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# taz.de -- Kilian Kerner über Berlins Fashion Week: „Ich liebe Kommerz“
> Kilian Kerner ist erfolgreich. Ab 2026 tragen Beschäftigte der BVG die
> von ihm entworfene Dienstkleidung. Die Modemesse verteidigt er gegen
> Kritik.
Bild: Kilian Kerner, geboren 1979 in Köln, lebt seit 23 Jahren in Berlin. Sein…
taz: Herr Kerner, fahren Sie eigentlich mit der BVG oder sind Sie eher so
der Fahrradmensch?
Kilian Kerner: BVG! Ich hab gar kein Fahrrad. Und ich hab auch keinen
Führerschein.
taz: Ab 2026 werden die Mitarbeitenden der BVG Dienstkleidung tragen, an
deren Entwürfen Sie gerade arbeiten. Meinen Sie, das hilft denen aus ihrer
Krise? Vielleicht laufen dann sogar die Tarifverhandlungen besser?
Kerner: Ach, das ist nicht mein Thema. Mit den Tarifverhandlungen habe ich
nichts zu tun. Ich mache Kollektionen, aber keine Tarifverhandlungen.
taz: Wie wird das sein, in die BVG zu steigen und zu sehen, dass eine
Busfahrerin Dienstkleidung von Ihnen trägt?
Kerner: Das ist Wahnsinn. Ich lebe jetzt seit 23 Jahren hier, und ich fühle
mich wie ein Berliner. Den Pitch der BVG gewonnen zu haben, gehört zu den
schönsten Erfolgen, die ich in meiner Karriere hatte. Es war ein sehr
harter Pitch mit sehr viel und sehr großer Konkurrenz aus ganz Europa.
taz: Eigentlich machen Sie ja auch ganz andere Modesachen, Fashion für
1.000 Euro zum Beispiel. Wie geht das mit der BVG-Kleidung zusammen?
Kerner: Ich hab auch eine Zweitlinie, da kosten die Sachen keine 1.000
Euro, sondern zwischen 49 und 179 Euro.
taz: Zu Ihrem Unternehmen gehört es also, diese beiden Welten
zusammenbringen?
Kerner: Ich bringe ganz viele Welten zusammen! Weil ich Kommerz liebe. Ich
möchte gerne Geld verdienen, und das kann man mit gutem Kommerz am besten.
taz: 2008 haben Sie das erste Mal an der Berlin Fashion Week teilgenommen.
Was hat sich seitdem an der Messe und an der Mode in Berlin verändert?
Kerner: Die Berlin Fashion Week hatte schon immer ihre Höhen und Tiefen.
Nach ihrem Start 2007 gab es zwischen 2010 und 2014 eine richtig krasse
Hochphase, in der wir international viel Aufmerksamkeit bekommen haben.
Seit sich Mercedes als Sponsor 2022 zurückgezogen hat, hat man sich hier
komplett neu aufgestellt. Ich finde das sehr gut. Klar, die Presse schreibt
immer wieder, dass es in Berlin nicht gut laufen würde. Aber wir als
Designer würden ja nicht jedes Jahr zweimal teilnehmen und sehr viel Geld
dafür ausgeben, wenn es uns nichts bringen würde. Wir Designer sehen das
glaube ich nicht so wie die Leute, die darüber schreiben.
taz: Das heißt, Sie würden dem oft formulierten Vorwurf widersprechen,
Berlin als Modestadt habe inzwischen ausgedient?
Kerner: Berlin hatte laut der Presse schon ausgedient, als es angefangen
hat. Ich würde mir wünschen, dass sich Redakteure mit den Designern
unterhalten und fragen, warum sie die Fashion Week immer noch machen. Wenn
sie doch „ausgedient“ habe. Es muss ja einen Grund haben.
taz: Und was ist der Grund?
Kerner: Erfolg.
taz: Was macht Berlin im Vergleich zu Städten wie Paris, Mailand oder New
York als Modestadt aus?
Kerner: Ich finde, dass jede Modestadt eine komplett andere ist. Man kann
sie nicht miteinander vergleichen und sollte es auch nicht. Stellen Sie
sich mal vor, ich würde zu meiner PR-Frau sagen: Ich rede nur mit der Vogue
und nicht mit der Berliner Tagespresse. Auf was für einen Sockel würde ich
mich dann stellen. Etwa das passiert mit der Berlin Fashion Week, jede
Saison, seit 2008. Es stellen sich Redakteure über uns alle, haben keinen
Respekt vor unserer Arbeit und sagen: Berlin ist scheiße und auf dem
absteigenden Ast. Ich kann dazu nur sagen: Redet doch mit uns!
taz: Warum sind Sie, gebürtiger Kölner, seit ihrem Umzug in Berlin
geblieben?
Kerner: Diese Stadt hat mir alles gegeben, was ich heute bin. Wäre ich in
Köln geblieben, wäre das alles nie so gekommen. Es gibt nur eine Stadt, wo
ich mir auch vorstellen könnte zu leben: Los Angeles. Aber das wird nie
passieren, weil ich für immer hier bleiben werde.
taz: Auf der Website der Berlin Fashion Week sind einige
Nachhaltigkeitsstandards zu lesen. Darüber hinaus gibt es noch die „Berlin
Fashion Week for Future“. Gleichzeitig ist die Fashion Week ganz und gar
auf Konsum angelegt. Wie passt das eigentlich zusammen?
Kerner: Konsum erleben wir doch jeden Tag. Wenn wir einmal so anfangen,
dann könnten wir kein Netflix mehr einschalten, keine Filme mehr gucken,
keine Musik mehr konsumieren. Weil vielleicht der Künstler, der ein Konzert
macht, aus Amerika kommt und mit seiner 100-köpfigen Crew mit dem Flugzeug
fliegen muss. Wenn wir das so machen würden, verbieten wir uns den ganzen
Spaß im Leben. Wenn wir alle bei uns selber anfangen, nachhaltiger zu
leben, ist allen mehr geholfen, als wenn wir jetzt anfangen, uns jeden Spaß
zu verbieten. Oder unseren Job! Es ist ein Job, einfach nur ein Job wie
jeder andere auch.
taz: Ist die Fashion Week für Sie ganz persönlich eigentlich mehr Konsum
oder mehr Kunst?
Kerner: Ich glaube, wenn wir uns in der Mitte treffen, sind wir auf dem
richtigen Weg. Für mich ist die Fashion Week nicht nur eine
Konsumveranstaltung, weil ich hier zeige, was ich aus meiner Seele
rausgepresst habe. Und kaufen tut man sowieso nichts, sondern man saugt auf
und fotografiert. Deswegen ist es wohl doch mehr Kunst als Konsum. Aber ich
selber betitle mich nicht als Künstler.
2 Feb 2025
## AUTOREN
Leonore Kogler
## TAGS
Fashion Week
Modebranche
Designer
Mode
Ausstellung
Fashion Week
Mode
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