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# taz.de -- Bundesparteitag der Linkspartei: Jetzt mal nicht gegeneinander
> Die Linkspartei hofft auf ein Krisenende. Nicht nur die beiden
> Spitzenkandidat:innen betonen die Gemeinsamkeiten in der
> streitlustigen Partei.
Bild: Geschafft? Geschafft! Die Spitzenkandidat:innen Janine Wissler und Dietma…
Berlin taz | Der Tonfall der Tagungsleitung spiegelte das Debattenklima
wider: „Du bist ein bisschen süß, und ich danke dir“, flötete Thüringens
Multiminister Benjamin-Immanuel Hoff dem Genossen von der Antragskommission
am Sonntag zu. Dieser hatte zuvor in Richtung Hoff gesagt, wie sehr er sich
auf den gemeinsamen Parteitag gefreut habe. Freundliche Umgangsformen in
der Linkspartei? Ein ungewohntes Erlebnis.
Doch nicht nur das Tagungspräsidium gab sich große Mühe. So viel Harmonie
war selten – und im Vorfeld auch nicht zu erwarten gewesen. Dem zweitägigen
Treffen, auf dem die Linke ihr Wahlprogramm schließlich mit großer Mehrheit
beschloss, waren [1][heftiger innerparteilicher Zank] mit
[2][Ausschlussantrag und Wahlboykottaufruf] sowie eine erneute Wahlschlappe
in Sachsen-Anhalt vorangegangen.
In den Umfragen nur noch zwischen 6 und 7 Prozent, ist die Fünfprozenthürde
in bedenkliche Nähe gerückt. Die 574 gewählten Delegierten standen deshalb
unter verschärfter Beobachtung: Würden ihre Diskussionen über das
Wahlprogramm in eine Orgie gegenseitiger Vorwürfe und Schuldzuweisungen
ausarten?
Vorweggenommener Schluss: Nein, das war nicht der Fall. Im Gegenteil, waren
die Genoss:innen mächtig bemüht sachlich und inhaltlich zu diskutieren,
verzichteten auf gegenseitige persönliche Attacken, sondern streuten sogar
– so wie Hoff – das eine oder andere Kompliment ein. Die Partei scheint den
Ernst der Lage erkannt zu haben.
## Das Ziel: Gemeinsamkeiten voranstellen
Dazu gehört auch der Ausflug der Co-Vorsitzenden Susanne Hennig-Wellsow am
Freitag vor dem Parteitag zu Oskar Lafontaine ins Saarland. Aus der „tiefen
Überzeugung, dass wir miteinander reden müssen“, [3][wie sie in ihrer
Eröffnungsrede am Samstag betonte].
Der Linksfraktionsvorsitzende Dietmar Bartsch, der gemeinsam mit Janine
Wissler das Spitzenkandidat:innenduo bildet, bedankte sich dafür
ausdrücklich. „Das war wirklich toll“, lobte er Hennig-Wellsow, [4][die
seit Ende Februar zusammen mit Wissler die Linkspartei führt]. Es gehe
„jetzt darum, die Gemeinsamkeiten voranzustellen“, sagte Bartsch in seiner
Rede am Sonntag. „Wir brauchen Disziplin und Geschlossenheit.“ Ob das
klappen wird?
Geklappt hat das mit der Disziplin immerhin schon mal bei der Diskussion
über den [5][vom Parteivorstand eingebrachten Wahlprogrammentwurf]. 1.096
Änderungsanträge hatte es laut Antragskommission gegeben. Doch in der
Mehrzahl der Fälle gab es schon vor Konferenzbeginn Verständigungen:
Passagen wurden übernommen oder Kompromisse formuliert.
Blieben trotzdem noch etliche Anträge, über die auf dem Parteitag beraten
werden musste. Allerdings schaffte es so gut wie keiner, eine Mehrheit zu
finden. Auch der Antrag, die Linkspartei auf eine prinzipielle
Oppositionsrolle festzulegen, scheiterte deutlich.
## Große Mehrheit für das Wahlprogramm
Durchgekommen ist hingegen ein [6][pfiffig begründeter Antrag der
Linksjugend, die Schaumweinsteuer] abzuschaffen – die einzige Überraschung
auf dem Parteitag. Ihm sei der Beschluss „ganz symphatisch“, kommentierte
das Bartsch. Schließlich habe er schon einst in seiner ersten Rede im
Bundestag die Abschaffung der Sektsteuer gefordert. „Damals habe ich im
Übrigen sogar gefordert, die Biersteuer noch abzubauen.“
Schließlich wurde das Wahlprogramm mit einer klaren 87,9-Prozent-Mehrheit
beschlossen. Zu den Kernpunkten gehören ein Mindestlohn von 13 Euro, eine
Solidarische Mindestrente von 1.200 Euro, ein garantiertes Mindesteinkommen
in gleicher Höhe, einen bundesweiten Mietendeckel sowie die Wiedererhebung
einer Vermögenssteuer. Außerdem soll nach den Vorstellungen der Linkspartei
Deutschland bis spätestens 2035 klimaneutral sein. Das alles steht unter
der Überschrift: „Zeit zu handeln. Für soziale Sicherheit, Frieden und
Klimagerechtigkeit“.
Außenpolitisch bleibt die Partei bei ihrem Kurs der Ablehnung von
Kampfeinsätzen der Bundeswehr im Ausland, auch Rüstungsexporte lehnt sie
entschieden ab. Nach dem offensichtlichen Scheitern des fatalen
zwanzigjährigen Afghanistan-Einsatz fände sie es, „ehrlich gesagt, etwas
absurd, dass ausgerechnet wir als Linke unsere friedenspolitischen
Positionen überdenken sollen“, sagte Spitzenkandidatin Wissler. „In Zeiten
neuer Konfrontation stehen wir für konsequente Friedens- und
Entspannungspolitik.“
Auch Wissler appellierte in ihrer kämpferischen Rede am Sonntagmittag, das
Gemeinsame in den Mittelpunkt zu stellen. „Lasst uns nicht darüber Reden,
ob wir verschiedene Milieus erreichen, sondern wie wir verschiedene Milieus
erreichen“, forderte sie. Die gesellschaftliche Spaltung verlaufe zwischen
Oben und Unten „und nicht zwischen anderen Linien“. So gehöre denn auch der
Kampf um soziale und um politische Rechte „untrennbar zusammen“. Damit
stünde die Partei „in der Tradition der sozialistischen und der
Arbeiterbewegung“.
20 Jun 2021
## LINKS
[1] /Zukunft-der-Linkspartei/!5777284
[2] /Boykottaufruf-gegen-die-Linkspartei/!5773358
[3] /Bundesparteitag-der-Linkspartei/!5779916
[4] /Parteitag-der-Linkspartei/!5754253
[5] /Parteitag-der-Linkspartei/!5754253
[6] /Bundesparteitag-der-Linkspartei/!5779929
## AUTOREN
Pascal Beucker
Anna Lehmann
## TAGS
Janine Wissler
Schwerpunkt Bundestagswahl 2025
Parteitag
Die Linke
GNS
Dietmar Bartsch
Schwerpunkt Bundestagswahl 2025
Die Linke
Lesestück Recherche und Reportage
Susanne Hennig-Wellsow
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