| # taz.de -- Häusliche Gewalt in Pandemiezeiten: Gewaltiges Ausmaß | |
| > Die häusliche Gewalt im Lockdown nimmt zu, die Fälle werden schwerer, | |
| > sagt die Gewaltschutzambulanz der Charité. | |
| Bild: Auch diesmal ist nach dem Ende des Lockdowns mit einer Zunahme der Anzeig… | |
| Berlin taz | Es ist ein düsteres Bild, das die stellvertretende Leiterin | |
| der Gewaltschutzambulanz, Saskia Etzold, nach einem Jahr Pandemie zeichnet. | |
| Die Schwere der Verletzungen habe zugenommen, „auffällig häufig handelte es | |
| sich um Gewalt gegen den Hals“, sagt Etzold. Die Gewaltschutzambulanz | |
| bietet Opfern häuslicher Gewalt rechtsmedizinische Begutachtung an. 1.661 | |
| Gewaltopfer haben sich Etzold zufolge 2020 an die [1][Untersuchungsstelle | |
| der Charité] gewandt – 8 Prozent mehr als 2019. Die beiden Lockdowns seien | |
| dabei von großer Bedeutung, berichtet Etzold. | |
| Gemeint sind das Frühjahr 2020 und der zweite Lockdown, der im November | |
| begann. Jedes Mal seien die Fallzahlen zu Beginn des Lockdowns im Vergleich | |
| zu Normalzeiten deutlich zurückgegangen. Im März um 24 Prozent, im November | |
| sogar um 38 Prozent. | |
| „Mit zunehmender Lockerung wird [2][die Gewalterfahrung] dann offenbar“, | |
| sagt Justizsenator Dirk Behrend (Grüne) am Mittwoch bei der gemeinsamen | |
| Pressekonferenz. Etzold bestätigt das: Das Jahr 2020 sei von starken | |
| wellenartigen Bewegungen gezeichnet gewesen. Nach dem ersten Lockdown sei | |
| die Ambulanz massiv nachgefragt gewesen. In den ersten beiden Wochen nach | |
| dem ersten Lockdown seien die Zahlen in der Ambulanz im Vergleich zum | |
| Vorjahr um 50 Prozent gestiegen. Im Juni, Juli und August habe die | |
| Nachfrage immer noch 30 Prozent über früheren Werten gelegen. Auch diesmal | |
| sei nach dem Ende des Lockdowns eine starke Zunahme zu befürchten, sagt der | |
| Justizsenator. | |
| ## Würgemale am Hals | |
| Die Gewaltopfer waren in 900 Fällen Frauen, 352 Männer. Die restlichen | |
| Opfer hätten sich keinem Geschlecht zuordnen wollen. 405 der Opfer waren im | |
| Kindesalter. Die meisten der Hilfesuchenden waren zwischen 21 und 49 Jahren | |
| alt. Nach Auslösern für häusliche Gewalt gefragt, nennt Etzold Stress und | |
| finanzielle Sorgen. Beim Lockdown komme hinzu, dass alle Mitglieder der | |
| Familie ständig zu Hause seien. Für die Betroffenen sei es da kaum möglich, | |
| die Wohnung zu verlassen, um einen Termin bei der Gewaltschutzambulanz zur | |
| Dokumentation der Verletzungen wahrzunehmen. | |
| Was die Verletzungen angehe, sehe man eine Verschlimmerung der Gewalt. | |
| „Corona hat gesamtgesellschaftlich etwas mit den Menschen gemacht“, sagt | |
| Etzold. Neben Hautunterblutungen durch Schläge sei der große Anteil von | |
| Würgemalen am Hals auffällig. Wenn die Verletzungen länger als zwei Wochen | |
| zurücklagen, ließen sich diese oftmals nicht mehr dokumentieren, weil sie | |
| dann verschwunden seien. Je jünger die Kinder seien, umso schneller | |
| verschwänden Verletzungsmale. | |
| Die Ärztinnen und Ärzte der Gewaltschutzambulanz unterliegen der | |
| Schweigepflicht. Nur wenn die Opfer zustimmen, wird die Polizei informiert. | |
| Anders sei es, wenn Kinder misshandelt worden sind. Laut Behrendt wurden | |
| 2020 15.871 Verfahren im Zusammenhang mit häuslicher Gewalt eingeleitet, | |
| das waren 1.035 Fälle mehr als 2019. Bei den Wegweisungen – wenn ein | |
| Partner beispielsweise der Wohnung verwiesen wird – gab es 2.423 Verfahren. | |
| 3 Mar 2021 | |
| ## LINKS | |
| [1] https://gewaltschutzambulanz.charite.de/ | |
| [2] /Ein-Jahr-Corona-in-Berlin/!5753659 | |
| ## AUTOREN | |
| Plutonia Plarre | |
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