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# taz.de -- Kleiderkammern in Hamburg: Volle Lager, keine Weitergabe
> Hamburgs Kleiderkammern quellen über, zugleich steigt die Zahl der
> Bedürftigen. Aber die Kleiderkammern können pandemiebedingt nicht öffnen.
Bild: Viel zu tun: Helfer:innen von Hanseatic Help sortieren Altkleider im Augu…
Hamburg taz | Ein Tag im Homeoffice kann eine gute Gelegenheit sein, den
Kleiderschrank zu durchforsten und sich von Klamotten zu trennen, die man
nicht mehr trägt. Andrea Hniopek, die Leiterin des Fachbereichs für
Existenzsicherung bei der Caritas spricht aus Erfahrung: „Seit Corona
sitzen die Leute im Homeoffice und misten ihre Kleiderschränke aus. Da
kommt so viel zusammen, das können wir gar nicht alles annehmen“, sagt sie.
Nur leider kommen die Spenden gar nicht bei den Bedürftigen an, denn die
Kleiderkammern sind coronabedingt geschlossen. In den Containern stauen
sich die Klamotten. Dabei wäre der Bedarf an Altkleidern derzeit hoch, weil
die Coronapandemie Ungleichheit und Armut verstärkt.
Es gab bereits Lösungsideen: Im vergangenen Jahr habe die Caritas eine
mobile Kleiderkammer eingerichtet, die von außen zugänglich war, berichtet
Hniopek. Die Nachfrage sei jedoch so immens gewesen, dass das Team der
Caritas sie nicht habe bewältigen können. Die Nachbar:innen hätten sich
schließlich wegen des Trubels beschwert. Die Caritas musste die Ausgabe
stoppen und auch die Annahme einstellen. Lediglich in akuter Not, also wenn
jemand ohne Schuhe vor der Tür stehe, kümmere sich ein:e
Sozialarbeiter:in darum, den Betroffenen einzudecken, so Hniopek.
Was aber genau macht den Weg des aussortierten Wollpullovers vom
Kleiderschrank zur bedürftigen Person so kompliziert und
corona-unfreundlich?
Die meisten Kleiderspenden werden in Kellern gelagert und nicht in
Hauptgebäuden. Konzepte zu entwickeln, bei denen die Leute coronakonform
warten, sich zur Kontaktverfolgung eintragen und dann genug Zeit bekommen,
um sich etwas auszusuchen, hält Hniopek für unrealistisch. Nicht zuletzt,
weil ein Großteil der Obdachlosen und Bedürftigen aus dem EU-Ausland komme,
sodass die Sprachbarriere die Kommunikation erschwere. Außerdem sei
Kleidung eben nicht nur Kleidung. „Es geht da viel um Selbstbestimmung,
Wahlmöglichkeiten und Ausdruck“, sagt Hniopek. „Ich habe mir wirklich den
Kopf zerbrochen, aber ich sehe keine Möglichkeit, wie wir unter den
derzeitigen Bedingungen wieder öffnen könnten.“
Diese Schwierigkeiten kennt auch Manuela Szepan von der Hamburger
Hilfsorganisation Hanseatic Help. Diese war 2015 aus einer Bürgerinitiative
entstanden, die quasi über Nacht Kleiderausgaben für Geflüchtete in den
Messehallen organisiert hatten. Derzeit sei der Verein die einzige
Anlaufstelle in Hamburg, die noch limitiert Kleiderspenden entgegennehme,
sagt Szepan. Die Vorgabe: Pro Haushalt zwei Säcke und bitte keine
Damenkleidung mehr. „Problematisch war anfangs vor allem, dass viele nicht
nur Klamotten, sondern auch Müll in die Säcke stopften“, sagt Szepan.
Seit die Altkleidercontainer geschlossen sind, legen manche die Säcke
einfach bei Institutionen wie Hanseatic Help vor die Tür. Anfangs mussten
die Ehrenamtler diese mit crononabedingter Minimalbesetzung sortieren und
im Zweifel über den Restmüll kostenpflichtig entsorgen. Mittlerweile
versuchen sie, die Säcke zumindest während der Öffnungzeiten schon bei der
Abgabe zu kontrollieren.
„Viele unserer ehrenamtlichen Helfer sind Rentner“, sagt Szepan. „Gerade
bei ihnen war die Angst, sich anzustecken, zu Beginn der Pandemie groß.“
Unternehmen hatten Schutzausrüstung wie Masken, Handschuhe und
Desinfektionsmittel gespendet. Auch finanzielle Unterstützung durch die
Stadt hätte da helfen können, sagt Szepan. Um den betroffenen Menschen in
der aktuellen Notlage zu helfen, wären ihrer Meinung nach vor allem die
Erhöhung des Hartz IV-Satzes und eine ordentliche Grundsicherung für
Rentner:innen wichtige politische Maßnahmen.
Gesonderte Angebote für Menschen, die auf Kleider- und Sachspenden
angewiesen sind, gibt es seitens der Stadt nämlich nicht. Die Sozialbehörde
verweist dazu lediglich auf eine Online-Übersicht mit externen
Anlaufstellen. Ein Großteil davon hat die Ausgabe und Aufnahme von
Kleiderspenden jedoch längst gestoppt. Was die Ausmistenden betrifft, rät
auch Szepan zum Online-Besuch: „Auf den Internetseiten der Initiativen
steht eigentlich immer, was gebraucht wird und was nicht. Sich daran zu
halten, entlastet uns schon total.“
17 Mar 2021
## AUTOREN
Johanna Sethe
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