# taz.de -- Frauen in Not in Schleswig-Holstein: Zu wenig Schutz auf dem Land | |
> Der Schutz von bedrohten Frauen ist in Schleswig-Holstein ist gut | |
> organisiert, aber nicht flächendeckend. Um das zu ändern, bräuchte es | |
> mehr Geld. | |
Bild: Sollte nicht nur ein Traum bleiben: ausreichend Frauenhäuser als Zufluch… | |
NEUMÜNSTER taz | Bundesweit melden Beratungsstellen mehr Anfragen, | |
Frauenhäuser sind voll belegt: Eine Nebenwirkung der Coronapandemie ist ein | |
[1][Zuwachs häuslicher Gewalt]. Um die Hilfe für die Opfer zu verbessern, | |
stockt Schleswig-Holstein seinen Etat für Beratungen und Schutzeinrichtung | |
um 500.000 Euro auf. Dennoch gibt es weiße Flecken im Land, und eine Studie | |
zeigt weiteren Bedarf. | |
Frauen und Kinder, die in Nordfriesland oder im Kreis Schleswig-Flensburg | |
auf der Flucht vor Gewalt sind, mussten bislang weit fahren – Frauenhäuser | |
gibt es in den Flächenkreisen im Norden nicht. Immerhin hat die | |
Arbeiterwohlfahrt im vergangenen Sommer vier Schutzwohnungen in | |
Nordfriesland angemietet. Der Kreis hat im Januar Mittel für eine | |
Verlängerung des Angebots bewilligt. Insgesamt ist das Hilfesystem für | |
Frauen in Schleswig-Holstein vergleichsweise gut. 16 Frauenhäuser gibt es | |
im Land, 13 davon autonom. Dazu kommen 26 Beratungsstellen in allen Kreisen | |
des Landes. | |
„Ja, das Netz ist gut, aber zu dünn“, sagt Katharina Wulf vom Landesverband | |
Frauenberatung. Das bestätigt eine Studie, die das Innenministerium – das | |
für Schutz von Gewaltopfer zuständig ist – in Auftrag gegeben hat. Darin | |
werden zwar die in „vielerlei Hinsicht vorbildlichen Strukturen“ im Land | |
gelobt, aber dennoch würden „deutlich mehr Ressourcen benötigt“, lautet d… | |
Fazit. Während die Lage in den größeren Städten vergleichsweise gut | |
aussieht, wurden die Beratungsstellen in den kleineren Orten in den | |
vergangenen Jahren eher ausgedünnt. | |
Dass die öffentliche Hand Fraueneinrichtungen finanziert, ist keine | |
freiwillige Leistung, sondern in der so genannten Istanbul-Konvention | |
verankert. 2011 schlossen 13 Staaten diesen gemeinsamen Vertrag, in dem sie | |
sich verpflichten, Maßnahmen zum Schutz gewaltbedrohter Frauen zu | |
ergreifen. Seither haben sich weitere Länder angeschlossen. Unter anderem | |
sind darin „angemessene finanzielle und personelle Mittel“ für Hilfen | |
vorgesehen, zudem „Schutzunterkünfte, die sicher, geeignet und leicht | |
zugänglich“ sein müssen. | |
Bundesweit werden diese Vorgaben unterschiedlich ausgelegt. | |
Schleswig-Holstein hat seine Landesförderung auf sehr stabile Füße | |
gestellt: Geld fließt nicht für besetzte Plätze im Frauenhaus oder | |
geleistete Beratungsstunden, sondern der Ansatz richtet sich nach der Größe | |
der Bevölkerung. Dazu kommen Mittel der Kommunen für die Beratungsstellen. | |
Allerdings ist die Förderung schon seit Jahren nicht erhöht worden, mit dem | |
Effekt, dass es „entweder keine Gehaltserhöhungen für die Beschäftigten gab | |
oder Beratungsstunden gestrichen wurden“, sagt Wulf. Das soll nun anders | |
werden, freut sich die Sprecherin des Landesverbandes: Das Land hat eine | |
regelmäßige Steigerung zugesagt. In diesem Jahr stellt das Ministerium für | |
Frauenhäuser und Beratungsstellen 7,5 Millionen Euro zur Verfügung. Ab 2022 | |
wird diese Summe jährlich um 2,5 Prozent steigen. | |
Richtig üppig wird es dennoch nicht, befürchtet Wulf: „Nach dem Willen des | |
Ministeriums sollen wir mehr für die Prävention tun“, sagt sie. „Aber wenn | |
wir die Summe über das Land verteilen, kommen pro Standort vielleicht zehn | |
Stunden mehr heraus – das ist weit entfernt von einer großen Aufstockung.“ | |
Wulf sieht Beratungsbedarf für Gruppen, „die bisher nicht im Fokus stehen“. | |
Dazu zählen Frauen mit Behinderungen und Frauen, deren Hauptsprache nicht | |
deutsch ist. Um sie besser zu erreichen, sei es wichtig, „in die | |
strukturelle Arbeit zu gehen“, etwa durch eine Fortbildung von | |
Erzieher*innen oder Lehrer*innen, der Beschäftigten in Jobcentern und | |
weiteren „Institutionen am Rand, die in Kontakt mit Opfern von Gewalt sind, | |
ohne es zu wissen“. | |
Auch die Frauenhäuser hätten sich mehr gewünscht. Heute gibt es 319 | |
Frauenhausbetten im Land. Nach Ansicht der Fachfrauen sollten es deutlich | |
mehr werden: „Die 30 Notplätze, die seit 2019 gewährt werden, reichen nicht | |
aus“, sagt Ludmila Sitnikowa, Sprecherin der Koordinierungsstelle der | |
Autonomen Frauenhäuser. | |
16 Mar 2021 | |
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## AUTOREN | |
Esther Geißlinger | |
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