# taz.de -- Alltagsmode im Pandemiesommer: Der Hot-Maus-Summer-Stress | |
> Der lange Pandemiewinter beförderte einen gemütlichen Gammel-Look. Ist | |
> Mensch in Zeiten der Öffnung nun wieder bereit, sexy zu sein? | |
Bild: Gelnägel: mal schlicht lackiert, mal glitzernd oder mit aufwendigen Moti… | |
Der Hot Maus Summer, auf den wir so lange hingefiebert haben, nähert sich | |
mit jedem sonnigen Tag, mit der Öffnung der Außengastronomie und allmählich | |
auch aller coronogamen Beziehungen. Nur: Sind wir bereit dafür? | |
Denn mit den sich anbahnenden neuen alten Freiheiten kommt ein massiver | |
Druck, auf einmal so zu tun, als wären die letzten fünfzehn Monate nie | |
gewesen. Als hätten wir nicht unsere Thirst-Trap-Outfits gegen [1][bequeme | |
Funktionskleidung gewechselt], die Schminke im Regal verstauben lassen, uns | |
an unperfekte Haarschnitte und die Isolation gewöhnt. | |
Klar, die Pandemie ist noch lange nicht vorbei und es ist zu früh, ein | |
absehbares Ende zu feiern. Trotzdem vermitteln die zurechtgemachten, | |
fröhlichen Gesichter, die vor Bars an Drinks nippen, dass wir unsere | |
missglückten Sauerteige und getwisteten Kerzen nun beiseite legen, | |
stattdessen wieder an unseren Körpern statt unserer Einrichtung | |
herumdekorieren sollten. [2][Die vernachlässigten Klamotten], die | |
monatelang in die hintersten Ecke unserer Schränke rückten, wollen endlich | |
wieder angezogen werden – wenn sie denn noch passen. | |
Mental befinde ich mich noch im Long Hermit Winter, dort, wo Zahn- und | |
Hautpflege die einzig verpflichtenden Routinen der Körperarbeit sind, wo | |
ich nicht mehr genau weiß, was Femmeness eigentlich noch bedeutet, wenn | |
meine ehemaligen Lieblingsoutfits in mir Gender-Beklemmung und | |
Verunsicherung auslösen. Habe ich es verlernt, sexy zu sein? War ich es | |
jemals? | |
## Glamour oder Gammel? | |
Der Weg ins Zurück hinterlässt auch deshalb so eine Orientierungslosigkeit | |
in mir, weil ich auf einmal nicht mehr weiß, ob es ein guter Ort war. Ich | |
vermisse meine langen Gelnägel, mal schlicht lackiert, mal glitzernd oder | |
mit aufwendigen Motiven bemalt. Mit ihnen fühlte ich mich immer badass. Als | |
die Kosmetiksalons schließen mussten, verabschiedete ich mich von ihnen, | |
musste meine brüchigen Nägel erst einmal rauswachsen lassen, bis sie wieder | |
gesund und sehr praktisch wurden. | |
Möchte ich das überhaupt noch, den Komfort aufgeben für ein bisschen | |
Glamour? Oder sollten wir in dieser Hinsicht die Krise wirklich als Chance | |
begreifen? Neue Möglichkeiten der Sexyness könnten sich eröffnen. | |
Kuscheliges Fleece, glänzende Goretex-Styles, quietschende Crocs, | |
Übergangsfrisuren ohne Ziel, all das könnten wir dank neuer Sehgewohnheiten | |
auf dasselbe Attraktivitätslevel wie knappe Mesh-Tops, Plateau-Sandalen und | |
frische Seiten befördern. | |
Okay, im Milieu dieser Zeitung war es vermutlich nie anders gewesen und das | |
führt zum eigentlichen Problem: Es ist nicht unser Aussehen, das | |
überfordert, sondern das Miteinander, das sich am gravierendsten verändert | |
hat. [3][Die soziale Batterie hat keine lange Akkulaufzeit] mehr. Okay, | |
cute date idea: Wir treffen uns im Gammellook in der ruhigsten Ecke der | |
Stadt und schweigen auf separaten Decken nebeneinander? | |
3 Jun 2021 | |
## LINKS | |
[1] /Berliner-Kunst--und-Modeprojekt/!5760107 | |
[2] /Mode-und-die-Coronakrise/!5725050 | |
[3] /Soziologe-Hartmut-Rosa-im-Gespraech/!5763329 | |
## AUTOREN | |
Hengameh Yaghoobifarah | |
## TAGS | |
Kolumne Habibitus | |
Schwerpunkt Coronavirus | |
Mode | |
Schönheit | |
Kolumne Habibitus | |
Pandemie | |
IG | |
Mode | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Nichts zu feiern im Pride Month: Weiterkämpfen und Erinnern | |
Während sich das Land in Regenbogenflaggen hüllt, trage ich schwarz. Ich | |
denke an alle trans oder queeren Menschen, die gestorben sind. | |
Soziologe Hartmut Rosa im Gespräch: „Die Umwege fehlen jetzt“ | |
Corona hat das Hamsterrad des Lebens gebremst, trotzdem sind wir rastloser. | |
Soziologe Hartmut Rosa sagt, warum die Krise die Jungen besonders trifft. | |
Kleiderkammern in Hamburg: Volle Lager, keine Weitergabe | |
Hamburgs Kleiderkammern quellen über, zugleich steigt die Zahl der | |
Bedürftigen. Aber die Kleiderkammern können pandemiebedingt nicht öffnen. | |
Mode und die Coronakrise: Ansteckende Trends | |
Corona hat einen eigenartigen Combatstil aus subtilen und derben Elementen | |
hervorgebracht. Doch was kommt nach der Krise? Eine ganz andere Branche? |