# taz.de -- Betriebsratsgründung bei Laverana: Über 30 Jahre zu spät | |
> Der Naturkosmetikhersteller Laverana hat seit seiner Gründung 1987 keinen | |
> Betriebsrat. Nun sitzen Gewerkschaft und Geschäftsführung an einem Tisch. | |
Bild: Glamouröse Öffentlichkeitsarbeit: Ein Model auf der Modemesse Lavera Sh… | |
HANNOVER taz | „Naturkosmetik für alle und überall“ – das ist die Vision | |
des Naturkosmetikherstellers Laverana aus der Region Hannover. Nachhaltig, | |
klimaneutral und sozial will die Firma durch niedrige Preise eine | |
„Demokratisierung der Produkte“ für Kund*innen weltweit erreichen. | |
Laverana labelt sich seit 2019 „klimaneutral“. Neben Ökologie stehe auch | |
Soziales im Mittelpunkt, schreibt die Firma über sich selbst. | |
Was sich nicht auf dem Onlineauftritt, in keiner Werbebroschüre und auf | |
keiner Cremetube findet: Nachhaltigkeit und Mitbestimmung gibt es bei | |
Laverana offenbar für Arbeiter*innen nur bedingt. In dem | |
Familienunternehmen, das 1987 in Rethen gegründet wurde, gibt es bis heute | |
keinen Betriebsrat. Dabei arbeiten mehr als 400 Mitarbeiter*innen über | |
drei Standorte in der Region Hannover verteilt für die Firma. | |
Seit über 100 Jahren steht Arbeitnehmer*innen in Deutschland nach dem | |
Betriebsverfassungsgesetz die Gründung eines Betriebsrates zu. Bei dem | |
Ökokosmetikhersteller sollen jedoch in der Vergangenheit mehrere solcher | |
Versuche verhindert worden sein, heißt es von der Industriegewerkschaft | |
Bergbau, Chemie und Energie (IG BCE). | |
Nun, mehr als 30 Jahre nach der Gründung des Unternehmens, rückt die | |
erstmalige Gründung eines Betriebsrats bei dem Kosmetikhersteller näher. | |
Die IG BCE und die Geschäftsführung des Unternehmens haben Gespräche für | |
eine Betriebsratswahl an allen drei Standorten von Laverana aufgenommen. | |
Zudem soll über einen Tarifvertrag Mitbestimmung verhandelt werden. | |
„Wir freuen uns sehr, dass wir nun endlich gemeinsam mit den | |
Laverana-Kolleg*innen auf dem Weg sind, einen Betriebsrat zu wählen und das | |
Unternehmen in die Tarifbindung zu führen“, sagt Gewerkschaftssekretärin | |
Regina Karsch von der IG BCE über die anstehenden Prozesse. | |
Und auch aus dem Unternehmen selbst heißt es: Man werde „die | |
Betriebsratswahl selbstverständlich unterstützen“. Den Vorwurf, solche | |
Wahlen seien zuvor verhindert worden, weist die Rechtsabteilung von | |
Laverana zurück. „Es trifft weder zu, dass Mitarbeitern oder | |
Mitarbeiterinnen im Zusammenhang mit der aktuell geplanten Gründung eines | |
Betriebsrats gekündigt wurde oder gekündigt werden soll, noch war dies in | |
der Vergangenheit der Fall.“ Über vorige Versuche, einen Betriebsrat zu | |
gründen, habe man keine Kenntnis gehabt. | |
Laverana gilt als sehr erfolgreich. Das Magazin Die Deutsche Wirtschaft | |
schätzte den Jahresumsatz 2020 auf rund 232,8 Millionen Euro. 2019 kürte | |
die Marken-Enzyklopädie Deutscher Standard den Naturkosmetikhersteller zur | |
Marke des Jahrhunderts. Das Unternehmen befindet sich im Besitz der Familie | |
des Firmengründers Thomas Haase. | |
Gründe für einen Betriebsrat scheint es aus Arbeitnehmer*innensicht | |
einige zu geben – zumindest wenn man den Bewertungen auf dem Portal | |
„Kununu“ Glauben schenkt. Dort können Mitarbeiter*innen ihre | |
Arbeitgeber*innen öffentlich einsehbar bewerten. | |
Im März schrieb dort etwa eine Person, die angibt im Werk in Barsinghausen | |
in der Produktion gearbeitet zu haben: „Hier ist gefühlt alles wichtiger | |
als der Angestellte.“ Das Image stehe für das Unternehmen an erster Stelle, | |
die Bezahlung lasse zu wünschen übrig, deswegen verließen | |
Mitarbeiter*innen regelmäßig das Unternehmen. „Nach außen hui, nach | |
innen pfui“, das sei der Zustand bei Laverana. | |
So sehen das auch andere Personen, die bei Kununu eine | |
Arbeitgeber*innen-Bewertung abgegeben haben: „Eine so schlechte | |
Kommunikation habe ich bis jetzt in keinem anderen Unternehmen erlebt“, | |
schreibt eine*r. Andere kritisieren: „Gehaltserhöhung geht nach Gesicht“ | |
oder dass einige Vorgesetzte „sehr respektlos“ mit dem Personal umgingen. | |
Ganz unten findet sich noch eine Warnung: Angeblich gehe die Firma gegen | |
schlechte Bewertungen auf dem Portal anwaltlich vor. | |
Michael Linnartz, Leiter des IG-BCE-Bezirks Hannover, sagt, es sei Zeit, | |
dass sich Laverana der sozialen Verantwortung stelle und Betriebsratswahlen | |
im Unternehmen nicht im Weg stehe. „Nachhaltigkeit beinhaltet neben der | |
ökologischen auch immer die soziale Dimension“, sagt Linnartz. | |
Und auch für das Unternehmen sei die Gründung gut: „Die Unternehmen, die | |
über Betriebsräte und Gewerkschaften verfügen und Konflikte | |
sozialpartnerschaftlich regeln, sind auf lange Sicht am Markt | |
erfolgreicher.“ | |
29 Jul 2021 | |
## AUTOREN | |
Michael Trammer | |
## TAGS | |
Betriebsrat | |
Gewerkschaft | |
Hannover | |
Nachhaltigkeit | |
Arbeitnehmerrechte | |
Verdi | |
Wilder Streik | |
Arbeitsrecht | |
Fast Fashion | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Arbeitsrecht und Unternehmen: „Klatsche“ für Sixt | |
Eine Mitarbeiterin wurde gekündigt, weil sie einen Betriebsrat gründen | |
wollte. Das sei unwirksam, hat das Arbeitsgericht Düsseldorf entschieden. | |
Streik beim Lieferdienst Gorillas: Arbeitskampf befristet | |
Seit Wochen streikt die Belegschaft des Lieferdienstes Gorillas. Doch eine | |
gewerkschaftliche Anbindung ist so wünschenswert wie riskant. | |
Arbeitsbedingungen bei VW-Tochter: Sie sollen fahren, nicht pinkeln | |
Bei der Volkswagentochter Moia wird die Arbeit über künstliche Intelligenz | |
organisiert. Für die Arbeitnehmer*innen bringt das einige Probleme. | |
Kündigung des Betriebsratsvorsitzenden: Union-Busting bei Primark | |
Der hannoversche Modehändler versucht, den Betriebsratsvorsitzenden | |
loszuwerden – weil der im Homeoffice seinen privaten Laptop nutzte. |