# taz.de -- Mode und die Coronakrise: Ansteckende Trends | |
> Corona hat einen eigenartigen Combatstil aus subtilen und derben | |
> Elementen hervorgebracht. Doch was kommt nach der Krise? Eine ganz andere | |
> Branche? | |
Bild: 100 Prozent virensicher: Entwurf für das Frühjahr 2021, präsentiert au… | |
Streetwear sei tot, verkündete ausgerechnet der Papst der Streetwear | |
[1][Virgil Abloh] Ende letzten Jahres. Er, der mit Designern wie Demna | |
Gvasalia und Gosha Rubchinskiy die ganzen 2010er Jahre prägte und | |
Streetwear ins Zentrum der High Fashion brachte, die von Luxus- und | |
Traditionshäusern wie Louis Vuitton oder Balenciaga als Kreativdirektoren | |
eingesetzt wurden und Traditionshäuser dazu brachten, mit | |
Sportartikelherstellern zu kooperieren. | |
Ein Trend, der in der Branche als Demokratisierung verkauft wurde – von | |
Rich-Kids-Fashionistas, die sich um die aufgerufenen Preise nicht scheren | |
mussten. Man erinnere sich nur an das [2][DHL-T-Shirt von Vetements] für | |
245 Euro, das mittlerweile auf Ebay für 500 Euro angeboten wird. | |
Mit Demokratisierung hatte das wenig zu tun, obzwar die neuen kreativen | |
Köpfe immerhin die Modewelt diverser machten, Abloh nicht einmal eine | |
Designausbildung mitbrachte und die Koordinaten insgesamt ordentlich | |
durcheinandergewirbelt wurden. In diesem Sinne dürfte Demna Gvasalia das | |
überteuerte Vetement-T-Shirt eher als ein Spiel mit dem System Mode | |
verstanden haben. Wie auch immer, das alles sollte also vorbei sein. | |
Gvasalia verließ [3][2019 Vetements], und Abloh verkündete das Ende der | |
Streetwear. | |
Stattdessen unkte man, Eleganz und Sex würden in den kommenden Jahren die | |
Mode wieder bestimmen – Hosenanzüge, Bleistiftröcke, Kostüme, Kleider, | |
Dekolletébetontes und so was. Doch dann kam Corona. Und wer konnte, | |
schlüpfte in beigefarbene (Homeoffice-)Loungewear und nihilistische | |
Jumpsuits, um ganz ohne Not wie Winston Churchill in seinem | |
[4][Sirenenanzug] auszusehen, der einst für den schnellen Unterschlupf im | |
Luftschutzbunker konzipiert wurde. | |
## Überall Chunky Boots | |
Nicht ganz so subtil erinnert ein anderer ultimativer Herbsttrend an Krieg: | |
die Chunky Boots. Chunky Boots sind Boots im Chelsea-Stil mit klobigsten | |
Laufsohlen, die bis zur Wadenmitte reichen. Die Kombination aus klobiger | |
Sohle und der für Chelseaboots ungewöhnlichen Schafthöhe lässt sie sehr | |
brutalistisch wirken. Bereits letzten Herbst wurde das Ur-Modell von | |
Bottega Veneta präsentiert, einem Label, das wie davor Celine und | |
Balenciaga einen Renaissance-Hype erlebt. Doch erst in diesem Herbst nun | |
sind die Chunky Boots überall zu sehen, von Acne bis Zara. | |
Wird diese Mischung aus Indoor-Nihilismus und Outdoor-Combat-Look | |
vielleicht irgendwann in der Modegeschichte als Corona-style erinnert | |
werden? Könnte sein. Fest steht: Mode reagierte schon immer schnell auf | |
Krisen, nicht bloß was ihre Materialien angeht. Nach der Großen Depression | |
1929 wurden die Röcke länger und die Taillen enger, und nach dem Zweiten | |
Weltkrieg gab Dior mit seinem [5][New Look] der gesellschaftlichen | |
Restauration eine entsprechende Silhouette. | |
Doch wie wird ein New Look nach Corona aussehen? Kommt dann die neue | |
Eleganz – eben nur zeitverzögert und womöglich gepaart mit viel Glamour? | |
Virgil Abloh, der als der vielleicht wichtigste Designer der Zeit gilt, hat | |
in einem Gespräch im Rahmen der [6][„Vogue Global Conversations“] etwas | |
ganz anderes prophezeit. Die immer neuen Produkt-Hypes und Warenspektakel | |
der Streetwear passten nicht mehr zu dem neuen Zeitgeist. Das deutete sich | |
bereits im Trend zu mehr Nachhaltigkeit an. | |
Die Modebranche müsse sich, so Abloh, insgesamt neu ausrichten und erst den | |
Verbraucher*innen zuhören, um dann zu reagieren, anstatt wie zuvor von oben | |
