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# taz.de -- Systemwissenschaftlerin über Wasser: „Eine Schande für Deutschl…
> In Niedersachsen wird das Wasser knapp und seine Nitratbelastung ist zu
> hoch. Professorin Claudia Pahl-Wostl über die Kurzsichtigkeit der
> Politik.
Bild: Noch findet man tiefe Stellen für den Köpper: die Talsperre Oderteich i…
taz: Frau Pahl-Wostl, einige Harz-Talsperren haben derzeit einen
Füllungsgrad von unter 50 Prozent, in vielen niedersächsischen Wäldern
vertrocknen die Bäume. Wer die Klimakrise leugnen will, hat es zunehmend
schwer, oder?
Claudia Pahl-Wostl: Stimmt. Das sind eindeutige Indikatoren dafür, dass
sich das Klima ändert. Wir verzeichnen geringere Niederschlagsmengen, die
Niederschlagsmuster ändern sich, jahreszeitlich wie regional. Hinzu kommen
die gestiegenen Temperaturen.
Dürreperioden sind für Niedersachsen wie für ganz Deutschland nichts Neues,
auch sterbende Wälder nicht. Aber die derzeitige Lage ist extremer als je
zuvor.
Die Dürre hält nun schon über mehrere Jahre an, und unsere Wälder sind dem
nicht gewachsen. Die Niedersächsischen Landesforsten, mit denen wir
zusammenarbeiten, machen sich intensiv Gedanken, [1][wie sich der Wald
umgestalten lässt], damit sich seine Widerstandskraft erhöht.
Dennoch sprengen viele ihren Rasen, befüllen ihren Pool. Bringt uns
mangelndes Wissen zu Fall?
Nicht der Mangel an Wissen, sondern die mangelhafte Umsetzung von Wissen –
vor allem in der Politik. Man hat sich zu wenig Gedanken gemacht, wie man
mit der Ressource Wasser umgeht, hat nicht vorausschauend genug gedacht,
sich abzeichnende Veränderungen ignoriert. Man wird erst aktiv, nachdem
viele Probleme längst manifest sind.
Trinkwasserknappheit ist die Folge, Ernteausfall in der Agrarwirtschaft,
Niedrigwasser behindert den Schiffsverkehr, auch in Deutschlands Norden.
Was muss geschehen?
Man muss dem Thema Wasser mehr Aufmerksamkeit widmen. Und wir brauchen
ganzheitliche Ansätze. Vor allem dürfen wir nicht länger alles
wirtschaftlichen Interessen unterordnen.
Sie befassen sich seit Langem mit dem Management der Ressource Wasser. In
Projekten wie „WaterNeeds“ und „STEER“ haben Sie einen weltweiten Fokus.
Was ist Ihre Haupterkenntnis?
Dass es überall Implementierungsdefizite gibt, nicht nur in Schwellen- und
Entwicklungsländern. Es gibt international gute Rahmenbedingungen, gute
Pläne, auch gute Gesetze, aber es hapert an ihrer Umsetzung. Auch
Deutschland macht da keine Ausnahme. Meist geht es dabei um den
Interessenkonflikt zwischen Wirtschaft und Natur. Die Wasserknappheit ist
bei uns zwar noch nicht so deutlich spürbar wie in anderen Ländern, aber
auch bei uns ist der Schutz der Ökosysteme kein Luxus, sondern absolut
notwendig.
Geben Sie uns ein Beispiel?
Es muss, beispielsweise, darum gehen, mehr Wasser in der Fläche zu halten.
Unsere Flüsse sind ja nichts anderes als Drainagekanäle, die es abführen.
Auengebiete, aber auch Moore spielen eine Rolle, als Speicher. Wir müssen
zudem der Bodenversiegelung entgegenwirken, den Wasserhaushalt insgesamt
wieder natürlicher gestalten. Und wir müssen nicht nur an die Quantität
denken, auch an die Qualität. Die müssen wir sehr konsequent schützen.
Die EU hat Deutschland mit einem Vertragsverletzungsverfahren unter Druck
gesetzt, wegen der hohen Nitratbelastung des Grundwassers durch Gülle aus
der Massentierhaltung. Die ist gerade in Niedersachsen ein Problem.
Es ist eine Schande für Deutschland, dass es so weit kommen musste. Die
durch die Intensivlandwirtschaft verursachten Probleme existieren bei uns
ja nun schon über Jahrzehnte, und man hat versäumt, diese anzugehen. Da
gibt es ja auch einen Globalzusammenhang, und er hat überall mit dem Wasser
zu tun. Unsere Landwirtschaft importiert Viehfutter aus Brasilien, um ihre
vielen Tiere ernähren zu können. Um Futter anbauen zu können, wird dort der
Regenwald abgeholzt. Die Gülle landet dann auf unseren Äckern und belastet
das Grundwasser.
Die Politik muss also Versäumnisse tilgen. Und was kann der Verbraucher
tun, jeder Einzelne von uns?
Der Wasserverbrauch der Haushalte hält sich in Deutschland ja durchaus in
Grenzen, im Vergleich zu anderen Ländern. Aber jeder sollte sich über
seinen Wasserfußabdruck Gedanken machen. Warum nicht Regenwasser für die
Gartennutzung auffangen, statt es ins Abwasser zu leiten? Und warum nicht
weniger Fleischkonsum?
Viel hängt also am Umbau der Landwirtschaft?
Sie ist einer der größten Wasserverbraucher. Aber ihre Lobbyverbände sind
stark. Und was als Umbau stattfindet, auch von Seiten der EU-Agrarreform,
ist eher bescheiden. Nehmen wir nur die Flächenprämien: Nur 20 Prozent
dieser Mittel sollen in Zukunft mit Öko-Auflagen verknüpft sein: Das
müssten mindestens 80 Prozent sein!
Sicher haben Sie auf ihren Reisen viel Negatives gesehen, in Sachen
Wasserbewirtschaftung. Was war das Schlimmste?
Ich muss da an Usbekistan denken, an den Aralsee. Nur noch Reste sind von
ihm übrig. Die Bewässerungsfeldwirtschaft hat ihn zerstört. Da wird in der
Wüste Reis angebaut, Baumwolle. Katastrophal – ökologisch, wirtschaftlich
und sozial.
29 May 2021
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## AUTOREN
Harff-Peter Schönherr
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