| # taz.de -- Niedersachsens neues Wassergesetz: Läuft für die Industrie | |
| > In Niedersachsen soll ein neues Wassergesetz verabschiedet werden. | |
| > Kritiker:innen bemängeln die vielen Ausnahmen bei der | |
| > Gebührenpflicht. | |
| Bild: Billiges Wasser für Coca Cola: Der firmeneigene Brunnen im Landkreis Lü… | |
| Göttingen taz | Es ist eine trockene Angelegenheit – die Debatte über das | |
| niedersächsische Wassergesetz. Die anstehende Novelle soll die [1][Qualität | |
| der Gewässer] verbessern und die Grundwassernutzung regeln. Doch wo | |
| Umweltminister Olaf Lies (SPD) einen „großen Schritt“ sieht, bemängeln | |
| Kritiker den Entwurf als unzureichend. Trotzdem soll das Gesetz im Dezember | |
| im Landtag verabschiedet werden. | |
| Einer der häufigsten Kritikpunkte: die vielen Ausnahmeregelungen bei der | |
| Gebührenpflicht. So sind zum Beispiel Unternehmen aus der Erdöl- und | |
| Erdgasindustrie, dem Kies- und Sandabbau oder Wasserkraftwerke von den | |
| Gebühren befreit. Imke Byl, umweltpolitische Sprecherin der Grünen, sagt: | |
| „Es kann einem doch niemand mehr erklären, weshalb ich als Bürgerin für | |
| mein Wasser bezahle, die Industrie aber in weiten Teilen von der Gebühr | |
| befreit ist.“ | |
| Der BUND und andere Verbände forderten, die Ausnahmeregelungen ganz | |
| abzuschaffen. Aus dem Umweltministerium heißt es, diese Änderungsvorschläge | |
| würden nicht weiter verfolgt, da das System der Wasserentnahmegebühr nicht | |
| Gegenstand des Gesetzentwurfs sei. | |
| Unverändert bleibt deshalb auch die Tatsache, dass öffentliche | |
| Wasserversorger fast genauso viel für den Kubikmeter Trinkwasser zahlen wie | |
| Firmen wie Coca Cola, die [2][in Lüneburg Grundwasser abpumpen], in | |
| Flaschen füllen und mit Gewinn weiterverkaufen. „Der Gesetzgeber bezeichnet | |
| Tiefengrundwasser als 'besonders schützenswertes Gut’, tut aber wenig für | |
| dessen Schutz“, kritisiert Marianne Temmesfeld von der Bürgerinitiative | |
| „Unser Wasser“ aus Lüneburg. | |
| Die Initiative bemängelt auch, dass als Grundlage für wasserrechtliche | |
| Genehmigungsverfahren, die regeln, wer wie viel Wasser nutzen darf, eine | |
| „völlig überaltete Datengrundlage herangezogen wird“, nämlich die Jahre | |
| 1961 bis 1990. In Zukunft sollen Wasserbestände mithilfe der Periode 2021 | |
| bis 2050 prognostiziert werden. Es sei vor dem Hintergrund der Klimakrise | |
| falsch, die Trockenjahre 2018 bis 2020 auszulassen, sagt Temmesfeld. Denn | |
| diese seien maßgeblich dafür verantwortlich, dass sich die | |
| Grundwasserspeicher in Niedersachsen nicht erholen. Aus dem | |
| Umweltministerium heißt es dazu, die aktuellen Daten vom Deutschen | |
| Wetterdienst lägen bisher nicht vor. | |
| Die niedersächsischen Grünen fordern die Landesregierung auf, die Novelle | |
| des Wassergesetzes noch einmal zu überarbeiten. „Die jetzige Fassung ist | |
| nicht zukunftsträchtig“, sagt Imke Byl. Es fehle ein Maßnahmenplan, um | |
| drohende Nutzungskonflikte um Wasser zu verhindern. Die Grünen fordern | |
| einen „Klimapuffer“ gegen die Übernutzung von Grundwasserreserven. | |
| „Schleswig-Holstein ist Niedersachsen im Gewässerschutz mindestens einen | |
| Schritt voraus“, sagt Byl. Dort müssen zum Beispiel Firmen, die mit der | |
| Gewässerpflege beauftragt werden, nachweisen, dass sie umweltverträglich | |
| arbeiten. In Niedersachsen komme es immer wieder vor, dass Gehölzer an | |
| Gräben oder Flüssen einfach abgemäht werden. Dort fehlt dann der Schatten, | |
| der wiederum wichtig für bestimmte Fischarten ist. | |
| Auch das Thema Starkregenvorsorge bleibt unangetastet. Dabei habe es einen | |
| konkreten Vorschlag vom Wasserverbandstag gegeben, so Byl. Kommunen sollen | |
| demnach einen Zuschlag auf die Abwassergebühr erheben dürfen, um davon zum | |
| Beispiel Rückhaltebecken zu bauen oder spezielle Grünflächen anzulegen. In | |
| Nordrhein-Westfalen wurde das bereits umgesetzt, die zusätzlichen Gebühren | |
| betragen dort 2,40 Euro pro Haushalt und Jahr. „Das ist zwar nicht gratis, | |
| aber doch sehr günstig“, sagt Byl. | |
| Der BUND Niedersachsen findet immerhin eingeschränkt lobende Worte für das | |
| neue Wassergesetz. Er begrüßt die Schaffung von sogenannten | |
| Entwicklungskorridoren entlang von Fließgewässern. Diese können Lebensräume | |
| für verschiedene Arten schaffen und als natürliche Überschwemmungsgebiete | |
| dienen. Weniger sinnvoll sei, dass die Korridore starre 25 Meter breit sein | |
| sollten. Die Breite müsse flexibel bestimmt werden. | |
| Seit dem ersten Gesetzentwurf im Mai 2017 gab es zahlreiche Stellungnahmen | |
| und Änderungsvorschläge. An der Fassung vom September 2021 ändert sich | |
| trotz Kritik nichts mehr. In der Sitzung des Umweltausschusses am Montag | |
| wurde der Entwurf durchgewinkt. | |
| 23 Nov 2021 | |
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| ## AUTOREN | |
| Juliane Preiß | |
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