# taz.de -- Brief für Verteilungsgerechtigkeit: KünstlerInnen für Vermögens… | |
> Über 100 Intellektuelle und Organisationen fordern die Regierung auf, | |
> Vermögende stärker zu belasten. Mit dabei: Annette Humpe und Maren | |
> Kroymann. | |
Bild: Hat auch den Brief unterschrieben: die Sängerin Annette Humpe | |
Berlin taz | Kanzlerin Angela Merkel redete im Dezember im Bundestag | |
Tacheles. Als die Linkspartei-Abgeordnete Gesine Lötzsch sie fragte, wie | |
sie den Vorschlag einer Vermögensabgabe bewerte, antwortete sie, dass sie | |
selbst und ihre Fraktion nicht daran dächten. Die strikte Weigerung ist | |
nichts Neues. CDU und CSU stemmen sich seit Jahren gegen Versuche, sehr | |
reiche Menschen stärker zu besteuern. | |
[1][Doch jetzt könnte eine breit getragene gesellschaftliche Initiative | |
frischen Wind in die Debatte bringen]. Mehr als 100 KünstlerInnen, | |
Intellektuelle und zivilgesellschaftliche Organisationen fordern angesichts | |
der Coronakosten und der sozial-ökologischen Herausforderungen eine | |
stärkere Besteuerung von Reichtum und mehr Verteilungsgerechtigkeit. | |
In einem offenen Brief an die Bundesregierung, der der taz exklusiv | |
vorliegt, schlagen sie die effektive Besteuerung großer Erbschaften und | |
Schenkungen und eine einmalige Vermögensabgabe vor. Außerdem fordern sie, | |
eine Vermögensteuer mit einem hohen Steuersatz und ausreichendem Freibetrag | |
einzuführen. Gleichzeitig warnen sie davor, öffentliche oder soziale | |
Ausgaben zu kürzen. | |
Merkels Nein zur Vermögensabgabe zur Finanzierung der milliardenschweren | |
Coronakosten „hat uns bestürzt“, heißt es in dem Brief wörtlich. In | |
Deutschland besäßen die 45 reichsten Haushalte mehr als die ärmere Hälfte | |
der Bevölkerung. Die sehr große sozioökonomische Ungleichheit habe sich in | |
der Krise weiter verstärkt. „Hyperreiche sind noch wohlhabender geworden, | |
während die finanzielle und soziale Not von finanzschwachen Gruppen sich | |
voraussichtlich weiter vergrößern wird.“ | |
## Bündnis „Wer hat, der gibt“ | |
Unterschrieben haben den Brief zum Beispiel der Schriftsteller Christoph | |
Hein, die Sängerin Annette Humpe oder die Schauspielerin Maren Kroymann. | |
Auch der Armutsforscher Christoph Butterwegge, Ulrich Schneider vom | |
Paritätischen Gesamtverband oder die Publizistin Marina Weisband gehören zu | |
den UnterzeichnerInnen, ebenso Organisationen wie Attac, Oxfam oder | |
verschiedene Ortsgruppen von Fridays for Future. Organisiert wurde der | |
Brief von dem Bündnis „Wer hat, der gibt“. | |
Durch die Coronahilfen für Unternehmen, die gestiegene Arbeitslosenquote | |
und Steuerausfälle stiegen die Staatsausgaben um Hunderte Milliarden Euro, | |
während gleichzeitig die Einnahmen sänken und die Staatsverschuldung | |
zunehme, heißt es in dem Brief weiter. Eine Rückkehr zur Schuldenbremse | |
sowie eine Tilgung der coronabedingten Staatsschulden bis 2042 lehne man | |
ab. „Unter keinen Umständen dürfen in den kommenden Jahren | |
Geringverdienende – nicht selten jene, die die Gesellschaft durch die Krise | |
tragen – unter Spardruck leiden.“ | |
Mit dem Jahr 2042 spielen die InitiatorInnen auf den Plan der | |
Bundesregierung an, bis dahin alle Coronaschulden zu tilgen. Jene sind | |
immens. Der Bundestag hat in der vergangenen Woche einer Rekordverschuldung | |
des Bundes von bis zu 240 Milliarden Euro in diesem Jahr zugestimmt. Mit | |
den Stimmen von Union und SPD beschloss das Parlament am Freitag einen | |
Nachtragshaushalt, mit dem die bisher geplante Neuverschuldung um rund 60 | |
Milliarden Euro erhöht werden kann. | |
[2][Die Forderungen des Bündnisses finden sich am ehesten bei Grünen, SPD | |
und Linkspartei wieder.] Die Grünen fordern in ihrem Entwurf fürs | |
Wahlprogramm eine Vermögensteuer. Sie soll ab einem Vermögen von 2 | |
Millionen Euro pro Person gelten und jährlich 1 Prozent betragen. Auch die | |
SPD fordert eine solche Steuer, nur sollen die Sätze für Superreiche auf | |
bis zu 2 Prozent steigen. Die Linkspartei wirbt für eine Vermögensteuer, | |
die Vermögen ohne Schulden ab 1 Million Euro mit 1 Prozent belasten würde. | |
Ab 50 Millionen Euro Vermögen wären 5 Prozent fällig. Für Unternehmen und | |
betriebsnotwendiges Vermögen gäbe es einen Freibetrag von mindestens 5 | |
Millionen Euro. | |
28 Apr 2021 | |
## LINKS | |
[1] https://werhatdergibt.org/offenerbrief/ | |
[2] /Vermoegensteuer-Politik-der-Gruenen/!5750815 | |
## AUTOREN | |
Ulrich Schulte | |
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