# taz.de -- Debatte um SPD-Landesvorsitzende: Giffey bleibt Spitzenkandidatin | |
> Die SPD müht sich, den Rücktritt der Bundesministerin wegen der | |
> Doktoraffäre als Ausdruck größter politischer Integrität hinzustellen. | |
Bild: Wegen der Affäre um ihre Doktorarbeit trat Franziska Giffey (SPD) jetzt … | |
BERLIN taz | Sie strahlt auch am Mittwochabend, gut acht Stunden nach ihrem | |
Rücktritt als Familienministerin, weiter von der SPD-Homepage: Franziska | |
Giffey bleibt auch als Ex-Regierungsmitglied SPD-Landeschefin und, weit | |
wichtiger, Spitzenkandidatin für die Abgeordnetenhauswahl am 26. | |
September. Die politische Konkurrenz begrüßte den Rücktritt wegen ihrer | |
Doktoraffäre, hielt sich aber – die AfD ausgenommen – mit Forderungen | |
zurück, Giffey möge sich komplett zurückziehen. | |
Sie war und ist ja auch im Wort, die nunmalige Ex-Ministerin, über deren | |
Rücktritt Bundeskanzlerin Angela Merkel ausdrücklich „großes Bedauern“ | |
äußerte. Da war zum einen ihre Ankündigung aus dem Jahr 2019, sie würde als | |
Ministerin zurücktreten, wenn ihr Doktortitel aberkannt werde – was sie nun | |
getan hat. Und da ist zu einem jenes [1][Versprechen, das sie vor einem | |
halben Jahr der SPD] bei ihrer Wahl zur Landesvorsitzenden im Neuköllner | |
Estrel-Hotel gab: „Ihr könnt euch auf mich verlassen, egal was passiert und | |
was die Leute sagen.“ | |
Die Debatte um ihre Doktorarbeit erwähnte sie dabei zwar nicht explizit, | |
aber ihre Worte galten weithin als feste Zusage, auch bei einer Aberkennung | |
an der Spitze zu bleiben. Das war die Basis, auf der die Sozialdemokraten | |
sie später auch zur Spitzenkandidatin für die Abgeordnetenhauswahl machten. | |
An diese beiden Versprechen knüpfte ihr Co-Vorsitzender Raed Saleh, der | |
Fraktionschef im Abgeordnetenhaus, in einer ersten Reaktion am | |
Mittwochvormittag an: Giffey habe gezeigt, „wie man Wort hält und damit | |
höchste Ansprüche an politische Integrität definiert“. Die Berliner SPD | |
gehe nun mit einer Spitzenkandidatin in den Wahlkampf, „die sich mit ganzer | |
Kraft auf ihre Herzenssache Berlin konzentriert“. Herzenssache ist das | |
Schlagwort von Giffeys Kampagne, ein Herz prangt auf [2][der SPD-Homepage | |
wie ein Heiligenschein über ihrem Kopf]. Salehs Sicht kann man Chuzpe | |
nennen oder ein Den-Stier-bei-den-Hörnern-packen – echte Alternativen | |
bieten sich ihm nicht. | |
## CDU lobt: „Konsequenter Schritt“ | |
Der politischen Konkurrenz von Grünen bis CDU merkte man an ihren | |
Reaktionen an, dass sie die Sache ganz vorsichtig angehen und nicht als die | |
dastehen wollen, die auf eine Gefallene eintreten – auch wenn sich Giffey, | |
was noch von der Freien Universität offiziell zu machen ist, mit der | |
Promotion selbst ein Bein stellte. | |
Berlins CDU-Generalsekretär Stefan Evers lobte ihren Rücktritt gar: „Das | |
ist ein konsequenter Schritt.“ Giffey habe dem Land damit eine quälende | |
Diskussion über Politiker und ihre Vorbildfunktion erspart. Auf die Frage | |
der taz, ob Giffey aus CDU-Sicht guten Gewissens das Rote Rathaus und damit | |
ein neues Regierungsamt ansteuern könne, sagte Evers: „Das muss die SPD mit | |
sich selbst klären, bei der CDU wäre die Antwort klar.“ Wobei dort zwar | |
schon diverse Politiker ihren Doktortitel verloren, diese aber nicht | |
zugleich Spitzenkandidaten waren. | |
Ähnlich vorsichtig klang es in einer Stellungnahme von Grünen-Landeschefin | |
Nina Stahr: Der Rücktritt sei überfällig gewesen, „Vertrauen und | |
Ehrlichkeit ist die Grundlage für gute Politik“. Grünen-Spitzenkandidatin | |
Bettina Jarasch, für die nach bisherigem Stand Giffey die einzige wirkliche | |
Konkurrenz im Kampf ums Rote Rathaus bedeutet, mochte sich am Mittwoch | |
nicht äußern. | |
## AfD haut als einzige Partei drauf | |
Bei der AfD hingegen drängten sich gleich mehrere darum, am heftigsten auf | |
Giffey einzuschlagen. Fraktionschef Georg Pazderski schrieb in einer | |
Presseerklärung: „Kein Platz für Giffey in Berlin“, Parteichefin Kristin | |
Brinker hielt die Hauptstadt für „zu wichtig, um als Resterampe für | |
gescheiterte Politikerexistenzen zu dienen“. | |
Erst am Dienstag hat die Berliner SPD ihren langsamen, aber stetigen | |
Anstieg in den Meinungsumfragen fortsetzen und sich beim Institut Insa | |
[3][auf 20 Prozent verbessern können,] vergangenen Sommer waren es dort nur | |
16 Prozent. Die Hoffnung, mit einem auf Giffey konzentrierten Wahlkampf ihr | |
Ergebnis am 26. September vom Abschneiden der aktuell bei Werten zwischen | |
14 und 16 Prozent darbenden Bundespartei ablösen zu können, schien nicht | |
unberechtigt. Zwar liegen die Grünen mit ihrer weiterhin eher unbekannten | |
Spitzenkandidatin Jarasch in der Umfrage bei 25 Prozent – aber | |
pandemiebedingt hat Giffey bislang nur eingeschränkt um Stimmen werben | |
können. | |
Ecken und Kanten hatte schon vor diesem Mittwoch das Herz, das auf der | |
SPD-Homepage die Kampagne mit der „Herzenssache“ symbolisiert, irgendwie | |
verformt oder ramponiert statt glatt und rund. Das passt nun gut für eine | |
Kandidatin, die bis zum 26. September Zeit hat zu zeigen, warum der | |
Rücktritt vom einen Regierungsamt nichts mit der Kandidatur fürs nächste zu | |
tun haben soll. | |
19 May 2021 | |
## LINKS | |
[1] /Neues-Vorsitzenden-Duo-der-SPD-Berlin/!5731992 | |
[2] https://spd.berlin/ | |
[3] https://www.wahlrecht.de/umfragen/landtage/berlin.htm | |
## AUTOREN | |
Stefan Alberti | |
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