| # taz.de -- Hilfe für Opfer häuslicher Gewalt: Safe Space in der Notaufnahme | |
| > In Bremen soll es ab dem kommenden Frühjahr eine Gewaltschutzambulanz | |
| > geben. Dort können auch Spuren als Beweismittel gesichert werden. | |
| Bild: Soll anonym gesichert werden, wenn es durch häusliche Gewalt entstand: H… | |
| Hamburg taz | Wer in Bremen [1][Opfer von körperlicher oder häuslicher | |
| Gewalt] wird, hat bisher keine Möglichkeit die Spuren anonym zu sichern. | |
| Das soll sich nun ändern. Ab kommenden April soll es in Bremen eine | |
| Gewaltschutzambulanz geben, die die Versorgung und Beratung von Betroffenen | |
| geschlechtsspezifischer Gewalt und eine vertrauliche Spurensicherung | |
| zusammenführen wird. Das teilte kürzlich die Bremer Gesundheitsbehörde mit. | |
| „Mit der Gewaltschutzambulanz wird eines der wichtigsten Vorhaben und damit | |
| ein Leuchtturm des Landesaktionsplans 'Istanbul-Konvention umsetzen’ im | |
| Land Bremen nun zügig realisiert und damit eine Versorgungslücke in unserem | |
| Bundesland geschlossen“, sagte die Bremer Landesfrauenbeauftragte Bettina | |
| Wilhelm, deren Behörde am Aufbau der Gewaltschutzambulanz beteiligt ist. | |
| Die Istanbul-Konvention ist ein völkerrechtlicher Vertrag, der die | |
| „Verhütung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt“… | |
| den unterzeichnenden Ländern regeln soll. In Deutschland ist die | |
| Istanbul-Konvention seit 2018 in Kraft. | |
| Sie schreibt vor, die Geschlechter gleichzustellen und diskriminierende | |
| Vorschriften abzuschaffen. Die unterzeichnenden Staaten verpflichten sich | |
| zudem, Bildungs-, Hilfs- und Beratungsangebote für Opfer | |
| geschlechtsspezifischer Gewalt anzubieten. | |
| ## Retraumatisierung in der Notaufnahme verhindern | |
| Ein zentraler Bestandteil des bremischen Aktionsplans zur Umsetzung der | |
| Istanbul-Konvention ist eine sogenannte Gewaltschutzambulanz. Konkret soll | |
| sie an der zentralen Notaufnahme des Klinikums Bremen-Mitte angesiedelt | |
| werden. Dort soll es laut Gesundheitsbehörde „vier Räume und einen ruhigen | |
| Wartebereich“ geben, der für Menschen gedacht ist, die akut sexuelle oder | |
| häusliche Gewalt erlebt haben. | |
| Bisher mussten Betroffene oft stundenlang in der Notaufnahme warten. Das | |
| aber könne für Opfer retraumatisierend sein, sagt Mo Urban von der | |
| Zentralstelle für die Verwirklichung der Gleichstellung der Frau (ZGF), dem | |
| Büro der Landesfrauenbeauftragten. | |
| Ab April haben Menschen, die akut geschlechtsspezifische Gewalt erlebt | |
| haben, dann einen eigenen Raum. Rund 80 Prozent von ihnen sind Frauen. Der | |
| Vorstoß für die Gewaltschutzambulanz kam von der Linksfraktion, die 2019 | |
| einen entsprechenden Antrag in die Bürgerschaft eingebracht hatte. | |
| In der Ambulanz soll es neben Gynäkolog*innen und klinischen | |
| Rechtsmediziner*innen auch geschulte Fachkräfte geben, die die | |
| Betroffenen in Empfang nehmen, sie durch den Prozess begleiten und, | |
| anschließend an die medizinische Behandlung, auch über mögliche weitere | |
| Schritte beraten, wie etwa den Weg in ein Frauenhaus, zu Beratungsstellen | |
| oder zu einer Anzeige. | |
| ## Zeit, um über eine Anzeige nachzudenken | |
| Neben der akuten medizinischen Versorgung soll es in der | |
| Gewaltschutzambulanz auch die Möglichkeit zur vertraulichen Spurensicherung | |
| geben. Konkret heißt das: Fotos von Hämatomen und anderen Verletzungen | |
| sollen gemacht werden, Abstriche genommen, DNA-Material gesichert werden. | |
| Diese werden als Beweismittel für zehn Jahre gespeichert und erst dann an | |
| die Polizei weitergegeben, wenn die*der Betroffene sich für eine Anzeige | |
| entscheidet. | |
| Bisher war das [2][in Bremen nur nach sexualisierter Gewalt möglich.] In | |
| Zukunft soll es auch nach anderen Formen der körperlichen Gewalt möglich | |
| sein. Das kann wichtig sein, wenn „beispielsweise Ehefrauen vielleicht noch | |
| gar nicht getrennt sind und jetzt noch keine Anzeige erstatten wollen“ sagt | |
| Urban. | |
| Neu ist auch, dass die Gewaltschutzambulanz eine Schnittstelle zwischen der | |
| schon bestehenden Kinder- und Jugendschutzambulanz, der Gynäkologie und der | |
| Rechtsmedizin bildet und mit den Beratungsstellen in der Stadt eng | |
| verknüpft sein soll. Ein „ganzheitliches Angebot“, nennt das Urban. | |
| Begleitet wird der Aufbau der Gewaltschutzambulanz von einem Beirat, in dem | |
| die Notaufnahmen aller Bremer Krankenhäuser, die Ressorts Gesundheit und | |
| Frauen, Justiz und Inneres sowie die Polizei und diverse | |
| Beratungseinrichtungen sitzen, wie ein Sprecher der Gesundheitsbehörde | |
| mitteilte. Für die Zukunft plant Bremen auch die Ausbildung von | |
| rechtsmedizinisch geschulten Pflegekräften. | |
| ## Berliner Charité als Vorbild | |
| Das große Vorbild für das Bremer Projekt ist [3][die Gewaltschutzambulanz | |
| der Berliner Charité.] Die wurde 2014 eröffnet und verzeichnet steigende | |
| Fallzahlen. 2020 waren es 1.661 Menschen, die sich an die Charité gewandt | |
| hatten. Was die Bremer*innen besonders freut: Die Medizinerin Saskia | |
| Etzold, die die Berliner Ambulanz aufgebaut hat, wechselt nun nach Bremen, | |
| um auch hier die Gewaltschutzambulanz aufzubauen. „Erstklassiges Konzept | |
| kombiniert mit erstklassigem Personal“ freut sich die | |
| Landesfrauenbeauftragte Wilhelm. | |
| Finanziert ist die Bremer Gewaltschutzambulanz bisher nur bis Ende 2024. Ob | |
| das Projekt danach weitergehen kann, soll in den Haushaltsverhandlungen | |
| 2024/2025 entschieden werden. | |
| 1 Nov 2023 | |
| ## LINKS | |
| [1] /Haeusliche-Gewalt-in-Pandemiezeiten/!5750917 | |
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| ## AUTOREN | |
| Franziska Betz | |
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