# taz.de -- Teddyfell als Fashiontrend: Faustdick hinter den Ohren | |
> Das Teddyfell ist in der Mode gerade allgegenwärtig. Ist das bloß eine | |
> Ausweitung der Komfortzone? Oder steckt noch etwas anderes dahinter? | |
Bild: Teddy und Fake Fur sind im Trend – wie jüngst bei der Mailänder Fashi… | |
Felliges und Flauschiges ist Grundkleidungsmittel in jedem kalendarischen | |
Winter. Aber der schiere Umfang, in dem Tier- und Kunsttierfelle die | |
Garderoben quer durch alle Kategorien erobert haben, fällt auf. Bouclé, | |
Shearling, Teddyfell, sie scheinen dort auch gar nicht mehr so bald | |
wegzugehen. | |
Und vom ebenfalls sehr anschmiegsamen Strick und Ähnlichem wäre damit noch | |
gar nicht gesprochen. (Wo leben sie alle, die Kaschmirziegen und | |
Merinoschafe, die plötzlich den Edelstrick für die Unmengen erfreulich | |
kostengünstigen Pullover, Cardigans, Pantoffeln, Kleider und Hosen | |
liefern?) | |
Der Teddymantel, in dem – und das ist eine gute Sache – alle ähnlich | |
unförmig ausschauen, ist natürlich schon eine Weile etabliert. Aber es gilt | |
offenbar, weitere Kleidungsressorts für das Thema Fell urbar zu machen. | |
Besonders gut konnte man dies in den letzten Monaten an Kleidungsstücken | |
und Accessoires ausmachen, die für gewöhnlich überhaupt nicht oder deutlich | |
seltener mit Fell assoziiert wie appliziert werden: Handtaschen zum | |
Beispiel. | |
Oder Schuhe. Jeweils von außen betrachtet, nicht von innen, wo Fütterungen | |
an sich natürlich nichts Ungewöhnliches sind. Jetzt aber gibt es komplette | |
Slipper oder Stiefel aus wollweichem Material, sanfter noch als der | |
klassische Hausschuh, plüschig wie ein Kuscheltier. | |
## Eher ungeeignet | |
Besonders funktional kann das kaum sein – genau wie die Fellapplikationen, | |
die jetzt Handtaschen zieren, wenn jene nicht gleich in Gänze aus einem | |
Flauschteppich herausgeschnitten wurden: Einmal ausgekippte Getränke kleben | |
hier, ob Kunst- oder Echtfell, sehr zuverlässig drin. Und Fellschuhe sind | |
zumindest für Schneematsch, westeuropäische U-Bahn-Stationen et al. auch | |
eher ungeeignet. | |
Aber vielleicht liegt hier gerade der Kern: in der schönen Umständlichkeit, | |
Klobigkeit, einem Kleidungsstück, das auf den ersten Blick ein bisschen | |
Unbeholfenheit verströmt. Man könnte sich an tatsächliche Wolkenberge | |
erinnert fühlen, durch die und in denen man hier watet. Oder an das | |
sprichwörtliche Sentiment, wie in Watte gepackt zu sein. | |
Begriffe wie Behaglichkeit oder Häuslichkeit wären schon fast untertrieben | |
für diese modischen Zustände – denn da wäre in diesem Fall ja immer noch | |
ein Raum, ein häusliches Außen, durch das man sich bewegt. Das Fell wird | |
zur ultimativen Ausweitung der Komfortzone. Ein Zustand, in dem das Innen – | |
äquivalent zum modischen Futter – bisweilen unerwartet nach außen gestülpt | |
wird. | |
Für manche(n) mag die modische Simulation von Winter natürlich auch | |
schlicht etwas Beruhigendes an sich haben: Wenn es schon draußen knapp 20 | |
Grad hat, dann hält wenigstens das Ganzkörperfell die mitteleuropäische | |
Vorstellung eines echten Winters aufrecht. Wo es allzu mild gestimmt und | |
samtpfotig ausschaut, darf man nun aber,wie so oft in der Mode, [1][auch | |
noch etwas anderes vermuten als das offen Daliegende.] | |
## Fortführung mit anderen Mitteln | |
Verbergen sich im Plüschmantel mit Felltasche also etliche Wölfe und | |
Wölfinnen im Schafspelz? Haben wir es hier vielleicht bloß mit der | |
logischen Fortführung des [2][formstrengen Military Looks zu tun, der alle | |
Jahre wieder in neuem Aufguss über die Laufstege getragen wird], aktuell | |
aber, wo die Kriege auch in Westeuropa fast vor der Haustüre stattfinden | |
und das reale Leiden kaum mehr zu übersehen ist, eher nicht? Eine | |
Aufrüstung mit anderen Mitteln? | |
Dem Tier dient das Fell bekanntlich auch zur Abwehr, als Schutz vor Kälte, | |
Hitze, Krankheit und anderen feindlichen Einflüssen. Seine vermeintliche | |
Verletzlichkeit nach außen zu tragen, ist eine scharfe Waffe, die man nicht | |
unterschätzen sollte. | |
Die Uniform der Sanftmütigkeit könnte es in Wahrheit faustdick hinter den | |
Ohren haben. Bis diese Lesart sich bei tatsächlichen harten Jungs und | |
denen, die sich für solche halten, durchgesetzt hat, dürfte es aber noch | |
eine Weile dauern. | |
## Kadyrow in Prada? | |
Ramsan Kadyrow zum Beispiel, der sein martialisches Auftreten gern modisch | |
untermauert, setzte bisher auf konventionelle Military Fashion: Vor einem | |
Jahr kursierten Bilder im Netz, auf denen der Tschetschenen-Führer ein | |
verdächtig bekannt ausschauendes Paar Stiefel trägt – es sollten die | |
„Monolith“ von Prada sein, mit ihrem klobigen Absatz und dem schön | |
überflüssigen, rein modischen Lederbeutelchen, das wie eine | |
Miniatur-Geldbörse am Stiefelschaft befestigt wird. | |
Eine Mimikry von Kriegsausrüstung, die hier auf das reale Schlachtfeld, das | |
Kadyrow auch verbal so gern anruft, zurückkehrt. Die Überschrift für die | |
Berichte war, in Anlehnung an einen bekannten Hollywood-Streifen mit Meryl | |
Streep als gehässige Modechefin, schnell gefunden: Der Teufel trägt Prada. | |
27 Feb 2023 | |
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## AUTOREN | |
Katharina J. Cichosch | |
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