auf die Kund*innen herabzureden. Die Leute würden sich vermehrt Unternehmen | |
zuwenden, die ein Anliegen haben. Abloh sprach gar von „service industry“ �… | |
und alle wurden hellhörig. Tatsächlich haben ja die Modehäuser zu Beginn | |
der Pandemie schnell reagiert. Balenciaga, Saint Laurent, Gucci und Prada | |
stellten Schutzmasken für Spitäler her. | |
## Geht das zusammen? | |
Ist diese Erfahrung aus der Coronazeit eine, die einen nachhaltigen Effekt | |
auf Mode haben wird? Die Vogue sah kürzlich bereits die Ära des | |
„sozialverträglichen Kleidens“ angebrochen und meinte eben gerade nicht nur | |
nachhaltiges Produzieren. Sozialverträglichkeit in einer Branche, die sich | |
aus der permanenten Behauptung von Individualität konstituiert? Ob das | |
wirklich zusammengehen wird? | |
2 Nov 2020 | |
## LINKS | |
[1] https://www.off---white.com/ | |
[2] https://www.theguardian.com/fashion/2016/apr/19/dhl-t-shirt-vetements-fashi… | |
[3] https://fashionunited.de/nachrichten/personen/demna-gvasalia-verlaesst-vete… | |
[4] https://www.alamy.de/stockfoto-winston-churchill-zum-entspannen-in-einer-si… | |
[5] https://artsandculture.google.com/exhibit/christian-dior-the-new-look/cQKik… | |
[6] https://www.vogue.de/mode/artikel/vogue-global-conversations | |
## AUTOREN | |
Tania Martini | |
## TAGS | |
Mode | |
Kleidung | |
Schwerpunkt Utopie nach Corona | |
Maske | |
Fashion | |
Schwerpunkt Coronavirus | |
Mode | |
Mode | |
Kulturwissenschaft | |
Kolumne Habibitus | |
Buch | |
Fashion Week | |
Kolumne Berlin viral | |
Schwerpunkt Coronavirus | |
Mode | |
Heiko Maas | |
Fashion | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Teddyfell als Fashiontrend: Faustdick hinter den Ohren | |
Das Teddyfell ist in der Mode gerade allgegenwärtig. Ist das bloß eine | |
Ausweitung der Komfortzone? Oder steckt noch etwas anderes dahinter? | |
Nachwuchswettbewerb für Modedesign: Zeichen der Zeit | |
Beim International Talent Support in Triest wird die Zukunft der Mode | |
gemacht. Die gezeigten Entwürfe der Modedesigner:innen waren | |
sensationell. | |
Expertin über Nerds: „Der Nerd war immer schillernd“ | |
Der Nerd ist unsozial, technikversessen und trägt dicke Brillen, sagt das | |
Vorurteil. Dass in ihm auch ein Künstler steckt, zeigt Annekathrin Kohout. | |
Alltagsmode im Pandemiesommer: Der Hot-Maus-Summer-Stress | |
Der lange Pandemiewinter beförderte einen gemütlichen Gammel-Look. Ist | |
Mensch in Zeiten der Öffnung nun wieder bereit, sexy zu sein? | |
Buch von Diane von Furstenberg: Liebe zum Ratschlag und zu Zebras | |
Die Designerin hat ein Glossar für ein selbstbestimmtes Leben geschrieben. | |
„Own It. The Secret to Life“ heißt das nette Mitbringsel. | |
Berlin Fashion Week diesmal nur digital: Wie Phönix aus der Asche | |
Allen Abgesängen und der Pandemie zum Trotz findet die Berlin Fashion Week | |
statt. Digital und vielversprechend. Der Senat buttert Millionen ins Event. | |
Grandezza im Pyjama: Winter Look 2020 | |
Zalando ist einer der Gewinner der Pandemie-Zeit. Die Regel „Bleib zuhause“ | |
verwischt auch die Codes der Kleidung zwischen Arbeit und Freizeit. | |
Aktuelle Entwicklungen in der Coronakrise: Spahn appelliert an Bürger:innen | |
Der Gesundheitsminister mahnt, sich an die Coronaregeln zu halten. Dietmar | |
Woidke ist infiziert. Das RKI meldet 15.352 Neuinfektionen. | |
Was die Trendforschung sagt: Und jetzt 30 braune Jahre | |
Braun ist angesagt. Was normalerweise ein oder zwei Saisons hält, soll nun | |
länger bleiben. Kleine Anmerkungen zu schwierigen Koinzidenzen. | |
Außenminister leger gekleidet: #Maasanzug | |
Im Freizeitlook trat der Außenminister vor die Presse – und erntete Häme | |
und Spott. Zu Unrecht: Endlich hat mal einer die Uniform abgelegt. | |
Männermode im Sommer: Erotik der Wade | |
Die meisten Männer haben Angst vor kurzen Hosen. Dabei trug der der Mann | |
einmal gerne kurze Hosen und sogar Wadenpolster. |