# taz.de -- Kündigung des Betriebsratsvorsitzenden: Union-Busting bei Primark | |
> Der hannoversche Modehändler versucht, den Betriebsratsvorsitzenden | |
> loszuwerden – weil der im Homeoffice seinen privaten Laptop nutzte. | |
Bild: Der Spezialist für Billigmode versucht sich jetzt im Union-Busting | |
HANNOVER taz | Es hat schon eine gewisse Ironie, wenn ausgerechnet der | |
[1][Modehändler Primark] in Hannover nun die Bedeutung des Datenschutzes | |
erkennt. | |
Als Betriebsratsvorsitzender hat Ralf Sander hier in den vergangenen Jahren | |
an verschiedenen Stellen mit dem Unternehmen gerungen: Da mussten etliche | |
Überwachungskameras zurück gebaut werden, die jeden Winkel des Ladens – | |
inklusive der Gänge vor den Sozialräumen – bewachten. Und das | |
Zeiterfassungssystem, das ganz nebenbei biometrische Daten erfasste, weil | |
zum Ein- und Ausstempeln die Handrücken der Beschäftigten gescannt wurden. | |
Doch nun steht Betriebsrat Ralf Sander selbst im Kreuzfeuer. Der Vorwurf: | |
Er soll schwere Datenschutzverstöße begangen haben, indem er während des | |
Lockdowns im Homeoffice einen Personalplan und eine Betriebsvereinbarung | |
zur Kurzarbeit an seinem privaten Rechner bearbeitet und von seiner | |
privaten E-Mail-Adresse aus an Mitglieder von [2][Betriebsrat] und | |
Geschäftsleitung verschickt hat. | |
Die Vorwürfe sind vor allem deshalb ein wenig absurd, weil das Unternehmen | |
es zuvor ausdrücklich abgelehnt hatte, den Betriebsräten mobile Endgeräte | |
für die Arbeit zuhause zur Verfügung zu stellen. Für den gesamten | |
Betriebsrat gibt es zwei alte PCs im Betriebsratsbüro, das während der | |
Ladenschließung aber nicht immer nutzbar war, eine E-Mailadresse und ein | |
Smartphone, erklärt Sander. | |
## Geschäftsführung nimmt es selbst nicht so genau | |
Der Gesamtbetriebsrat klagt deshalb gerade in Berlin gegen Primark. In | |
Hannover regelt eine IT-Betriebsvereinbarung ausdrücklich, dass die | |
Betriebsräte für das Verschicken von Einladungen und Tagesordnungen ihre | |
privaten Mailadressen benutzen dürfen. | |
In diesem Fall, sagt das Unternehmen, seien aber sensible Personaldaten | |
verschickt worden. Und es sei eben nicht hinnehmbar, dass der Betrieb nicht | |
kontrollieren könne, wo diese nun noch überall gespeichert, | |
zwischengespeichert oder unzureichend gelöscht in virtuellen Papierkörben | |
existierten und möglicherweise von Dritten abgegriffen und missbraucht | |
werden könnten. | |
Das ist natürlich absolut richtig, räumt Sebastian Triebel ein, der den | |
Fall für die Gewerkschaft Ver.di betreut. Gerade Betriebsräte sollten für | |
dieses Thema sensibilisiert sein. Nur, meint er, müsste man dann eben auch | |
sichere Alternativen schaffen. | |
Zumal der Arbeitgeber selbst es offenbar nicht so genau nimmt: Noch bis vor | |
kurzem soll er die Dienstpläne aller – mehr als 300 – | |
Mitarbeiter*innen an deren private Mailadressen geschickt haben. „Und | |
zwar nicht als individuelle Einsatzpläne, sondern als Gesamtliste – so dass | |
jeder von jedem wusste, wer wann und wo arbeitet, frei macht, krank | |
geschrieben ist, in Elternzeit ist und so weiter“, erläutert Olivia Günter, | |
die Anwältin des Betriebsrates. | |
Diese Informationen gehen sogar noch über die Daten der Personalaufstellung | |
hinaus, die Sander per Mail verschickt hat. Was er im Übrigen auch nur | |
getan hat, weil er in seiner Eigenschaft als Beisitzer in einem | |
Einigungsverfahren einen Entwurf für die weiteren Verhandlungen erstellt | |
hat. Der Entwurf ging an die anderen Beteiligten in diesem | |
Einigungsverfahren – Richter*innen, Betriebsrät*innen, Geschäftsführung – | |
