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# taz.de -- Modemarken in der Corona-Krise: Eingeklemmt in der Lieferkette
> Ob großes oder kleines Unternehmen – die Textilbranche arbeitet im
> Krisenmodus. Am härtesten trifft es die Näher*innen.
Bild: Schotten dicht: Primark schließt in der Coronakrise alle Filialen
Berlin taz | Die Textilbranche wird vom Coronavirus hart getroffen: Die
Läden sind geschlossen, der Onlinehandel stagniert. So berichtet Reinhard
Maas, Geschäftsführer von Maas Natur, der Handel im Netz habe sich in etwa
„halbiert“. Normalerweise macht dieser mehr als die Hälfte des Umsatzes
seiner ökosozialen Modemarke aus. „Die Leute kaufen sich jetzt nicht ein
neues Kleid, die haben andere Probleme“, sagt Maas.
Der global agierende Textildiscounter Primark gab Montag bekannt, dass er
alle Filialen schließe und keine Bestellungen mehr bei seinen Lieferanten
aufgebe. Und das kleine Berliner Label Kollateralschaden produziert viel
nach Maßanfertigung – das falle nun als Haupteinnahmequelle weg, sagt
Geschäftsführer Dennis Pahl. Egal, ob groß oder winzig – [1][alle arbeiten
im Krisenmodus].
Teilweise reagieren die Unternehmen auf die Lage mit Lieferstopps. So
liefern die Ökomarken ArmedAngels, Recolution oder auch der konventionelle
Hersteller Marc O’Polo vorerst nicht mehr an den Einzelhandel. Sie wollen
so die Händler entlasten. Gleichzeitig bugsieren sie sich in eine
Zwickmühle: „Wir wollen Lieferanten zahlen und Händler nicht zwingen,
Rechnungen zu bezahlen“, sagt Robert Diekmann, Chef des Hamburger Labels
Recolution. Er sucht nun nach „solidarischen Lösungen, mit der alle leben
können.“
Problem: Bei der Herbstware habe es vom Handel schon Stornierungsanfragen
gegeben, er habe aber schon bestellt. Um dem Dilemma zu entkommen, versucht
er nun, eventuell die bestellten Mengen abzusenken.
## Drohende Fabrikschließungen in Asien
Diekmann vermutet, dass auch der Sommer 2021 problematisch wird: „Wenn die
Händler die jetzige Kollektion einmotten und nächste Saison verkaufen.“
Dann brauche es nächstes Jahr auch keine neue Ware. Auch das ökosoziale
Kölner Label ArmedAngels versucht, auf Stornierungen bei Lieferanten zu
verzichten. „Wir wollen das Thema Nachhaltigkeit ernst nehmen:
Partnerschaftlichkeit leben und nicht nur Biobaumwolle draufschreiben“,
sagt Unternehmensgründer Martin Höfeler. „Eine Zeit lang können wir das so
machen, aber nicht ewig“, so Höfeler.
Enrico Rima ist einer der Chefs des Berliner Ökostoffherstellers
Lebenskleidung, der viele Ökodesigner und Labels beliefert. Er meint: „Des
Pudels Kern sind die Kunden. Der Einzelhandel hat Probleme, das schlägt
zurück.“ Rima hofft, dass sich die „sauengen Beziehungen“ zu den
Produktionsfirmen, den Weber- und Strickereien, nun auszahlen: „Die werden
mir nicht den Hals umdrehen, wenn ich die Rechnung nicht sofort zahlen
kann“, sagt Rima, „wir springen nicht von Produzent zu Produzent wie andere
Firmen, die wie Heuschrecken wegfliegen, wenn es woanders billiger ist,
sondern arbeiten teilweise schon 10 Jahre zusammen.“
Solidarität entlang der textilen Lieferkette fordert die
Frauenrechtsorganisaiton Femnet von allen Unternehmen der
Bekleidungsbranche. Besonders die Näherinnen in Fernost seien jetzt
bedroht. Die Initiative berichtet von drohenden Fabrikschließungen in
Myanmar, Kambodscha, Indonesien, Sri Lanka und Bangladesch aufgrund von
Stornierungen. Auch die Entwicklungs-NGO Inkota berichtet von
Stornierungen.
„Das nennt sich dann so schön Rückstau, aber das bedeutet komplette
Lohnausfälle von jetzt auf gleich. Das trifft die Menschen noch härter als
hier“, meint Berndt Hinzmann, Textilexperte von Inkota. Er betont: „Die
Gefahr ist, dass jetzt [2][alles in die Lieferkette zurückgeschoben] wird.
Da müssen Politik und Unternehmen Verantwortung übernehmen, damit die am
Ende der Kette nicht am stärksten leiden.“ Die jetzige Situation zeige
[3][die Notwendigkeit eines Lieferkettengesetzes], so Hinzmann.
23 Mar 2020
## LINKS
[1] /Unternehmen-in-Corona-Krise/!5668990
[2] /Verbaende-torpedieren-Lieferkettengesetz/!5663651
[3] /Forderung-nach-Lieferkettengesetz/!5669323
## AUTOREN
Mareike Andert
## TAGS
Konsum
Textilindustrie
Schwerpunkt Coronavirus
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