# taz.de -- Neues Vorsitzenden-Duo der SPD Berlin: Giffey will den Unterschied … | |
> Auf einem digitalen Parteitag werden Franziska Giffey und Raed Saleh an | |
> die Spitze der Berliner SPD gewählt. Doch hinter den Kulissen beginnt der | |
> Flügelkampf. | |
Bild: Ein sehr bemühtes Symbolbild von Franziska Giffey und Raed Saleh im BMW-… | |
BERLIN taz | Der Abschied war emotional. So emotional, wie er bei einem | |
hybriden Parteitag mit nur wenig physisch Anwesenden eben sein kann. „Du | |
warst mit zwölfeinhalb Jahren der am längsten amtierende Landeschef der | |
Berliner SPD nach dem Krieg“, würdigte Berlins Innensenator Andreas Geisel | |
den Regierenden Bürgermeister Michael Müller, der am Freitagabend als | |
SPD-Landesvorsitzender abtrat. Zum Abschied gab es einen Originaldruck von | |
Andy Warhol mit dem Konterfei von Willy Brandt und einen Satz, den man | |
sonst nur aus der linken Szene kennt: „Michael, der Kampf geht weiter.“ | |
Zweimal hatte die Berliner SPD ihren Landesparteitag wegen Corona | |
verschieben müssen. Zweimal musste Bundesfamilienministerin Franziska | |
darauf warten, zusammen mit dem Fraktionschef im Abgeordnetenhaus, Raed | |
Saleh, [1][zur neuen Doppelspitze der SPD in der Hauptstadt gewählt zu | |
werden]. Und auch am Freitagabend musste sich Giffey, nachdem sie den | |
Genossinnen und Genossen bei einer emotionalen Rede versichert hatte, den | |
Unterschied machen zu wollen, noch etwas gedulden. Weil die 279 | |
Delegierten, die der Parteitagsregie im Hotel Estrel in Berlin-Neukölln | |
[2][von zuhause aus digital zugeschaltet waren], zu später Stunde noch in | |
ihre zwölf Wahllokalen zur Abstimmung mussten, wurde das Ergebnis erst am | |
Samstagmorgen verkündet. Giffey kam auf 89,4 Prozent der Stimmen. Saleh | |
bekam 68,7 Prozent. | |
„Ich will Euch auch sagen, wenn ihr es wollt, dann bin ich auch bereit, | |
Eure Spitzenkandidatin zu sein für das nächste Jahr“, erklärte Giffey nach | |
der Bekanntgabe des Wahlergebnisses. Zwei Stunden später äußerte sie bei | |
einem ersten Pressestatement: „Ich freue mich über das Ergebnis, das | |
Solidarität und Rückendeckung bedeutet. Wir schlagen mit der Doppelspitze | |
jetzt ein neues Kapitel in der Geschichte der Berliner SPD auf.“ Erstmals | |
sei eine Frau nun Landesvorsitzende. Dass Giffey von ihren Genossinnen und | |
Genossen tatsächlich zur Spitzenkandidatin für die Wahl zum | |
Abgeordnetenhaus im nächsten Herbst gekürt wird, ist nur noch Formsache. | |
In ihrer Bewerbungsrede am Freitagabend hatte Giffey, die ein langes rotes | |
Kleid trug, noch einmal ihren politischen Werdegang nachgezeichnet. „Ich | |
fühle mich hier ein bisschen zu Hause“, sagte sie und erinnerte daran, dass | |
sie sich als Bildungsstadträtin und Bezirksbürgermeisterin in Neukölln | |
dafür eingesetzt habe, „dass jedes Kind die gleichen Chancen hat“. Nun gehe | |
sie den Weg zurück vom Bund ins Land Berlin. „Das ist eine klare | |
Entscheidung. Weil mir meine Heimatstadt Berlin am Herzen liegt“, sagte die | |
in Frankfurt (Oder) geborene Giffey. | |
## Kein Wort über den Fall ihrer Doktorarbeit | |
Dass die Freie Universität Berlin ihre Doktorarbeit noch einmal prüft, | |
[3][erwähnte Giffey mit keinem Wort]. Sie sagte lediglich an die Adresse | |
der Delegierten. „Ihr könnt Euch auf mich verlassen, egal was passiert und | |
was die Leute sagen. Ich bin da, und ich will gemeinsam mit Euch, dass wir | |
für die Sozialdemokratie in Berlin das beste tun.“ [4][Für Giffey ist die | |
Sache mit ihrer Entscheidung, den Doktortitel nicht mehr zu führen, also | |
beendet]. | |
Inhaltlich brachte Giffey ihre Botschaft mit „fünf B“ an die Delegierten: | |
Bauen, Bildung, Beste Wirtschaft, Bürgernähe und Berlin in Sicherheit. | |
Letzteres, betonte die 42-jährige, bedeute nicht nur soziale Sicherheit, | |
sondern auch innere Sicherheit. „Wer in Berlin lebt, soll sich sicher | |
fühlen können. Wir müssen denjenigen den Rücken stärken, die sich dafür | |
einsetzen.“ Giffey fand dafür auch einen einfachen Claim: „Wir wollen eine | |
Stadt, in der nicht das Recht des Stärkeren gilt, sondern die Stärke des | |
Rechts.“ | |
Schon im Vorfeld ihrer Wahl hatten sich Giffey und Saleh dafür eingesetzt, | |
mehr Polizei, unter anderem auch „gegen Linksextremisten“, einsetzen zu | |
wollen, neue U-Bahnen bauen und bei der Verkehrswende auch die Autofahrer | |
nicht benachteiligen zu wollen. | |
Doch dass bei diesem von vielen als rückwärts gewandt empfundenen Programm | |
auch die Parteibasis ein Wörtchen mitreden will, machte der Parteitag | |
bereits am Freitag deutlich. Ein Antrag der „AG Migration und Vielfalt“ | |
forderte die Delegierten auf, das Wort „Clan-Kriminalität“ aus der so | |
genannten Konsensliste zu streichen. Begründung: Es sei als „Konzept des | |
Racial Profiling“ ersatzlos abzulehnen. Der Antrag, ein Affront nicht nur | |
gegen Giffey, sondern auch Innensenator Geisel, der zuletzt mit Razzien | |
gegen die organisierte Kriminalität mobil gemacht hatte, kam zunächst | |
durch, weil die Antragskommission seine Annahme empfohlen hatte. | |
Für Giffey und Saleh war das die erste Nagelprobe. Doch sie haben sie | |
vorerst bestanden. Nach einer Intervention des amtierenden Neuköllner | |
Bezirksbürgermeisters und Giffey-Nachfolgers Martin Hikel wurde der Antrag | |
wieder von der Konsensliste genommen. Bei ihrem Pressestatement betonte | |
Giffey am Samstag: „Die Bekämpfung der Clan-Kriminalität bleibt ein | |
Schwerpunkt der Berliner SPD. Wer mich gewählt hat, weiß, wofür ich stehe. | |
Ehrliche Politik beginnt damit, dass man sagt, was ist.“ | |
Nun will die neue Landesvorsitzende mit der Erarbeitung eines Wahlprogramms | |
beginnen. Bis zum Frühjahr soll es fertig sein. Giffey nennt es ein | |
Programm, von dem viele Berlinerinnen und Berliner sagen sollen: „Find ick | |
jut.“ | |
28 Nov 2020 | |
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## AUTOREN | |
Uwe Rada | |
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