also ausschließlich Personen, die auch sonst Zugriff auf diese Daten hatten | |
und haben durften. | |
## Arbeitsrichterin weist Kündigung zurück | |
Trotzdem versucht Primark, daraus einen Grund für eine außerordentliche | |
Kündigung zu stricken. Aber das, ließ die zuständige Arbeitsrichterin in | |
Hannover bei der Verhandlung an diesem Mittwoch durchblicken, reiche nun | |
wirklich nicht aus. „Die Hürde für die außerordentliche Kündigung ist hoc… | |
und bei einem Feld, das mit so viel Unsicherheiten behaftet ist, hätte man | |
erst einmal andere Mittel wie Gespräche oder Abmahnungen wählen müssen“, | |
erklärte Richterin Gudrun Stoewer weiter. | |
Ver.di wittert dahinter allerdings System: „Wir haben zwei weitere | |
Kündigungsfälle bei Primark Berlin und ähnliche Vorwürfe gegen den | |
kompletten Betriebsrat in Weiterstadt“, sagt Triebel. In allen Fällen | |
sollten engagierte Betriebsrät*innen und Gewerkschafter*innen | |
eingeschüchtert und aus dem Betrieb vertrieben werden. | |
Dabei, sagt Triebel, habe Primark entgegen seines schlechten Rufes als | |
Ramsch-Verkäufer und Wegwerf-Modeladen noch bis vor ein paar Jahren einen | |
ganz ordentlichen Umgang mit den Vertreter*innen der | |
Mitarbeiter*innen gepflegt. Erst seit kurzem wehe hier ein anderer | |
Wind – möglicherweise habe der mit Wechseln im Management zu tun oder | |
[3][auch damit, dass der stationäre Handel stark unter Druck sei.] Anders | |
als große Konkurrenten wie H&M oder Zara hat Primark kein Onlinegeschäft. | |
20 May 2021 | |
## LINKS | |
[1] /Studie-ueber-Primark-in-Sri-Lanka/!5599072 | |
[2] /Betriebsraete-in-deutschen-Unternehmen/!5509575 | |
[3] /Modemarken-in-der-Corona-Krise/!5673493 | |
## AUTOREN | |
Nadine Conti | |
## TAGS | |
Fast Fashion | |
Primark | |
Betriebsrat | |
Arbeitnehmerrechte | |
Hannover | |
Union Busting | |
Streik | |
Betriebsrat | |
Arbeitsbedingungen | |
Schwerpunkt Coronavirus | |
Konsum | |
Primark | |
Verdi | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Bremer Konferenz zu Union Busting: Zermürbung als Strategie | |
Anlässlich eines krassen Falls aus der Region hat in Bremen eine Konferenz | |
zu Union Busting stattgefunden. Die Sabotage von Betriebsräten hat System. | |
Edeka und Primark kürzen Weihnachtsgeld: Nachträgliche Strafe für Streikende | |
Edeka und Primark haben Mitarbeiter*innen, die im Sommer gestreikt haben, | |
das Weihnachtsgeld gekürzt. Rechtlich ist das möglich. | |
Betriebsratsgründung bei Laverana: Über 30 Jahre zu spät | |
Der Naturkosmetikhersteller Laverana hat seit seiner Gründung 1987 keinen | |
Betriebsrat. Nun sitzen Gewerkschaft und Geschäftsführung an einem Tisch. | |
Arbeitsbedingungen beim Onlinedienst: Die prekären Helden | |
Der Lieferdienst Durstexpress hat mit dem Konkurrenten Flaschenpost | |
fusioniert. Dies ist jedoch kein Vorteil für die Mitarbeiter*innen. | |
Corona und mobiles Arbeiten: Bis Ende Juni allein zu Haus | |
Finanzminister Olaf Scholz lehnt eine vorzeitige Aufhebung der | |
Homeoffice-Pflicht ab. Unternehmen hatten dies gefordert. | |
Modemarken in der Corona-Krise: Eingeklemmt in der Lieferkette | |
Ob großes oder kleines Unternehmen – die Textilbranche arbeitet im | |
Krisenmodus. Am härtesten trifft es die Näher*innen. | |
Studie über Primark in Sri Lanka: Harte Arbeit für billige Mode | |
Die Bedingungen in manchen Zulieferfabriken von Primark sind schlechter, | |
als der Textildiscounter verspricht. Das belegt eine aktuelle Studie. | |
Betriebsräte in deutschen Unternehmen: Mitbestimmung zahlt sich aus | |
Wer etwas zu sagen hat, arbeitet besser: Eine Studie kommt zu dem Ergebnis, | |
dass Betriebsräte Unternehmen erfolgreicher machen. |