausch innerhalb der Gesellschaft. Ich halte es für
wahnsinnig wichtig, dass Gruppen aus Beirut, aus Ägypten, aus Israel, aus
Tansania sich bewegen und ihre Kunst überhaupt publik machen können.
Sind viele Theaterensembles nicht auch finanziell angewiesen auf
internationale Kooperationen und Fördergelder?
Natürlich auch das! Viele könnten nicht existieren ohne Kooperationen. Wir
blicken auf einen ganz und gar disproportionalen Faktor. Denn wir reden ja
nur über uns! Mit den Leuten in Afrika oder Indonesien redet keiner! Die
brauchen das, die müssen reisen! Für die ist es unglaublich wichtig, sich
austauschen zu können und als Stimme auch ein Standing zu haben. Das muss
verbrieft werden mit Kontakten, damit es glaubwürdiger und stärker wird.
Wie viele Kreative bewegen Sie in diesem Jahrgang?
Wir schätzen, dass wir an die 370 Menschen bewegen, das ist der normale
Turnaround, das letzte Mal waren es etwas über 400 Menschen. Wir haben 26
Produktionen, die man sehen kann, in der alten Planung waren es 36
Produktionen, wir haben also einen Coronaverlust von 10 Produktionen, und
zwar aus den unterschiedlichsten Gründen. Entweder ist die Förderung
weggefallen, oder es ging aus Quarantänegründen nicht, manche Gruppen haben
sich sogar aufgelöst und aus Australien darf derzeit keiner ausreisen.
Also, die Gründe sind jeweils sehr komplex und ganz anders.
15 Jun 2021
## AUTOREN
Regine Müller
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